TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/17 92/01/0782

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Veröffentlicht am 17.02.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §11 Abs1;
AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §18 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Juni 1992, Zl. 4.323.232/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 11. Oktober 1991 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer - ein afghanischer Staatsangehöriger, der (nachdem er der Aktenlage nach am 27. August 1991 sein Heimatland verlassen hatte) am 17. September 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist - nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Juni 1992 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner Erstbefragung im Asylverfahren am 26. September 1991 hinsichtlich seiner Fluchtgründe angegeben, während seines Militärdienstes in den Jahren 1990 bis 1991 "von der Regierung" den Auftrag bekommen zu haben, gegen "die Mitglieder der Mugahidin-Partei", welche in Opposition zur Regierung stehe, zu kämpfen. Dazu habe er sich jedoch geweigert, weil "sich in diesen Gruppen viele Verwandte und Bekannte" von ihm befänden und er es nicht "zusammengebracht" habe, "meine Verwandten" zu töten. Er sei daher vom Militär "geflohen", was in seinem Heimatland die Todesstrafe bedeute. Um einem Gerichtsurteil zu entgehen, habe er sein Heimatland verlassen.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid machte der Beschwerdeführer geltend, daß er bei seiner Vernehmung seine Gründe, weshalb er seine Heimat verlassen habe, nicht ausführlich habe darlegen können, "weil kein geeigneter Übersetzer zur Verfügung stand und mein Englisch nicht ausreichend war". Er brachte im wesentlichen vor, daß er gegen seinen Willen zum Militärdienst einberufen worden sei und ein Jahr lang unter sehr schweren Umständen entgegen seiner Überzeugung gegen seine Landsleute habe kämpfen müssen. Dies sei mit einer großen psychischen Belastung für ihn verbunden gewesen, weshalb er "immer wieder auf eine Gelegenheit gewartet" habe, "fliehen zu können". Zu Hause habe er sich "längerfristig" nicht verstecken können, weil seine Wohnung wiederholt durchsucht und seine Mutter, um seinen Aufenthalt zu erfahren, verhört und Repressalien ausgesetzt gewesen sei. Es werde "zwar heute nicht mehr von Kommunismus geredet", es seien aber immer noch dieselben Leute an der Macht. Er sei ein Antikommunist und würde es auch immer bleiben. So sei er während seiner Lehrzeit drei Wochen lang eingesperrt gewesen, weil er während einer Demonstration Zettel, auf denen die Greueltaten der Regierung angeprangert worden seien, verteilt habe. Er habe seine Familie verlassen müssen, um sie nicht einer noch größeren Gefahr auszusetzen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 - dessen Bestimmungen bei Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits anzuwenden waren - hat der Bundesminister für Inneres seiner Entscheidung über eine zulässige Berufung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen. Eine offenkundige Mangelhaftigkeit dieses Ermittlungsverfahrens, die gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 - wie in den beiden anderen dort angeführten, aber ebenfalls nicht vorliegenden Fällen - seine Ergänzung oder Wiederholung erforderlich gemacht hätte, war für die belangte Behörde auf Grund der Aktenlage auch unter Berücksichtigung des Inhaltes der Berufung nicht erkennbar. Der (bereits in der Berufung erhobenen) Rüge des Beschwerdeführers, es sei seiner Vernehmung kein geeigneter Dolmetscher beigezogen worden, ist entgegenzuhalten, daß gemäß (dem im Zeitpunkt der Vernehmung geltenden) § 11 Abs. 1 Asylgesetz (1968) der Vernehmung eines Asylwerbers, der der deutschen Sprache nicht kundig ist, eine der "fremden Sprache" mächtige Person als Dolmetsch zuzuziehen war, dies aber nicht bedeutete, daß es sich hiebei um die Muttersprache des Asylwerbers handeln müßte, sondern dieser Bestimmung (wie nunmehr der des § 18 Abs. 1 Asylgesetz 1991) auch dann Genüge getan wurde, wenn die Übersetzung in eine andere dem Beschwerdeführer ausreichend verständliche Sprache erfolgt, der Beschwerdeführer in der betreffenden Niederschrift als Fremdsprache "englisch" angegeben und abschließend, nachdem ihm die Niederschrift in englischer Sprache vorgelesen worden war, ausdrücklich erklärt hat, diese verstanden und nichts mehr hinzuzufügen zu haben. Es bestand für die belangte Behörde objektiv kein Anhaltspunkt dafür, daß der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen wäre, der Einvernahme zu folgen oder sich in hinreichendem Maße auszudrücken. Er hat bei dieser Vernehmung auch nicht einmal andeutungsweise auf die Umstände, die er in seiner Berufung zusätzlich vorgebracht hat, Bezug genommen. Der Beschwerdeführer wäre demnach selbst dann nicht in seinen Rechten verletzt worden, wenn die belangte Behörde auf sein Berufungsvorbringen überhaupt nicht Bedacht genommen hätte. Eine Rechtsverletzung ist daher auch nicht darin gelegen, daß die belangte Behörde seinem Vorbringen, er sei während seiner (laut Niederschrift in den Jahren 1986 bis 1989 stattgefundenen) Lehrzeit auf Grund seines regimefeindlichen Verhaltens inhaftiert gewesen, keinen Glauben geschenkt hat, sodaß eine Auseinandersetzung mit dieser (vom Beschwerdeführer bekämpften) Beweiswürdigung entbehrlich ist. Daß ihm deshalb, weil er seine Heimat verlassen habe, um seine Familie nicht weiter zu gefährden, Asyl zu gewähren gewesen wäre, behauptet der Beschwerdeführer - abgesehen davon, daß dieser Umstand, wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, keine gegen ihn gerichtete Verfolgung bedeutet hätte - selbst nicht.

