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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §3 Abs1 idF 1990/450;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde der Firma S-Gesellschaft m. b.H. & Co KG in Z, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 14. Oktober 1992, Zl. IIId-6702 B/ABB-Nr. 821 451, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, die ein der Eisen- und Metallindustrie angehöriges Gerätebauunternehmen betreibt, beantragte am 12. August 1992 beim Arbeitsamt die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den 1959 geborenen, in seiner Heimat als Maschineningenieur diplomierten bosnischen Staatsangehörigen E.D. zur Verwendung als Schlosser mit einem Bruttostundenlohn von S 85,--.
Diesen Antrag wies das Arbeitsamt ohne ersichtliche weitere Verfahrensschritte mit Bescheid vom 31. August 1992 gemäß § 4 Abs. 3 Z. 4 und § 4 Abs. 6 iVm § 4 Abs. 1 AuslBG ab. Begründend führte das Arbeitsamt neben der Wiedergabe dieser Gesetzesstellen aus, "auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens" entspreche die angegebene Entlohnung nicht dem Kollektivvertrag, es erscheine daher nicht die Gewähr gegeben, daß diese Vorschriften eingehalten würden. Außerdem sei "auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens" davon auszugehen, daß auf dem relevanten Teilarbeitsmarkt der Schlosser Arbeitssuchende vorgemerkt seien und für eine Vermittlung in Betracht kämen. Wegen Annäherung an die Bundeshöchstzahl stünden einer weiteren Bewilligungserteilung wichtige öffentliche Interessen entgegen, es spreche daher die Lage auf dem Arbeitsmarkt gegen die Erteilung der Bewilligung. Auch habe der Vermittlungsausschuß die Erteilung der Bewilligung nicht befürwortet; darüber hinaus habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14. Oktober 1992 gab die belangte Behörde der von der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Arbeitsamtes erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 6 und § 4 Abs. 1 AuslBG keine Folge. Bei der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung sei nicht der bei einem Arbeitgeber aufgetretene individuelle Arbeitskräftebedarf allein maßgeblich. Die für Oberösterreich maßgebliche Landeshöchstzahl (33.000) sei überschritten.
Gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG dürften der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung u.a. keine gesamtwirtschaftlichen Interessen entgegenstehen. Solche Interessen seien insbesondere dann anzunehmen, wenn
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durch fortgesetzte Zufuhr von Arbeitskräften aus dem Ausland zu Mindestlöhnen, z.B. Kollektivvertragslöhnen, Inländer und integrierte Ausländer aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden,
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durch ein verfügbares Billigangebot von Arbeitskräften aus dem Ausland strukturelle Anpassungsprozesse der Wirtschaft und des inländischen Arbeitsmarktes beeinträchtigt oder verhindert werden und
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der volkswirtschaftliche Grenzertrag der Ausländerbeschäftigung unter den Grenzkosten für die öffentliche Hand (Infrastrukturkosten) liegt.
Eine solche Entwicklung sei nach den Erkenntnissen der Arbeitsmarktprognose des Österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung in Österreich bereits seit 1991 im Gange. Gemäß dem Befund dieser Studie habe die Öffnung des Arbeitsmarktes zu einem Auseinanderdriften von Lohnsatz und Grenzprodukt geführt. Die marginale Beschäftigung sei erheblich billiger geworden, könne also gewinnbringend zur Erstellung von Leistungen eingesetzt werden, deren Grenzprodukt meist unter der bisher geltenden Ertragsschwelle liege. Bei einer nach unten offenen Lohnskala sei die Nachfrage nach Arbeitskräften nahezu unbegrenzt. Bei einer derartigen Entwicklung sei eine Verdrängung von Inländern ebensowenig auszuschließen wie scharfer Lohndruck im unteren Qualifikationssegment. Sie müsse auch unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten abgelehnt werden, weil der gesellschaftliche Ertrag weit unter den gesellschaftlichen Kosten liege. Die Nachfrage nach ausländischen Arbeitskräften sei aus dem Wachstum der Güter- und Leistungsmärkte allein nicht zu erklären; um diesem zu entsprechen, hätte etwa die Hälfte des Ausländerzustroms ausgereicht. Der Sozialbericht des BMAS für 1990 zeige bereits ganz deutlich die Auseinanderentwicklung von Inländer- und Ausländerverdiensten. Es sei ein Produktivitätsverlust eingetreten. Die weitere Zufuhr ausländischer Arbeitskräfte nach Ausschöpfung der Landeshöchstzahl sei im Hinblick auf die dargestellten negativen Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft zu Mindestlöhnen nicht mehr vertretbar. Laut Lohnerhebungen in der Industrie Österreichs durch die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Stand September 1991, werde in der eisen- und metallverarbeitenden Industrie der Kollektivvertragslohn für Facharbeiter um 23,6 % überzahlt, was einem Stundenlohn von S 96,13 entspreche. Eine Bewilligungserteilung wäre daher nur zu diesem Durchschnittslohn möglich, da die Erteilung einer Bewilligung zu dem von der Beschwerdeführerin angeführten Lohn wichtigen gesamtwirtschaftlichen Interessen im Sinne des § 4 Abs. 1 AuslBG widersprechen würde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung verletzt, weil § 4 (insbesondere Abs. 1) AuslBG nicht gesetzeskonform ausgelegt, und auf den konkreten Fall der Beschwerdeführerin überhaupt nicht eingegangen worden sei.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 3 Abs. 1 AuslBG in der Fassung BGBl. Nr. 450/1990 darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde.
Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Bezüglich der Prüfung der Arbeitsmarktlage im Sinne des § 4 Abs. 1 AuslBG ist im § 4b AuslBG (in der Fassung BGBl. Nr. 450/1990) festgelegt, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zuläßt, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine Personen, die bestimmt genannten begünstigten Gruppen (Inländer, Flüchtlinge, Ausländer mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, Ausländer bei denen berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen ...) in der mit der Aufzählung vorgegebenen Reihenfolge angehören, vermittelt werden können.
§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Novelle Nr. 450/1990) lautet:
"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und
1.
bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
2.
die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
a)
als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder
b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
c)
als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
d)
im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege
erfolgen soll, oder
3.
öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
4.
die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."
Das Arbeitsamt hat seine Ablehnung u.a. auch auf § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG gestützt. Da von diesem Versagungsgrund im angefochtenen Bescheid nicht mehr die Rede ist, war darauf auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht mehr einzugehen. Gemäß dem Spruch des angefochtenen Bescheides stützte die belangte Behörde ihre Entscheidung auf § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG, wobei diese Bestimmung zwar unter Bezugnahme auf die - von der Beschwerdeführerin nicht bestrittene - Überschreitung der Landeshöchstzahl auch in der Begründung wiedergegeben wird, ohne daß sich die belangte Behörde allerdings mit der Frage befaßt hat, ob und inwieweit die gemäß § 4 Abs. 6 für die Erteilung der beantragten Bewilligung vorausgesetzten erschwerten Bedingungen im konkreten Fall erfüllt sind oder nicht. Die belangte Behörde hat sich dazu offenbar deshalb nicht veranlaßt gesehen, weil ihrer Auffassung nach bereits wichtige gesamtwirtschaftliche Interessen gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG der beantragten Beschäftigungsbewilligung entgegenstehen.
Dazu macht die Beschwerdeführerin jedoch mit Recht geltend, daß sich die belangte Behörde ohne Ermittlungen und Feststellungen zum konkreten Fall mit ganz allgemeinen Ausführungen begnügt hat, wie sie allenfalls zur Erläuterung der anzuwendenden generellen Gesetzesbestimmungen, nicht aber zur Behandlung eines individuellen Bewilligungsantrages geeignet erscheinen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 4 Abs. 1 AuslBG, die im vorliegenden Zusammenhang nur im Hinblick auf die mit der Novelle BGBl. Nr. 450/1990 erfolgte Einfügungen des § 4b bezüglich der bevorzugt zu vermittelnden Personen zu modifizieren ist, muß auf Grund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens, das von Amts wegen unter Beteiligung des Antragstellers durchzuführen ist, vorerst festgestellt werden, für welche Beschäftigung die beantragte Bewilligung konkret beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes unter Betrachtung der Regelung des § 4b AuslBG diese konkrete Beschäftigung des für sie in Aussicht genommenen Ausländers zuläßt. Dies wird immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens eine der bevorzugt zu vermittelnden Personen entsprechend der in § 4 AuslBG enthaltenen Reihenfolge zur Verfügung steht, die bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1993, Zl. 92/09/0284, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Dem angefochtenen Bescheid und den vorgelegten Akten ist nicht zu entnehmen, daß die belangte Behörde den Versuch unternommen hätte, der Beschwerdeführerin geeignete Ersatzkräfte für den beantragten Auländer zu vermitteln. Die belangte Behörde ist aber auch (zutreffenderweise) nicht davon ausgegangen, die Beschwerdeführerin habe die Stellung von Ersatzkräften unbegründet abgelehnt. Es ist daher die rechtserhebliche Frage ungeklärt geblieben, ob es taugliche Ersatzkräfte zur Deckung des von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Arbeitskräftebedarfes gibt und ob deren Einstellung allenfalls aus von der Beschwerdeführerin zu vertretenden Gründen unterblieben ist. Dabei war es das Recht der Beschwerdeführerin wie jedes Arbeitgebers, sofern damit nicht gegen zwingendes Recht verstoßen wird, die Anforderungen selbst festzusetzen, die sie an eine von ihr zu beschäftigende Person stellt. Solange diese Anforderungen in objektiven Notwendigkeiten ihre Grundlage finden, gehören sie zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen der Beschäftigung, die nach den vorstehenden Ausführungen einer Prüfung nach § 4 Abs. 1 AuslBG zugrunde zu legen sind (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1991, Zl. 91/09/0036). Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, der Arbeitgeber wäre im gesamtwirtschaftlichen Interesse verpflichtet, einen die gesetzlich zulässigen Bedingungen übersteigenden Durchschnittslohn anzubieten, findet im Gesetz keine Deckung.
Der aufgezeigte Verfahrensmangel ist relevant, weil die belangte Behörde damit den einzigen von ihr aufgegriffenen Versagungsgrund für die von der Beschwerdeführerin beantragte Beschäftigungsbewilligung nicht in einem mängelfreien Verfahren im Sinne der §§ 58, 60 und 67 AVG festgestellt und begründet hat. Der angefochtene Bescheid mußte deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm. Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft S 120,-- für unbegründet verzeichnete Stempelgebühren.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992090346.X00Im RIS seit
20.11.2000