Index
10 VerfassungsrechtNorm
StV Wien 1955 Art7 Z3Leitsatz
Feststellung der Gesetzwidrigkeit von (einsprachigen) Ortsbezeichnungen in weiteren straßenpolizeilichen "Ortstafelverordnungen" in Kärnten wegen Widerspruchs zum Minderheitenschutz im Staatsvertrag Wien unter Hinweis auf die VorjudikaturSpruch
§1 Z5 erster bis dritter Satz der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 21. Jänner 1986, Zahl 4129/1/85, betreffend Verkehrsmaßnahmen auf Gemeindestraßen, Ortschaftswegen und Verbindungswegen der Marktgemeinde Eberndorf war bis zum Ablauf des 30. Juni 2006 gesetzwidrig.
Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Kärnten verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu Zl. B3635/05 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zu Grunde liegt:
Über den Beschwerdeführer wurde mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 17. März 2005 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet von Mökriach eine Geldstrafe in bestimmter Höhe verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 21. November 2005 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die eingangs genannte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.
2. Aus Anlass dieser Beschwerde beschloss der Verfassungsgerichtshof am 26. Juni 2006, gemäß Art139 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der im Spruch genannten Verordnungsbestimmungen einzuleiten.
Die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt legte die Verordnungsakten vor und teilte mit, dass eine schriftliche Äußerung zum Gegenstand durch die Kärntner Landesregierung erfolgen werde.
Die Kärntner Landesregierung ersuchte vorerst um Erstreckung der ihr für die Erstattung einer Äußerung vom Verfassungsgerichtshof eingeräumten Frist, erstattete letztlich aber keine Äußerung.
II. Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage (nämlich zur Zeit der Tat [22. Jänner 2005] bzw. der Fällung des Bescheides erster Instanz [17. März 2005] - vgl. §1 Abs2 VStG; s. auch VfSlg. 17.327/2004) stellt sich wie folgt dar:
1.1. Die Z3 des im Verfassungsrang stehenden, mit "Rechte der slowenischen und kroatischen Minderheiten" überschriebenen Art7 des Staatsvertrages von Wien (im Folgenden: StV Wien) lautet wie folgt:
"3. In den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärntens, des Burgenlandes und der Steiermark mit slowenischer, kroatischer oder gemischter Bevölkerung wird die slowenische oder kroatische Sprache zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zugelassen. In solchen Bezirken werden die Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur sowohl in slowenischer oder kroatischer Sprache wie in Deutsch verfaßt."
1.2.1. Im Abschnitt I "Allgemeine Bestimmungen" des Volksgruppengesetzes, BGBl. 1976/396, sieht §2 - nach Aufhebung der Wortfolge "wegen der verhältnismäßig beträchtlichen Zahl (ein Viertel) der dort wohnhaften Volksgruppenangehörigen" in Abs1 Z2 mit Erkenntnis VfSlg. 16.404/2001 (vgl. BGBl. I 2002/35) - insbesondere Folgendes vor:
"§2. (1) Durch Verordnungen der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates sind nach Anhörung der in Betracht kommenden Landesregierung festzulegen:
1. ...
2. Die Gebietsteile, in denen topographische Bezeichnungen zweisprachig anzubringen sind.
3. ...
(2) Bei Erlassung der in Abs1 vorgesehenen Verordnungen sowie bei der Vollziehung des Abschnittes III dieses Bundesgesetzes sind bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist auf die zahlenmäßige Größe der Volksgruppe, die Verbreitung ihrer Angehörigen im Bundesgebiet, ihr größenordnungsmäßiges Verhältnis zu anderen österreichischen Staatsbürgern in einem bestimmten Gebiet sowie auf ihre besonderen Bedürfnisse und Interessen zur Erhaltung und Sicherung ihres Bestandes Bedacht zu nehmen. Hiebei sind die Ergebnisse amtlicher statistischer Erhebungen mitzuberücksichtigen."