Der Beschwerdeführer hat das Verlassen seines Heimatlandes im erstinstanzlichen Verfahren ausschließlich - und im übrigen in der Berufung weitgehend, wobei der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht entnommen werden kann, daß die belangte Behörde den Angaben des Beschwerdeführers nicht auch insoweit gefolgt wäre - mit seiner Desertion und den für ihn daraus entstehenden schwerwiegenden Folgen begründet. Die belangte Behörde hat diesbezüglich zutreffend auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 8. April 1992, Zl. 92/01/0243, und vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0394) verwiesen, wonach die Furcht vor einer wegen Desertion oder Wehrdienstverweigerung drohenden, unter Umständen auch strengen Bestrafung, keinen Grund für die Anerkennung als Flüchtling darstellt. Der Beschwerdeführer will diesen Rechtssatz nur in den Fällen gelten lassen, in denen jemand "aus Furcht, kämpfen zu müssen, oder aus Abneigung gegen den Militärdienst desertiert ist", was für ihn nicht zutreffe. Er meint in diesem Zusammenhang, es könne ihm unter den von ihm im Asylverfahren genannten Umständen "nicht zugemutet werden, im Rahmen des von ihm verlangten Militäreinsatzes gegen unschuldige Zivilisten, worunter sich Angehörige seiner Familie, Bekannte und Angehörige seiner politischen Gesinnung befinden, gewaltsam wider diese tätig zu werden", und seine Entscheidung, zu desertieren, werde von den politischen Behörden des Heimatstaates "unweigerlich als politischer Akt, der gegen die Regierung gerichtet ist, gewertet, und führt demzufolge aus politischen Gründen zu einer unverhältnismäßig schweren Strafe, wodurch im Sinne der Konvention begründete Furcht vor Verfolgung seitens des Beschwerdeführers vorliegt". Der Beschwerdeführer vermag aber mit diesen Ausführungen nicht darzutun, daß er im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (in Übereinstimmung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) wegen seiner politischen Gesinnung Verfolgung zu befürchten habe. Er läßt die Feststellung der belangten Behörde, die in Afghanistan bestehende Wehrpflicht betreffe "alle jungen Männer ohne Rücksicht auf insbesondere Stammeszugehörigkeit, politische Einstellung oder religiöses Bekenntnis", unbekämpft, woraus sich ergibt, daß in seinem Heimatland alle jene, denen Desertion strafrechtlich zum Vorwurf gemacht werden kann, unabhängig davon, aus welchem Grund sie dieses Verhalten gesetzt haben, und daher auch unabhängig von ihrer politischen Gesinnung, mit entsprechenden Sanktionen seitens der staatlichen Behörden zu rechnen haben. Es ist daher für den Standpunkt des Beschwerdeführers auch nichts zu gewinnen, wenn ihn seine politische Gesinnung - welches Motiv allerdings jedenfalls aus seinen niederschriftlichen Angaben nicht hervorgeht - zur Desertion veranlaßt haben sollte (vgl. in Ansehung religiöser Gründe auch dazu unter anderem das bereits erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. April 1992, Zl. 92/01/0243, mit weiteren Judikaturhinweisen). Schließlich würde demnach selbst dann, wenn das Berufungsvorbringen zur Gänze, also auch hinsichtlich des behaupteten Umstandes, daß der Beschwerdeführer aus politischen Gründen bereits einmal inhaftiert gewesen sei, zu berücksichtigen wäre, dies nichts daran ändern, daß ihm Maßnahmen wegen der Desertion und nicht wegen seiner politischen Gesinnung drohen.

Bei diesem Ergebnis braucht auf die weitere - vom Beschwerdeführer sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht bestrittene - Argumentation der belangten Behörde, es sei anzunehmen, daß er auf Grund der seit Verlassen seines Heimatlandes dort eingetretenen politischen Verhältnisse bei einer Rückkehr "keinerlei Verfolgungshandlungen" ausgesetzt sei, nicht mehr eingegangen zu werden. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verletzung von Verfahrensvorschriften (Begründungsmängel, Unterlassung weiterer Ermittlungen) ist daher, soweit sie überhaupt vorliegt, insgesamt nicht als wesentlich anzusehen.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010782.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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