TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/17 92/01/1006

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Veröffentlicht am 17.02.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AVG §13a;
AVG §37;
AVG §9 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Juli 1992, Zl. 4.290.839/2-III/13/90, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, hat den durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdeausführungen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 7. Mai 1990, mit dem festgestellt worden war, beim Beschwerdeführer lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft.

Mit ihrem Bescheid vom 8. Juli 1992 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. In der Bescheidbegründung ging die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtslage davon aus, daß es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, Umstände glaubhaft zu machen, die die Annahme rechtfertigen würden, der Beschwerdeführer befinde sich aus objektiv wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention außerhalb seines Heimatlandes und sei daher nicht gewillt, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Asylgewährung und auf ein den Bestimmungen des AVG entsprechendes Asylverfahren verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Den unbestritten gebliebenen Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer seinen Asylantrag bei seiner am 26. Jänner 1990 von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vorgenommenen niederschriftlichen Befragung damit begründet hat, daß er zwar als Kurde keine direkten Verfolgungen zu befürchten gehabt habe, aber benachteiligt worden sei. Während seines Militärdienstes sei der Beschwerdeführer in einem von Kurden bewohnten Gebiet an der Grenze zum Irak eingesetzt gewesen, wobei ihm der Kontakt mit Kurden verboten gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe als Schuhmachermeister seinen Arbeitsplatz im väterlichen Betrieb deshalb verloren, weil die Regierung kein Leder und sonstige Grundmaterialien zur Verfügung gestellt habe. Das Geschäft seines Vaters sei - ohne Ablöse - abgerissen worden, weil an dieser Stelle früher ein Bordell gestanden sei, weshalb die Gegend als unrein angesehen worden sei. In der Folge habe der Beschwerdeführer seinen Arbeitsplatz gewechselt, wobei er aber auf Grund der sitzenden Tätigkeit und der schlechten Werkstätten höchstens noch zehn Jahre als Schuhmacher hätte arbeiten können. Er habe sich daher, um seine Gesundheit zu erhalten und seine wirtschaftliche Situation zu verbessern, zur Ausreise entschlossen. In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung hat der Beschwerdeführer - der auch insoweit unbestritten gebliebenen Darstellung der belangten Behörde zufolge - über sein bisheriges Vorbringen hinaus insbesondere vorgebracht, auf Grund seiner kurdischen Abstammung große Schwierigkeiten mit fanatischen Moslems und deswegen auch kein Vertrauen zu dem seiner Einvernahme beigezogenen Dolmetsch gehabt zu haben. Er habe daher bei dieser Gelegenheit seine Fluchtgründe nicht detailliert erläutert. Darüber hinaus machte der Beschwerdeführer in seiner Berufung die Bombardierung seiner Heimatstadt im Jahre 1979, den Tod seiner Eltern, seine wegen der auf seine kurdische Abstammung zurückzuführenden Schwierigkeiten sich steigernde regimefeindliche Einstellung, sein Engagement für die Kurdische Demokratische Partei (KDP) durch Verbreiten von Publikationen und den Umstand, Sympathisant der "Komala" gewesen zu sein, geltend. Wegen der Festnahme einiger Sympathisanten der KDP habe der Beschwerdeführer die Preisgabe seines Namens befürchtet. Es sei dem Beschwerdeführer zwar gelungen für sich selbst die Verlängerung seines Reisepasses zu erwirken, doch seien seine Bemühungen um die Ausstellung von Reisedokumenten für seine Gattin und seine beiden Kinder erfolglos geblieben, weshalb er alleine sein Heimatland verlassen habe. Im Fall seiner Rückkehr habe der Beschwerdeführer wegen Verrates am islamischen Glauben und wegen Landesflucht mit einer längeren Gefängnisstrafe, wenn nicht mit der Todesstrafe zu rechnen.

Die belangte Behörde hat das Vorbringen des Beschwerdeführers dahin gewürdigt, daß seine Angaben im erstinstanzlichen Verfahren, denenzufolge er politisch nicht tätig gewesen sei und er sein Heimatland aus gesundheitlichen und wirtschaftlichen Gründen verlassen habe, glaubhaft seien. Dem darüber hinausgehenden Berufungsvorbringen könne aber volle Glaubwürdigkeit nicht beigemessen werden, weil nicht ersichtlich sei, warum der Beschwerdeführer es unterlassen habe, derartige verfahrensrelevante Umstände - wie die Tätigkeit für eine oppositionelle Vereinigung - bereits im erstinstanzlichen Verfahren geltend zu machen. Insbesondere seien auch die Angaben, im Fall der Rückkehr streng bestraft zu werden, im Hinblick auf die unter Verwendung eines gültigen iranischen Reisepasses erfolgte problemlose Ausreise des Beschwerdeführers aus seinem Heimatland nicht voll glaubwürdig.

Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie unter Zugrundelegung der im erstinstanzlichen Verfahren gemachten Angaben des Beschwerdeführers das Vorliegen von Verfolgung bzw. der Furcht vor einer solchen verneint hat. Gemäß dem im Beschwerdefall anzuwendenden § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 hat der Bundesminister für Inneres einer Berufungsentscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen. Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen hat der Bundesminister eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens dann anzuordnen, wenn es offenkundig mangelhaft war, der Asylwerber Bescheinigungsmittel vorlegt, die im Verfahren vor dem Bundesasylamt nicht zugänglich waren, oder wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung erster Instanz zugrunde gelegt wurde, in der Zwischenzeit geändert hat.

Der Beschwerdeführer hat in der Beschwerde den bereits in der Berufung geltend gemachten Mangel an Vertrauen gegenüber dem seiner erstinstanzlichen Einvernahme beigezogenen iranischen Dolmetsch bzw. seine Furcht, diesem alle Gründe für seine Flucht bekanntzugeben, in den Vordergrund seiner Argumentation gestellt. Mit diesem Vorbringen gelingt es ihm nicht, das Vorliegen einer offenkundigen Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens als beim gegebenen Sachverhalt allein in Frage kommenden Grund für eine allenfalls gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 gebotene Ergänzung oder Wiederholung des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens darzutun. Angesichts der Anordnung des § 18 Abs. 1 Asylgesetz 1991, der Vernehmung eines der deutschen Sprache nicht hinreichend kundigen Asylwerbers einen Dolmetscher beizuziehen, kann weder aus der im Beschwerdefall dementsprechend durchgeführten Einvernahme des Beschwerdeführers noch aus seiner inneren Einstellung gegenüber dem seiner Einvernahme beigezogenen Dolmetscher abgeleitet werden, das erstinstanzliche Verfahren wäre offenkundig mangelhaft gewesen.

Im sohin für die Frage der Asylgewährung allein maßgeblichen erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren ist es dem Beschwerdeführer aber nicht gelungen, in der Flüchtlingskonvention angeführte Gründe, aus denen er Verfolgung befürchten müßte, glaubhaft zu machen. So hat die belangte Behörde die ins Treffen geführten, in keiner Weise konkretisierten allgemeinen Benachteiligungen der kurdischen Minderheit zu Recht nicht als individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete individuelle Verfolgung gewertet (vgl. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht, Wien 1990, S 29, angeführte Judikatur). Der Einsatz des Beschwerdeführers während der Ableistung seines Militärdienstes in einem von Kurden bewohnten Gebiet bzw. das Verbot, mit Kurden zu sprechen, stellen Maßnahmen dar, denen infolge der Beendigung des Militärdienstes und auf Grund des Umstandes, daß der Beschwerdeführer nicht behauptet hat, im Zusammenhang mit seinem Militärdienst auch nach dessen Ableistung benachteiligt worden zu sein, keine Aktualität mehr zukommt. Auch kann dem Vorbringen des Beschwerdeführer nicht entnommen werden, daß die Beeinträchtigungen während des Militärdienstes eine Intensität erreicht hätten, die seinen weiteren Aufenthalt in seinem Heimatland unerträglich gemacht hätten.

Die schlechte Belieferung des väterlichen Betriebes und die Zerstörung des väterlichen Geschäftslokales stellen sich nicht als gegen den Beschwerdeführer - sondern gegen seinen Vater - gerichtete staatliche Aktivitäten dar, aus denen der Beschwerdeführer eine Verfolgung seiner Person nicht ableiten kann. Der mit diesen Vorgängen in Zusammenhang gebrachte Verlust des Arbeitsplatzes ist ebensowenig geeignet, Verfolgung des Beschwerdeführers darzutun, weil seinem Vorbringen entnehmbar ist, daß er einen anderen Arbeitsplatz gefunden hat, sodaß von einer Bedrohung seiner Existenzgrundlage nicht die Rede sein kann. Soweit schließlich der Beschwerdeführer die schlechten Arbeitsbedingungen, die Gesundheitsschädlichkeit seiner Tätigkeit und sein Bestreben, seine wirtschaftliche Situation zu verbessern, ins Treffen geführt hat, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, daß diese Argumente nicht geeignet sind, das Vorliegen von in der Flüchtlingskonvention angeführten Asylgründen darzutun.

Der Beschwerdeführer hat der belangten Behörde auch vorgeworfen, gegen den Grundsatz der materiellen Wahrheit verstoßen bzw. die Offizialmaxime nicht beachtet zu haben. Hiezu ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde somit nicht zu weiteren Ermittlungen verhalten.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992011006.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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