Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der XY-AG in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 7. August 1992, Zl. 28.000/37-III/3/92, betreffend Denkmalschutz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Haus S, J-Gasse 1, wurde im Jahre 1966 unter Denkmalschutz gestellt. Mit Ansuchen vom 17. März 1986 beantragte die Beschwerdeführerin beim Bundesdenkmalamt die (nachträgliche) Bewilligung der "Änderung eines Passagenfesters in eine Passagentüre, Eisenkonstruktion". Einer diesem Antrag angeschlossenen Baubeschreibung ist dazu nur zu entnehmen, daß es sich um den Einbau einer Türe aus Stahlformprofilen mit den Ausmaßen 75 x 214 (Gehflügel) und 40 x 214 (Stehflügel) handeln sollte.
Zu diesem Ansuchen (und gleichlautend zu einem dasselbe Haus betreffenden Ansuchen einer Z-Gesellschaft m.b.H. betreffend die Änderung eines Passagenfensters in eine Passagentüre im Ausmaß von 157 x 234) gab der Landeskonservator eine negative Äußerung ab, zu welcher die Beschwerdeführerin trotz gebotener Gelegenheit nicht Stellung nahm.
Mit Bescheid vom 1. Oktober 1986 wies das Bundesdenkmalamt den Antrag der Beschwerdeführerin ab und sprach aus, daß die Bewilligung für den beantragten Umbau eines Passagenfensters in eine Passagentüre gemäß § 5 Abs. 1 des Denkmalschutzgesetzes idF gemäß BGBl. Nr. 167/1978 nicht erteilt werde.
Der Beschwerdeführerin sei (gemäß der Stellungnahme des Landeskonservators) mit Schreiben vom 5. Juni 1986 folgendes vorgehalten worden:
"Grundsätzlich ist es abzulehnen, daß eine bestehende Auslagenvitrine plötzlich durch Herausnahme des Podiums und Einbau einer Türe in die Glasfläche in ein eigenes Lokal, wenn auch ein kleines, umgewandelt wird. Die Beispielsfolgen wären in S, wo in allen Durchhäusern und Passagen zum Teil tiefe und breite Auslagenvitrinen existieren, verheerend.
Eine Bewilligung kann daher nicht in Aussicht gestellt werden."
Dazu habe die Beschwerdeführerin keine Äußerung abgegeben. Durch die beantragte und ohne Genehmigung bereits durchgeführte Maßnahme werde der Bestand, die überlieferte Erscheinung und künstlerische Wirkung des Hauses in unzumutbarer Weise beeinträchtigt.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin im wesentlichen geltend, für den Betrachter hebe sich die nunmehr in die Glasfläche eingeschnittene Glastüre überhaupt nicht von der bisherigen Vitrine (Schauraum) ab, somit liege gar keine wesentliche Veränderung vor. Selbst bei Annahme einer Bewilligungspflicht wäre aber diese Bewilligung nach dem Gesetz zu erteilen gewesen, wobei die Frage der Nutzung des Raumes außerhalb des denkmalschutzrechtlichen Kompetenzbereiches liege.
Die belangte Behörde nahm im Berufungsverfahren am 28. Juli 1992 einen (amtsinternen) Lokalaugenschein vor, über dessen Ergebnis im gleichzeitig anhängigen Berufungsakt betreffend die von der Z-Ges.m.b.H. vorgenommene Veränderung festgehalten wurde:
"Das gegenständliche Haus J-Gasse 1 hat zwei Eingänge mit zwei Passagen, wobei die gegenständliche (gemeint: jene, in welcher von der Z-Ges.m.b.H. eine Vitrine durch Einbau einer Glastüre verändert wurde) Passage sich eigentlich als Nr. 2 darstellt.
Die Passagen wurden Anfang der 70er Jahre oder Ende der 60er Jahre eingebaut, sind sehr tief und sehr häßlich.
Der gegenständliche Umbau der Passage in ein Verkaufslokal wurde bereits rückgängig gemacht und ist daher die gegenständliche Angelegenheit, was die Z betrifft, hinfällig.
Der Parallelfall des Einbaus eines Verkaufslokals in die Passage durch die XY (s.Parallelakt 18.933/2-33/86) ist in der eigentlichen Einfahrt des Hauses J-Gasse 1 untergebracht.
