Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AuslBG §1 Abs3 litf;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des K in A, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 6. März 1992, Zl. I/2-St-9146, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens erließ die Bezirkshauptmannschaft A als Strafbehörde erster Instanz auf Grund von Anzeigen des Arbeitsamtes A, des Gendarmeriepostens A sowie des Landesarbeitsamtes Niederösterreich und ergänzender Ermittlungen ein mit 22. Februar 1991 datiertes
Straferkenntnis, dessen Spruch wie folgt lautet:
"Sie haben folgende Verwaltungsübertretungen begangen:
Zeit: 1. Juni 1990 bis 31. August 1990
Ort: Firma B-Ges.m.b.H., A, M-Gasse 39,
Tatbeschreibung"
Unter Punkt 1. wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 22 Abs. 1 Z. 1 lit. c des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe vier Tage) verurteilt; dieser Spruchteil ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.
"2. Sie haben als Geschäftsführer der Firma B-Ges.m.bH. entgegen dem § 3 Ausländerbeschäftigungsgesetz 15 polnische Staatsbürger beschäftigt, für die weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch ein Befreiungsschein ausgestellt wurde.
Übertretungsnorm: § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a, § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz
(AuslBG)
Strafnorm: § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG
Über Sie wird folgende Geldstrafe verhängt: S 150.000,--
Ersatzfreiheitsstrafe: 14 Tage
Vorgeschriebener Kostenbeitrag
S 16.000,--
Rechtsgrundlage
§ 64 Abs. 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1950.
Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1950)."
Begründend führte die Strafbehörde erster Instanz, soweit dies für die Beschwerde von Relevanz ist, aus, auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens sei folgender Sachverhalt festgestellt worden: Auf Grund von Vorgesprächen im Februar und April 1990 sei mit Schreiben vom 28. Mai 1990 eine Vereinbarung zwischen dem polnischen Außenhandelsunternehmen X (dieses Unternehmen besitze in Österreich keine Gewerbeberechtigung) und der Firma B-Ges.m.b.H. mit dem Ziel wirtschaftlicher Zusammenarbeit im Bereich der Parkettenerzeugung zustande gekommen. Der Beschwerdeführer sei Geschäftsführer der Firma B-Ges.m.b.H. Es sei Teil dieser Vereinbarung gewesen, eine Gruppe von 15 Tischlern (Polen) - alle Dienstnehmer der Firma X - bei der Firma B im Zeitraum von Anfang Juni bis Ende September 1990 zur Einschulung arbeiten zu lassen. Auf Grund dieser Vereinbarung seien vom 1. Juni 1990 bis 31. August 1990 15 Dienstnehmer der Firma X (es folgt eine namentliche Nennung von 14 polnischen Arbeitnehmern; der 15. Dienstnehmer sei eine "unbekannte Person" gewesen) bei der Firma B zur Herstellung von Fertigparketten und Spezialparketten eingeschult worden. Die Entlohnung der 15 Holzfacharbeiter sei auf Grund des aufrechten Dienstverhältnisses durch die Firma X erfolgt. Gegenüber der Firma B habe kein Entgeltanspruch bestanden. Die Einschulung der 15 Tischler bei der Firma B sei in der Weise erfolgt, daß diese produktiv in den Arbeitsprozeß der Herstellung von Fertig- und Spezialparketten der Firma B eingebunden gewesen seien. Insbesondere seien sie einer regelmäßigen Arbeitszeit und Arbeitsleistung unterworfen gewesen. Die polnischen Arbeitnehmer seien von der Firma X morgens zur Firma B gebracht und nach Arbeitsschluß wieder abgeholt worden. Seitens der Firma B sei kein Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG beim zuständigen Arbeitsamt in A gestellt worden. Keiner der 15 beschäftigten polnischen Staatsbürger habe einen Befreiungsschein nach dem AuslBG besessen. Mit Schreiben vom 18. Juli 1990 habe das Arbeitsamt A der Firma B mitgeteilt, daß eine Einschulung, wie sie in der Vereinbarung der Firma B mit der Firma X vorgesehen sei, keine Ausnahme von den Bestimmungen des AuslBG begründe. Vielmehr liege ein wiederholter Verstoß gegen die Bestimmungen des AuslBG vor, wenn die Tätigkeit der beschäftigten polnischen Staatsbürger bei der Firma B nicht sofort beendet werde. Am 14. August 1990 sei beim Arbeitsamt A ein Schreiben der Firma B eingelangt, in dem die Beschäftigung von 15 polnischen Staatsbürgern gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG angezeigt worden sei. Diese Anzeige sei am 17. August 1990 vom Arbeitsamt A unter neuerlichem Hinweis auf einen Verstoß gegen das AuslBG zurückgewiesen worden.
