TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/18 92/09/0312

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Veröffentlicht am 18.02.1993
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Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

AMFG §9 Abs1;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4b idF 1990/450;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 21. September 1992, Zl. IIc/6702 B, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 7. Mai 1992 beim Arbeitsamt Metall-Chemie den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die bosnische Staatsangehörige M.L. als Recyclingarbeiterin mit einer Entlohnung von S 60,-- brutto pro Stunde. Der Beschwerdeführer bejahte im Antrag die Frage, ob spezielle Kenntnisse oder Ausbildung erforderlich seien, und beantwortete die dazugehörige Frage "welche" mit dem Wort "Praxis".

Mit Bescheid vom 18. Mai 1992 wies das Arbeitsamt diesen Antrag gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab und führte dazu als Begründung nur aus, der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung nicht einhellig befürwortet, darüber hinaus habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In seiner dagegen erhobenen Berufung wies der Beschwerdeführer auf die Bedeutung seines Recyclingunternehmens im öffentlichen Interesse (u.a. Umweltschutz) hin. Da es in ganz Europa erst einige wenige Firmen gebe, die in diesem Bereich tätig seien, sei es sehr schwer, Arbeitskräfte mit einschlägigen Erfahrungen zu bekommen. M.L. habe in Kroatien bereits in einer einschlägigen Firma gearbeitet und verfüge daher über die nötige Praxis.

Mit Schreiben des Arbeitsamtes vom 9. Juni 1992 wurde der Beschwerdeführer hierauf aufgefordert, "den unbedingten Bedarf an den ... angegebenen besonderen Qualifikationen (verschiedene Druckertypen, Ultraschallschweißen, Lasersysteme) des beantragten Ausländers (als Nachweis dienen Belege über Firmentätigkeit, besondere Aufträge etc.)" nachzuweisen. Diese Aufforderung beantwortete der Beschwerdeführer mit seinem Schreiben vom 17. Juni 1992, dem er als Belege 1. eine Auswahl von Auftragsschreiben an seine Firma, aus denen die Vielfalt der bearbeiteten Laser- und Matrixdrucktypen deutlich hervorgehe, 2. einen Ausdruck aus seiner Buchhaltung, aus dem sich sämtliche bereits von seiner Firma bearbeiteten Druckertypen ergäben, und 3. ein aktuelles Angebot über die neueste in seinem Betrieb nötige Ultraschweißtechnologie anschloß.

Hierauf forderte das Arbeitsamt den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17. Juni 1992 auf, die zutreffende Antwort aus der nachfolgenden Fragestellung anzukreuzen und die nichtzutreffende zu streichen:

-

Ich wünsche keine anderen Kräfte anstelle des(r) beantragten Ausländers/Ausländerin

-

Ich ersuche um Zuweisung von Arbeitskräften, die ich anstelle des(r) beantragten Ausländers/Ausländerin beschäftigen möchte und lege den ausgefüllten Vermittlungsauftrag bei

Diese Aufforderung ließ der Beschwerdeführer unbeantwortet.

Hierauf erließ die belangte Behörde ohne weitere Verfahrensschritte den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21. September 1992, mit dem sie der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 6, § 4 Abs. 1 und § 13a AuslBG idF der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 keine Folge gab.

Begründend gab die belangte Behörde ausführlich die in Betracht kommenden Gesetzesstellen wieder, stellte fest, daß die Landeshöchstzahl überschritten sei, und ergänzte dazu betreffend die konkrete Beschäftigung der M.L.:

Zur Zeit seien im Raum Wien 131 beschäftigungslose Chemiearbeiter/innen zur Vermittlung vorgemerkt. Eine Einschulung dieser Arbeitskräfte für die in der Berufung beschriebene Tätigkeit erscheine nicht aussichtslos. Daß M.L. über eine entsprechende Vorbildung oder Praxis verfüge, sei trotz eines diesbezüglichen Aufforderungsschreibens des Arbeitsamtes vom 9. Juni 1992 nicht nachgewiesen worden. Der Nachweis hätte in Form eines Dienstzeugnisses bzw. einer Arbeitsbestätigung erfolgen müssen.

Auf das Angebot des Arbeitsamtes vom 17. Juni 1992, Ersatzkräfte für den angegebenen Tätigkeitsbereich aus dem Kreis der Vorgemerkten zuzuweisen, sei bis dato keine Reaktion erfolgt, sodaß angenommen habe werden müssen, daß an einer Vermittlung von seiten des Beschwerdeführers kein Interesse bestehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen eine Beschäftigungsbewilligung für M.L. zu erhalten.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdefall stützt die belangte Behörde ihre ablehnende Entscheidung auf § 4 Abs. 1, § 4 Abs. 6 und § 13a AuslBG idF der Novelle BGBl. Nr. 684/1991.

Nach § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde.

Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Hinsichtlich der Prüfung der Arbeitsmarktlage im Sinne des § 4 Abs. 1 ist im § 4b AuslBG festgelegt, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zuläßt, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine Personen, die bestimmt genannten begünstigten Gruppen (Inländer, Flüchtlinge, Ausländer mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung etc.) in der mit der Aufzählung vorgegebenen Reihenfolge angehören, vermittelt werden können.

§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lauten:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

1.

bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2.

die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a)

als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder

b)

in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c)

als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d)

im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3.

öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4.

die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

Sowohl das Arbeitsamt als auch die belangte Behörde haben ihren Bescheiden zugrunde gelegt, daß die Landeshöchstzahl überschritten ist und somit die Voraussetzungen für die Anwendung des erschwerten Verfahrens nach § 4 Abs. 6 AuslBG vorliegen. Dagegen hat der Beschwerdeführer weder in seiner Berufung noch in der Beschwerde etwas vorgebracht; er hat aber bereits im Verwaltungsverfahren und erneut - unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 4 Abs. 6 Z. 3 AuslBG - in seiner Beschwerde auf die Besonderheit seines Unternehmens im öffentlichen Interesse hingewiesen und damit Gründe vorgebracht, die für die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung nach dieser Gesetzesstelle maßgebend sein könnten.

Die belangte Behörde hat sich damit nicht auseinandergesetzt, weil sie die Auffassung vertreten hat, der Antrag des Beschwerdeführers sei schon deshalb abzulehnen gewesen, weil dieser einerseits die erforderliche Vorbildung und Praxis der M.L. trotz Aufforderung nicht nachgewiesen und überdies trotz Aufforderung keinen Vermittlungsauftrag für Ersatzkräfte erteilt habe.

Diese Erwägungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides vermögen indes die Ablehnung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrags rechtlich nicht zu tragen.

Der Beschwerdeführer macht unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit Recht geltend, daß an ihn im Verwaltungsverfahren nie die Aufforderung ergangen ist, eine Vorbildung oder Praxis der M.L. nachzuweisen. Der Beschwerdeführer ist vielmehr dem Auftrag des Arbeitsamtes vom 9. Juni 1992 durch Vorlage der seinem Schreiben vom 17. Juni 1992 angeschlossenen Belege umfassend nachgekommen; daß er darüber hinaus aufgefordert worden wäre, ein Dienstzeugnis oder eine Arbeitsbestätigung über die bisherige Tätigkeit der M.L. vorzulegen, findet in den vorgelegten Akten keine Deckung.

Die belangte Behörde ist ferner, was in der Beschwerde ebenfalls mit Recht gerügt wird, von der irrigen Rechtsauffassung ausgegangen, die fehlende Reaktion des Beschwerdeführers auf das weitere Aufforderungsschreiben des Arbeitsamtes vom 17. Juni 1992 habe erkennen lassen, daß an einer Vermittlung von Ersatzkräften seitens des Beschwerdeführers kein Interesse bestehe.

Es ist das Recht jedes Arbeitgebers, sofern er damit nicht gegen zwingendes Recht verstößt, die Anforderungen festzusetzen, die er an eine von ihm zu beschäftigende Person stellt. Finden diese Anforderungen in objektiven Notwendigkeiten eine Grundlage, dann gehören sie zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen der Beschäftigung, die einer Prüfung nach § 4 Abs. 1 AuslBG zugrunde zu legen sind. Eine solche Prüfung erübrigt sich nur dort, wo der Antragsteller die Stellung einer Ersatzkraft von vornherein ablehnt. Eine solche Ablehnung kann dem Beschwerdeführer auf Grund seines Verhaltens im Verwaltungsverfahren nicht unterstellt werden. In einem solchen Fall bedarf es aber zusätzlich zum Antrag auf Beschäftigungsbewilligung keines "aktuellen Vermittlungsauftrages" mehr, weil das Ziel der Arbeitsvermittlung von Amts wegen durch das Arbeitsamt anzustreben ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1991, Zl. 91/09/0090, und - mit ausführlicher Begründung - das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1991, Zl. 91/09/0009).

Es wäre daher ungeachtet der fehlenden Reaktion des Beschwerdeführers auf die Aufforderung vom 17. Juni 1992 die belangte Behörde verhalten gewesen, dem Beschwerdeführer jene ihrer Meinung nach als bevorzugt zu behandelnden Arbeitssuchenden, die fähig und bereit seien, den vom Beschwerdeführer zu besetzenden Arbeitsplatz zu den angebotenen Bedingungen auszufüllen, namhaft zu machen. Erst danach kann rechtlich einwandfrei beurteilt werden, ob der Beschwerdeführer tatsächlich kein Interesse an einer solchen Vermittlung hat.

Der demnach dem angefochtenen Bescheid anhaftende Feststellungsmangel stellt sich somit als eine Folge einer unrichtigen Rechtsansicht der belangten Behörde dar, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die geltend gemachten Gebühren (S 30,--) für die entbehrliche Vorlage einer ohnehin aktenkundigen Urkunde.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992090312.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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