Die Gesamtsituation ist etwas anders und etwas aufgelockerter, auch der Hinweis, daß im rückwärtigen Teil bereits entsprechende geschäftliche Einbauten getätigt wurden, ist zutreffend.
Insgesamt kann gesagt werden, daß - auch nach Meinung des Landeskonservators für S - der Umbau der Passage in eine Wechselstube durch die XY eher als positiv zu werten ist, jedenfalls keine Verschlechterung darstellt. Daß im Zuge einer neuen Gesamtplanung der an sich sehr häßlichen Passagensituationen eine noch wesentlich bessere Gestaltung möglich wäre, liegt auf der Hand und müßte die Hausinhabung oder der Antragsteller diesbezüglich eine Gesamtplanung durchführen.
Auch ist zu bemerken, daß die vom Bundesdenkmalamt wiedergegebene Meinung, es könne deshalb nicht der Umbau der Passage in ein Verkaufslokal genehmigt werden, weil dies einen Präzedenzfall darstellt, nicht zutreffend sein kann. Jede einzelne Situation wird stets gesondert zu beurteilen sein. Die Entscheidung über die Berufung der XY wird im Nachakt erfolgen."
Dieses Ermittlungsergebnis wurde in der Folge nicht dem Parteiengehör unterzogen.
Mit Bescheid vom 7. August 1992, Zl. 28.000/36-III/3/92, gab die belangte Behörde der Berufung der Z-Ges.m.b.H. mit der Begründung keine Folge, daß die betreffende Passage zwischenzeitig wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt worden sei und sich als einheitliche Auslage präsentiere, weshalb der Antrag auf nachträgliche Genehmigung des Umbaues als überholt anzusehen sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 7. August 1992, Zl 28.000/37-III/3/92, gab die belangte Behörde auch der Berufung der nunmehrigen Beschwerdeführerin keine Folge. Begründend führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, daß die Änderung einer Auslagenvitrine in ein Geschäftslokal fraglos als bewilligungspflichtige Veränderung gemäß § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz anzusehen sei, weil der Umstand, ob sich eine Passage als geschlossene Auslagenvitrine darstelle oder durch eine Türe "aufgerissen" werde, eine grundlegende optische Änderung darstelle. Das Gesetz sei eng auszulegen und binde so gut wie jede Veränderung an eine Bewilligung des Bundesdenkmalamtes, gleichgültig, ob es sich um eine Verschlechterung handle oder allenfalls sogar auch um eine Verbesserung des bestehenden Zustandes. Der Nachweis des Zutreffens der für eine Veränderung geltend gemachten Gründe obliege nach § 5 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz dem Antragsteller. Solche Gründe habe die Beschwerdeführerin weder behauptet noch nachgewiesen. Es stehe ihr aber die Einbringung eines neuerlichen, begründeten Antrages frei, wobei es vorstellbar sei, daß im Zuge der Prüfung dieses neuen Antrages eine Lösung gefunden werden könnte, die eine wesentliche Verbesserung der Gesamtsituation herbeiführen würde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht verletzt, "daß Änderungen in einem von uns benutzten, wenngleich in einem denkmalgeschützten Gebäude liegenden Mietlokal nur dann einer Bewilligungspflicht unterworfen werden, wenn eine Veränderung, die den Bestand (Substanz), die überlieferte Erscheinung oder künstlerische Wirkung beeinflussen könnte, vorliegt".
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß dem ersten Satz des § 4 Abs. 1 des Denkmalschutzgesetzes, BGBl. Nr. 533/1923, in der von der belangten Behörde anzuwendenden Fassung gemäß der Novelle BGBl. Nr. 473/1990, ist bei Denkmalen, die - wie unbestritten das Haus S, J-Gasse 1 - unter Denkmalschutz stehen, die Zerstörung sowie jede Veränderung, die den Bestand (Substanz), die überlieferte Erscheinung oder künstlerische Wirkung beeinflussen könnte, ohne Bewilligung gemäß § 5 Abs. 1 verboten.
