TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/17 92/01/1106

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Veröffentlicht am 17.02.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §13a;
AVG §37;
AVG §9 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. September 1992, Zl. 4.314.953/4-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger albanischer Nationalität, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 9. Oktober 1991, mit dem festgestellt worden war, beim Beschwerdeführer lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft.

Mit ihrem Bescheid vom 9. September 1992 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab. In der Bescheidbegründung ging die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtslage davon aus, daß es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, Umstände glaubhaft zu machen, die die Annahme rechtfertigen würden, der Beschwerdeführer befinde sich aus objektiv wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention außerhalb seines Heimatlandes und sei daher nicht gewillt, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Asylgewährung und auf ein den Bestimmungen des AVG entsprechendes Asylverfahren verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag bei seiner am 8. Mai 1991 von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vorgenommenen niederschriftlichen Befragung damit begründet, daß er seit Jänner 1990 Mitglied der demokratischen Bewegung in seinem Heimatort sei und seit Februar 1991 regelmäßig an verschiedenen Demonstrationen in seinem Heimatort und in umliegenden Ortschaften teilgenommen habe. Er sei von der Miliz ausgeforscht und gesucht worden. Am 28. März 1991 habe der Beschwerdeführer mit zwei anderen näher angeführten Personen den Milizkommandanten im Heimatort des Beschwerdeführers geschlagen, weshalb der Beschwerdeführer nach zwei bis drei Tagen wieder von der Miliz zu Hause gesucht worden sei. Der Beschwerdeführer, der sich dann bei verschiedenen Verwandten aufgehalten habe, sei letztmals am 25. April 1991 von der Polizei zu Hause gesucht worden und habe dann bis zum 1. Mai 1991 - dem Tag des Beginns seiner Ausreise - "im Untergrund" gelebt. In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung hat der Beschwerdeführer lediglich geltend gemacht, in seinem Heimatland von "serbokroatischen Banden" gesucht zu werden und daher um sein Leben zu fürchten.

Die belangte Behörde hat das Vorbringen des Beschwerdeführers dahin gewürdigt, daß die von ihm ins Treffen geführten polizeilichen Maßnahmen, soweit sie im Zusammenhang mit seiner Teilnahme an Demonstrationen stünden, nicht als Verfolgungshandlungen gewertet werden könnten, weil Beschränkungen des Versammlungsrechtes oder der Abhaltung von Demonstrationen alle Bewohner im gleichen Ausmaß träfen. Daß der Beschwerdeführer von der Miliz gesucht worden sei, weil er einen Milizkommandanten geschlagen habe, könne nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft führen, weil derartige Delikte auch in demokratischen Staaten dem legitimen staatlichen Strafanspruch entsprechende, strafrechtliche Konsequenzen nach sich zögen. Auch könnten den Ausführungen des Beschwerdeführers keine Hinweise darauf entnommen werden, daß den strafrechtlichen Maßnahmen asylbeachtliche Verfolgungsmotive zugrunde gelegen wären.

Der belangten Behörde ist zunächst darin beizupflichten, daß die Beschränkung des Versammlungsrechtes, des Rechtes auf Abhaltung von Demonstrationen wie auch überhaupt des Rechtes auf freie Meinungsäußerung nicht als individuelle Verfolgung eines Asylwerbers gewertet werden kann (vgl. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht, Wien 1990, S 33, angeführte Judikatur). Ebensowenig sind aber auch behördliche Nachforschungen nach dem Beschwerdeführer wegen seiner den Behörden bekannt gewordenen Teilnahme an Demonstrationen für sich allein geeignet, Verfolgung bzw. begründete Furcht vor einer solchen darzutun (vgl. für viele andere z.B. die hg. Erkenntnisse vom 1. Juli 1992, Zl 92/01/0459, und vom 25. November 1992, Zlen. 92/01/0585, 0586).

Soweit der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seinem Vorgehen gegen den örtlichen Milizkommandanten behördliche Nachforschungen ins Treffen geführt hat, hat ihm die belangte Behörde zu Recht entgegengehalten, daß aus Nachforschungen wegen eines kriminellen Deliktes Verfolgung nicht abgeleitet werden kann. Strafverfolgung wegen einer Gewalttat, welche nicht in einem solchen Zusammenhang mit politischer Tätigkeit oder politischer Meinung steht, der es rechtfertigen würde, die wegen dieser Tat drohende Strafverfolgung als Verfolgung wegen der politischen Gesinnung (oder aus einem anderen in der Flüchtlingskonvention angeführten Grund) anzusehen, stellt keinen Grund für berechtigte Furcht vor Verfolgung aus in der Flüchtlingskonvention angeführten Gründen dar (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1992, Zl. 92/01/0086). Daß aber ein solcher ausreichender Zusammenhang der Tat mit der politischen Einstellung oder Tätigkeit des Beschwerdeführers gegeben wäre, hat er im Verwaltungsverfahren nicht dargetan. Soweit er derartiges nun erstmals in der Beschwerde andeutet, unterliegt er insoweit dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot.