1.2.2. §12 des Volksgruppengesetzes lautet (samt Überschrift) wie folgt:
"ABSCHNITT IV
Topographische Bezeichnungen
§12. (1) Im Bereiche der gemäß §2 Abs1 Z. 2 bezeichneten Gebietsteile sind Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur, die von Gebietskörperschaften oder von sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts angebracht werden, in deutscher Sprache und in der Sprache von in Betracht kommenden Volksgruppen zu verfassen. Diese Verpflichtung gilt nicht für die Bezeichnung von Örtlichkeiten, die außerhalb des Bereiches solcher Gebietsteile liegen.
(2) In der Verordnung nach §2 Abs1 Z. 2 sind auch die Örtlichkeiten, die für eine zweisprachige Bezeichnung in Betracht kommen, sowie die topographischen Bezeichnungen in der Sprache der in Betracht kommenden Volksgruppen festzulegen, die neben der deutschsprachigen Bezeichnung anzubringen sind. Hiebei ist auf die örtliche Übung und auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung Bedacht zu nehmen.
(3) Topographische Bezeichnungen, die nur in der Sprache einer Volksgruppe bestehen, sind von Gebietskörperschaften unverändert zu verwenden."
1.2.3. Die - hier maßgebliche - Verordnung der Bundesregierung vom 31. Mai 1977 über die Bestimmung von Gebietsteilen, in denen topographische Bezeichnungen in deutscher und slowenischer Sprache anzubringen sind, BGBl. 306, lautete - nach VfSlg. 16.404/2001 (vgl. BGBl. II 2002/37) - wie folgt:
"Auf Grund des §2 Abs1 und des §12 des Volksgruppengesetzes, BGBl. Nr. 396/1976, wird im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates verordnet:
§1. In folgenden Gebietsteilen (§2 Abs1 Z. 2 des Volksgruppengesetzes, BGBl. Nr. 396/1976) sind Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur, die von Gebietskörperschaften oder von sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts angebracht werden, sowohl in deutscher als auch slowenischer Sprache anzubringen:
1. Im politischen Bezirk Klagenfurt Land:
In der Gemeinde Ebental im Gebiet der ehemaligen Gemeinde Radsberg, in der Gemeinde Ferlach im Gebiet der ehemaligen Gemeinde Windisch-Bleiberg, in der Gemeinde Ludmannsdorf in den Gebieten der ehemaligen Gemeinden Ludmannsdorf und Oberdörfl und in der Gemeinde Zell;
2. im politischen Bezirk Völkermarkt:
§2. Ehemalige Gemeinden im Sinne dieser Verordnung sind die von bestehenden Gemeinden (§1) erfaßten Gebiete von Gemeinden nach dem Stand zum 15. Mai 1955.
§3. Diese Verordnung tritt mit 1. Juli 1977 in Kraft."
Dass diese Verordnung mittlerweile, nämlich mit 1. Juli 2006, außer Kraft trat (vgl. §2 der Topographieverordnung-Kärnten BGBl. II 2006/245, ausgegeben am 30. Juni 2006), ist für dieses Verordnungsprüfungsverfahren ebenso wenig maßgeblich wie die genannte Topographieverordnung-Kärnten selbst (s. dazu oben Pkt. II., Eingangssatz, sowie VfSlg. 16.404/2001 S 1003f. Pkt. III.1.3.2.1. zweiter Abs). Diese Verordnung sieht für die Ortschaft Mökriach keine zweisprachigen Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur vor.
1.3.1. Der mit "Begriffsbestimmungen" überschriebene §2 der Straßenverkehrsordnung 1960 enthält in Abs1 Z15 die folgende Regelung:
"15. Ortsgebiet: das Straßennetz innerhalb der Hinweiszeichen 'Ortstafel' (§53 Z. 17a) und 'Ortsende' (§53 Z. 17b)."
1.3.2. Die - Hinweiszeichen betreffenden - Bestimmungen des §53 (Abs1) Z17a und Z17b StVO, auf die in §2 Abs1 Z15 leg. cit. verwiesen wird, sowie §53 Abs2 StVO lauten wie folgt:
"(1) Die Hinweiszeichen weisen auf verkehrswichtige Umstände hin. Hinweiszeichen sind die folgenden Zeichen:
...
