Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag B-VG Art144 Abs2 ZustellG §8 Abs2Leitsatz
Zurückweisung eines Individualantrages auf Aufhebung von §8 Abs2 ZustellG mangels Eingriffs der bekämpften Norm in die Rechtssphäre des Antragstellers; Eintritt der nachteiligen Wirkungen erst durch einen unter Anwendung von §8 Abs2 ZustellG erlassenen "Vollstreckungsbescheid"; gleichzeitige Ablehnung der Beschwerde gegen den auf §8 Abs2 ZustellG gestützten BescheidSpruch
I. Der Antrag, §8 Abs2 des Zustellgesetzes, BGBl. 200/1982, als verfassungswidrig aufzuheben, wird zurückgewiesen.
II. Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.
Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Begründung
Begründung:
I. Nach dem Beschwerdevorbringen erging gegen den Beschwerdeführer am 27. November 1986 zu Z PSt 10149/D/86 eine Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, mit welcher über diesen gemäß §7 Abs1 KFG iVm §4 Abs4 KDV und §103 Abs1 KFG eine Geldstrafe und eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurde, weil er am 25. November 1986 seinen PKW einem anderen überlassen habe, obwohl der rechte hintere Reifen abgefahren gewesen sei. Aufgrund eines Einspruches sei ein Straferkenntnis ergangen, mit welchem eine Strafe in gleicher Höhe wie in der Strafverfügung verhängt worden sei; die dagegen eingebrachte Berufung sei vom Landeshauptmann von Wien wegen verspäteter Einbringung zurückgewiesen worden.
Die Vollstreckung dieser Strafe sei über das Exekutionsgericht Wien betrieben worden. Dem Exekutionsakt habe der Beschwerdeführer entnommen, daß ihm die Bundespolizeidirektion Wien am 21. März 1989 einen "Vollstreckungsbescheid" zugestellt habe. Er sei zu diesem Zeitpunkt jedoch ortsabwesend gewesen, weshalb er am 6. Juni 1989 einen Antrag auf Zustellung dieses Bescheides gestellt habe. Die Behörde erster Rechtsstufe habe ihn am 12. Juni 1989 aufgefordert, diesen seinen - nicht leserlichen - Antrag leserlich einzubringen, worauf der Beschwerdeführer am 16. Juni 1989 eine neuerliche Eingabe verfaßt habe. Da die Bundespolizeidirektion Wien innerhalb von sechs Monaten keine Entscheidung gefällt habe, habe er am 23. April 1990 einen Antrag nach §10 Abs1 VVG iVm §73 AVG auf Übergang der Entscheidungspflicht gestellt.
Mit dem, dem Schriftsatz des Beschwerdeführers in Ablichtung beigeschlossenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. Juni 1990, Z MA 70-10/646/90/Str, wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Übergang der Entscheidungspflicht gemäß §73 AVG stattgegeben. Der Antrag auf Zustellung des "Vollstreckungsbescheides" (laut dem angefochtenen Bescheid handelt es sich um einen Bescheid vom 21. März 1989, mit welchem festgestellt wird, daß der Exekutionstitel des Exekutionsverfahrens 4 E9557/88 des Exekutionsgerichtes Wien einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht unterliegt) wurde aber mit der Begründung abgewiesen, dieser Bescheid vom 21. März 1989 sei am 26. April 1989 gemäß §8 Abs2 des ZustellG zugestellt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde.
Gleichzeitig wird der Antrag gestellt, §8 Abs2 des ZustellG gemäß Art140 Abs1 B-VG wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben.
II. 1. Der auf Art140 Abs1 B-VG gestützte Antrag auf Aufhebung des §8 Abs2 des ZustellG erweist sich aus folgenden Erwägungen als unzulässig:
Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10.353/1985).
Im vorliegenden Fall sind diese Wirkungen aber durch den gleichzeitig bekämpften (wenngleich aufgrund der angegriffenen Gesetzesstelle erlassenen) Bescheid eingetreten (vgl. VfSlg. 8259/1978, 9845/1983, 9939/1984, Beschlüsse vom 29. November 1988, B1502/88, G197/88 und vom 7. Dezember 1989, G172/88).
2. Da dem Antragsteller somit die Legitimation zur Einleitung eines §8 Abs2 des ZustellG betreffenden Gesetzesprüfungsverfahrens fehlt, ist sein Antrag als unzulässig zurückzuweisen.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.
III. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie gemäß Art6 Abs1 und Art6 Abs3 litb MRK. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes (§8 Abs2 des ZustellG). Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.
Soweit die Beschwerde aber verfassungsrechtliche Fragen berührt, läßt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie - unter dem Blickwinkel der vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmenden Rechtsverletzungen - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.
Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 VerfGG).
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:B948.1990Dokumentnummer
JFT_10099075_90B00948_00