Der Beschwerdeführer hat in Ausführung seiner Verfahrensrüge insbesondere geltend gemacht, die belangte Behörde habe - obwohl er Zeugen namhaft gemacht habe - es unterlassen, diese Zeugen einzuvernehmen. Dem ist entgegenzuhalten, daß nach Ausweis der Verwaltungsakten der Beschwerdeführer bei seiner erstinstanzlichen Einvernahme wohl von einer weiteren Person, die mit ihm gemeinsam gegen den örtlichen Milizkommandanten vorgegangen und in der Folge auch mit ihm nach Österreich gekommen sei, gesprochen, diese aber nicht ausdrücklich als Zeugen namhaft gemacht und somit naturgemäß auch nicht das Beweisthema, zu dem diese Person hätte einvernommen werden sollen, angegeben hat. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers bei seiner Einvernahme ergibt sich, daß diese Person lediglich für Angaben über das gemeinsame Vorgehen gegen den Milizkommandanten und über den gemeinsamen Fluchtweg in Frage gekommen wäre. Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde aber nicht in Zweifel gezogen, sodaß, selbst wenn man dem Vorbringen des Beschwerdeführers bei seiner Einvernahme die Namhaftmachung eines Zeugen unterlegte, aus der Unterlassung der Einvernahme des Zeugen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht abgeleitet werden könnte.

Der Beschwerdeführer hat der belangten Behörde auch vorgeworfen, gegen den Grundsatz der materiellen Wahrheit verstoßen zu haben. Hiezu ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen.

Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde somit nicht zu weiteren Ermittlungen verhalten.

Der Beschwerdeführer hat der belangten Behörde vorgeworfen, die zwischen der Wertung seines erstinstanzlichen Vorbringens - als Furcht vor Verfolgung nicht rechtfertigend - und seiner Berufung, in der er ausgeführt hatte, um sein Leben zu fürchten, bestehende Divergenz nicht zur Stellungnahme vorgehalten zu haben. Dazu ist festzuhalten, daß das sich in der Behauptung, von "serbokroatischen Banden" gesucht zu werden und um sein Leben zu fürchten, erschöpfende Berufungsvorbringen nicht geeignet ist, eine offenkundige Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens im Sinne des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 - die übrigen in dieser Gesetzesstelle angeführten Gründe für die Anordnung einer Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens kommen beim gegebenen Sachverhalt nicht in Betracht - aufzuzeigen. Demgemäß durfte die belangte Behörde, unabhängig davon, ob das Berufungsvorbringen in Widerspruch zum erstinstanzlichen Vorbringen steht, gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz ihrer Entscheidung zugrunde legen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war die belangte Behörde auch nicht verpflichtet, ihm ihre rechtliche Würdigung des Sachverhaltes bzw. die rechtliche Beurteilung seiner Berufung vor Erlassung des angefochtenen Bescheides mitzuteilen, da das Recht der Parteien eines Verwaltungsverfahrens auf Anhörung lediglich auf die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes abzielt (vgl. hiezu die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, Wien 1987, S 335 zitierte Judikatur).

Wie bereits oben dargelegt wurde, ist keiner der vom Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren ins Treffen geführten Gründe geeignet, begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention zu bescheinigen. Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerde, in der er geltend macht, die belangte Behörde hätte es pflichtwidrig unterlassen, die von ihm aufgezeigten Fluchtgründe im Zusammenhang zu beurteilen, aber nicht aufgezeigt, aus welchen Überlegungen bei einer solchen, von ihm geforderten Betrachtungsweise die belangte Behörde zu einem anderen Beurteilungsergebnis hätte gelangen können. Somit ist auch aus dieser Rüge für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen.

Mit den erstmals in der Beschwerde erhobenen Behauptungen, gefoltert worden zu sein und keine Aussicht auf ein rechtsstaatliches Verfahren gehabt zu haben, unterliegt der Beschwerdeführer dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot. Auf dieses Vorbringen war daher nicht weiter einzugehen.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Da nunmehr bereits eine Entscheidung in der Beschwerdesache vorliegt, konnte ein Abspruch des Berichters über den zu Zl. AW 92/01/0305 protokollierten Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, unterbleiben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992011106.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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