Nach § 5 Abs. 1 leg.cit. bedarf die Zerstörung sowie jede Veränderung eines Denkmals gemäß § 4 Abs. 1 der Bewilligung des Bundesdenkmalamtes, es sei denn, es handelt sich um eine Maßnahme bei Gefahr im Verzug (§ 4 Abs. 1 lit. b). Der Nachweis des Zutreffens der für eine Zerstörung oder Veränderung geltend gemachten Gründe obliegt dem Antragsteller. Zur Antragstellung ist jede Partei im Sinne des § 8 AVG 1950 sowie auch der Landeshauptmann (§ 1 Abs. 4) berechtigt. In allen Verfahren wegen Zerstörung eines Denkmals gemäß diesem Absatz kommt neben diesen Personen auch dem Bürgermeister Parteistellung zu. In Verfahren gemäß Abs. 1 über beantragte Veränderungen eines Denkmals kann das Bundesdenkmalamt gemäß § 5 Abs. 2 leg.cit. in einem bewilligenden Bescheid bestimmen, welche Detailmaßnahmen noch ergänzend der Festlegungen des Bundesdenkmalamtes bedürfen; diese können auch mündlich erfolgen.
Die Beschwerdeführerin macht in erster Linie geltend, die belangte Behörde sei zu Unrecht vom Vorliegen einer nach den obigen gesetzlichen Bestimmungen bewilligungspflichtigen Veränderung ausgegangen; in Wahrheit lägen die für eine solche Bewilligungspflicht normierten Voraussetzungen nicht vor.
Dem Verwaltungsgerichtshof ist es allerdings mangels der dafür erforderlichen konkreten Sachverhaltsfeststellungen nicht möglich, die inhaltliche Richtigkeit der von der belangten Behörde vertretenen und von der Beschwerdeführerin bekämpften Rechtsansicht zu prüfen. Die belangte Behörde hat dazu im angefochtenen Bescheid nur ganz allgemein ausgeführt, "daß die Änderung einer Auslagenvitrine in ein Geschäftslokal fraglos als bewilligungspflichtige Veränderung anzusehen" sei. Konkrete Feststellungen darüber, worin die beantragte Veränderung tatsächlich besteht und welche optischen oder sonstigen Veränderungen am geschützten Bestand durch sie herbeigeführt werden, hat die belangte Behörde nicht getroffen. Ohne nachvollziehbare Dokumentation in behördlichen Feststellungen, was durch die beantragte Veränderung an einem bestimmten geschützten Objekt überhaupt bewirkt wird, kann der belangten Behörde nicht in ihrer Schlußfolgerung gefolgt werden, der beantragte Einschnitt einer Glastüre in eine (offenbar bereits bestehende) Glaswand sei jedenfalls und "fraglos" als bewilligungspflichtige Veränderung anzusehen.
Der angefochtene Bescheid hält einer Prüfung aber auch dann nicht stand, wenn man mit ihm das Vorliegen einer Bewilligungspflicht nach dem Denkmalschutzgesetz im Sinne der Ausführungen der belangten Behörde bejahen wollte. Der von der belangten Behörde vermißte "Nachweis der für die Veränderung geltend gemachten Gründe" im Sinne des zweiten Satzes des § 5 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz durch die Beschwerdeführerin erübrigte sich im Beschwerdefall schon deshalb, weil die belangte Behörde nie am Vorliegen dieser Gründe Zweifel erkennen hat lassen und in der Überschrift des angefochtenen Bescheides selbst angeführt hat, es handle sich dabei um den "Einbau eines Passagengeschäftes durch die XY".
In der Beschwerde wird schließlich bemängelt, die eingeschrittenen Denkmalschutzbehörden hätten es unterlassen, durch einen Augenschein festzustellen, ob überhaupt eine Veränderung bzw. eine bewilligungspflichtige Veränderung vorliege und ob sich die für die Bewilligung maßgeblichen Gründe daraus ableiten ließen. Auch damit ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht, weil die belangte Behörde zwar eine amtsinterne Besichtigung des geschützten Hauses vorgenommen und darüber aktenkundige Feststellungen getroffen, diese aber der Beschwerdeführerin nie zur Kenntnis gebracht hat. Es rundet das Bild nur ab, daß das (nur) aktenkundige Ergebnis dieses Augenscheins - abgesehen von der wiederholten Verwechslung der Begriffe "Vitrine" und "Passage" - durchaus Schlußfolgerungen im Sinne des Standpunktes der Beschwerdeführerin zuläßt.
Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992090288.X00Im RIS seit
12.03.2001