17a. ORTSTAFEL
[Ortstafel nicht darstellbar !!!!]
Dieses Zeichen gibt den Namen eines Ortes an und ist jeweils am Beginn des verbauten Gebietes anzubringen. Ein Gebiet ist dann verbaut, wenn die örtliche Zusammengehörigkeit mehrerer Bauwerke leicht erkennbar ist. Auf Autobahnen, ausgenommen am Ende einer Ausfahrtsstraße, darf dieses Zeichen nicht angebracht werden. Die Anbringung einer grünen Tafel mit der weißen Aufschrift 'Erholungsdorf' - bei Orten, die berechtigt sind, die Bezeichnung Erholungsdorf zu führen - oder einer ähnlichen, die Gemeinde näher beschreibenden Tafel unterhalb der Ortstafel ist zulässig, wenn dadurch die leichte Erkennbarkeit der Ortstafel nicht beeinträchtigt und die Sicherheit des Verkehrs nicht gefährdet wird; eine solche Tafel darf die Ortstafel seitlich nicht überragen.
17b. ORTSENDE
[Ortstafel nicht darstellbar !!!!]
Dieses Zeichen ist auf der Rückseite des Zeichens 'Ortstafel' anzubringen; dem Zeichen kann ein Hinweis auf die Entfernung bis zum nächsten Ort mit Verkehrsbedeutung beigefügt werden. ...
(2) Auf Vorwegweisern, Wegweisern und Orientierungstafeln sind die Namen von Orten, die im Ausland liegen, nach der offiziellen Schreibweise des betreffenden Staates anzugeben (zB Bratislava, Sopron, Maribor). Die zusätzliche Anführung einer allfälligen deutschsprachigen Ortsbezeichnung ist zulässig (zB Preßburg, Ödenburg, Marburg)."
1.3.3. Abs2 des mit "Fahrgeschwindigkeit" überschriebenen §20 StVO lautet auszugsweise wie folgt:
"(2) Sofern die Behörde nicht gemäß §43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren."
1.3.4. Abs1 des mit "Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise" überschriebenen §43 StVO sieht u.a. Folgendes vor:
"(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung
...
b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,
1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,
..."
1.3.5. Der die "Kundmachung der Verordnungen" regelnde §44 StVO sieht u.a. Folgendes vor:
"(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. Parteien im Sinne des §8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. ..."
1.3.6. Gemäß §94b StVO obliegt die Erlassung von Verordnungen auf Grund dieses Gesetzes grundsätzlich den Bezirksverwaltungsbehörden.
1.4.1. Am 21. Jänner 1986 erließ die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt zu Zahl 4129/1/85 eine Verordnung betreffend Verkehrsmaßnahmen auf Gemeindestraßen, Ortschaftswegen und Verbindungswegen der Marktgemeinde Eberndorf, die auszugsweise wie folgt lautet (die hier in Prüfung gezogene Bestimmung ist hervorgehoben):
"Auf Grund des Ergebnisses der durchgeführten Überprüfung aller Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs an den Gemeindestraßen, Ortschaftswegen und Verbindungswegen der Marktgemeinde Eberndorf wird gemäß den Bestimmungen der §§43, 44 in Verbindung mit den §§94 b) und 96 Abs2 der StVO 1960, BGBl. Nr. 159, in der derzeit geltenden Fassung, verordnet:
§1
...
5. Die Ortschaft Mökriach stellt eine überwiegend geschlossene Ortschaft dar und ist zumindest auf einer Seite als verbaut anzusehen, teilweise ist die Verbauung beidseitig der Gemeindestraße gegeben. Es wird daher für diese Ortschaft eine Ortstafel gemäß §53, Zl. 17 a und 17 b leg.cit. verfügt.
Die Standorte für die Anbringung dieser Hinweiszeichen werden wie folgt festgelegt:
a)
aus Richtung Eberndorf in die Ortschaft Mökriach im Bereich der Einbindung zum vlg. Hoinig (30 m vor der Einbindung)
b)
aus Richtung Hof unmittelbar vor dem Anwesen Gomernig bzw. Zipusch (gelbes Wohnhaus)
c)
aus Richtung Grabelsdorf vor dem Anwesen Starz (Gemeinde St. Kanzian)
Die derzeit angebrachte Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km ist zu entfernen.
...
10. Aus Richtung Köcking in Richtung Gösselsdorf ist unmittelbar vor dem Anwesen Skoff eine Ortstafel 'Gösselsdorf' gemäß §53, Zl. 17 a und 17 b leg.cit. anzubringen.
...
25. Die Ortstafeln 'Wasserhofen' sind in Entsprechung des §53, Zl. 17 a und 17 b leg.cit. anzubringen.
...
§2
Diese Verordnung tritt mit der Aufstellung der verfügten Verkehrszeichen in Kraft.
§3
Übertretungen dieser Verordnung werden als Verwaltungsübertretungen in Entsprechung des §99 der StVO 1960, in der derzeit geltenden Fassung, bestraft."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zu den Prozessvoraussetzungen
Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem Prüfungsbeschluss - vorläufig - davon aus, dass die Beschwerde zulässig ist.
Ferner nahm der Verfassungsgerichtshof - unter Hinweis auf die entsprechenden Erwägungen in den Erkenntnissen VfSlg. 16.404/2001 (S 1003 Pkt. III.1.3.2.1.) sowie VfGH 12.12.2005 V64/05 (Pkt. III.1.3.2.) - vorläufig an, dass die im Spruch bezeichneten Verordnungsbestimmungen im vorliegenden Zusammenhang präjudiziell sind. Der Verfassungsgerichtshof ging dabei - vorläufig - davon aus, dass mit der in Prüfung gezogenen Regelung für die Ortschaft Mökriach ein Ortsgebiet iSd. StVO festgelegt und dazu die Anbringung der Hinweiszeichen "Ortstafel" gemäß §53 Abs1 Z17a StVO und "Ortsende" gemäß §53 Abs1 Z17b StVO, jeweils mit der Ortsbezeichnung "Mökriach", vorgeschrieben wird. Angesichts der besonderen legistischen Technik, die bei dieser Regelung angewendet wird und die sich von jener unterscheidet, die beispielsweise in Z10 oder Z25 dieser Verordnung angewendet wird, schien es dem Verfassungsgerichtshof erforderlich, die gesamte Regelung betreffend das Ortsgebiet von Mökriach in Prüfung zu ziehen.
Im Hinblick darauf, dass auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorzuliegen schienen, ging der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig ist.
Im Verordnungsprüfungsverfahren wurde nichts vorgebracht und ist auch nichts hervorgekommen, was gegen diese vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes spräche. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist daher zulässig.
2. In der Sache:
2.1. Der Verfassungsgerichtshof stützte sein Bedenken gegen die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen auf die folgenden Erwägungen:
"In der Sache hegt der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass die im Spruch genannten Verordnungsbestimmungen der Verfassungsbestimmung des Art7 Z3 zweiter Satz StV Wien widersprechen (vgl. VfSlg. 16.404/2001, VfGH 12.12.2005 V64/05 sowie VfGH 26. Juni 2006 V20-22/06, V32/06).
Der Verfassungsgerichtshof geht dabei - vorläufig - insbesondere von Folgendem aus: Die Ortschaft Mökriach wies bei der Volkszählung 2001 einen Anteil von "25% und mehr" (bei Ortschaften mit 31 bis 100 Österreichern werden von der Statistik Austria keine absoluten Zahlen ausgewiesen) österreichischer Staatsbürger mit slowenischer Umgangssprache auf; bei den vorhergehenden Volkszählungen hat dieser Anteil bzw. der Anteil slowenisch Sprechender an der Wohnbevölkerung insgesamt, soweit dem Verfassungsgerichtshof ortschaftsweise Auswertungen vorliegen, 63,6% (1961) sowie "25% und mehr" (1971 bis 1991; s. dazu die Anmerkung oben) betragen.
Die Verfassungsbestimmung des Art7 Z3 zweiter Satz StV Wien dürfte daher für die in der Gemeinde Eberndorf im politischen Bezirk Völkermarkt gelegene Ortschaft Mökriach gebieten, dass Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur, insbesondere die hier in Rede stehenden Straßenverkehrszeichen, sowohl in Slowenisch als auch in Deutsch zu verfassen sind. Die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung scheint somit dem Art7 Z3 zweiter Satz StV Wien zu widersprechen.
Für den Fall aber, dass die in Prüfung gezogene Bestimmung in verfassungskonformer Interpretation als Anordnung einer zweisprachigen Ortsbezeichnung zu verstehen ist, hegt der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass diesbezüglich ein Kundmachungsmangel vorliegt."
2.2. Im Verordnungsprüfungsverfahren wurde nichts vorgebracht und ist auch sonst nichts hervorgekommen, was dieses Bedenken zerstreut hätte.
Im Hinblick auf den Wortlaut der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen - es wird nur die deutsche Ortsbezeichnung:
"Mökriach" verwendet - ist davon auszugehen, dass damit das Anbringen von Hinweiszeichen iSd. §53 Abs1 Z17a und 17b StVO allein mit der deutschen Ortsbezeichnung vorgeschrieben wird. Im Hinblick darauf aber trifft das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, dass diese Bestimmungen dem Art7 Z3 zweiter Satz StV Wien widersprechen, zu.
Die genannte Verfassungsbestimmung des StV Wien bildete allerdings nur bis zum Inkrafttreten der Topographieverordnung-Kärnten, BGBl. II 2006/245, somit bis zum Ablauf des 30. Juni 2006, den vom Verfassungsgerichtshof seinem Prüfungsbeschluss zu Grunde gelegten Prüfungsmaßstab. Mit 1. Juli 2006 ist nämlich mit der in Durchführung des §2 Abs1 Z2 iVm. §12 VolksgruppenG ergangenen Topographieverordnung-Kärnten eine die unmittelbare Geltung des Art7 Z3 zweiter Satz StV Wien (wiederum) ausschließende Vorschrift erlassen worden (vgl. VfSlg. 15.970/2000 S 480 Pkt. 3.4., VfSlg. 16.404/2001 S 1032 Pkt. 4.3.). Beginnend mit diesem Zeitpunkt bestimmt sich die Rechtmäßigkeit der hier in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung nämlich zunächst nach dem VolksgruppenG und der darauf gestützten Topographieverordnung-Kärnten. Die Topographieverordnung-Kärnten ist allerdings - im Hinblick auf die im Anlassverfahren für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des dort bekämpften Bescheides maßgeblichen Zeitpunkte (s. dazu oben Pkt. II., Eingangssatz) - in diesem Verfahren nicht präjudiziell iSd. Erwägungen in VfSlg. 16.404/2001 (S 1003 Pkt. III.1.3.2.1. zweiter Abs).
Aufgrund dieser Überlegungen ist somit festzustellen, dass §1 Z5 erster bis dritter Satz der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 21. Jänner 1986, Zahl 4129/1/85, betreffend Verkehrsmaßnahmen auf Gemeindestraßen, Ortschaftswegen und Verbindungswegen der Marktgemeinde Eberndorf bis zum Ablauf des 30. Juni 2006 gesetzwidrig war.
2.3. Die Verpflichtung zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches gründet sich auf Art139 Abs5 zweiter Satz B-VG und §60 Abs2 VfGG.
2.4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Volksgruppen, Minderheiten, Ortstafeln, Straßenpolizei, Straßenverkehrszeichen, Verwaltungsstrafrecht, Bescheiderlassung (Zeitpunkt maßgeblich für Rechtslage), Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:V50.2006Dokumentnummer
JFT_09938787_06V00050_00