Nach Darstellung der bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen führte die Strafbehörde erster Instanz weiters aus, der Tatbestand des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG sei im Beschwerdefall erfüllt. Die 15 polnischen Holzfacharbeiter seien Ausländer im Sinne des § 2 Abs. 1 AuslBG und hätten für den Zeitraum ihrer Beschäftigung weder eine Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4 AuslBG noch einen Befreiungsschein gemäß § 15 AuslBG besessen; die Beschäftigung sei entgegen dem § 3 AuslBG erfolgt, weil keiner der angeführten Ausnahmefälle im Beschwerdefall vorgelegen sei. Schon die Bestimmung "Erwerb von Fertigkeiten für die Praxis" deute darauf hin, daß Volontäre iSd § 3 Abs. 5 AuslBG Personen seien, die im Rahmen oder im Anschluß an eine Ausbildung eine betriebliche Praxis erwerben und nicht bereits ausgebildete Facharbeiter, die lediglich mit neuen Techniken vertraut gemacht werden sollen. Weiters bestehe seitens der 15 beschäftigten polnischen Staatsangehörigen ein Entgeltanspruch und ein aufrechtes Dienstverhältnis zur Firma X, was nach der Definition des § 3 Abs. 5 AuslBG ("ohne Arbeitspflicht und ohne Entgeltanspruch") die Volontärseigenschaft ausschließe. Auch indiziere eine völlige Eingliederung eines Betriebsfremden das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, das definitionsgemäß das Vorliegen eines Volontariats ausschließe. Zusammenfassend könne gesagt werden, daß § 3 Abs. 5 AuslBG im gegebenen Fall nicht anzuwenden sei. Ein entschuldbarer Rechtsirrtum des Beschwerdeführers sei nicht gegeben, weil für die Begehung des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG iVm § 5 Abs. 1 VStG bereits Fahrlässigkeit genüge. Diese Fahrlässigkeit sei gegeben, weil der Beschwerdeführer es unterlassen habe, im Februar oder April 1990, als schon Gespräche mit der Firma X in Gang gewesen seien, sich bei den zuständigen Stellen über die Zulässigkeit eines solchen Vorhabens im Licht der arbeitsrechtlichen Bestimmungen betreffend Ausländer zu erkundigen. Selbst nachdem der Beschwerdeführer durch ein Schreiben des Arbeitsamtes A vom 18. Juli 1990 auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aufmerksam gemacht worden sei, habe er es unterlassen, sein Verhalten einzustellen. Zumindest ab diesem Zeitpunkt sei bedingter Vorsatz (§ 5 Abs. 1 StGB) seitens des Beschwerdeführers vorgelegen. Die Strafhöhe ergebe sich unter Berücksichtigung des Verschuldens des Beschwerdeführers aus der Anwendung des Strafrahmens des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG. Nach dieser Vorschrift bestimme sich die Strafhöhe auch nach der Anzahl der unberechtigt beschäftigten Ausländer.
Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung, weil eine Beschäftigungsbewilligung für die polnischen Staatsbürger - diese seien als Volontäre tätig gewesen - gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG nicht erforderlich gewesen sei; die Bestrafung wegen Übertretung des AuslBG sei daher zu Unrecht erfolgt.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 6. März 1992 gab die belangte Behörde der Berufung, soweit sie die Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz betroffen hatte, keine Folge.
Zur Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer hätte in seiner Berufung lediglich Argumente wiederholt, die er bereits im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens vorgebracht hätte und auf die bereits im erstinstanzlichen Straferkenntnis in nach Ansicht der belangten Behörde vollständiger und rechtlich einwandfreier Weise eingegangen worden sei. Der Beschwerdeführer gehe in seiner Berufung vor allem davon aus, daß die 15 polnischen Arbeitskräfte lediglich für eine zukünftige Tätigkeit in Polen eingeschult worden seien. Nun seien jedoch im § 1 Abs. 2 AuslBG jene Tätigkeiten, auf die das Gesetz keine Anwendung zu finden habe, taxativ angeführt; eine Tätigkeit im Zusammenhang mit einer Einschulung sei in dieser Aufzählung nicht enthalten.
Die Einschulung von Ausländern würde also nur dann den Bestimmungen des AuslBG nicht unterliegen, wenn diese tatsächlich nur für einen bestimmten Produktionsvorgang eingeschult würden, ohne daß durch ihre Arbeitsleistung für das Unternehmen des Beschwerdeführers ein wirtschaftlicher Vorteil entstünde. Im Beschwerdefall seien jedoch die Ausländer in einem Zeitraum von DREI MONATEN im Betrieb des Beschwerdeführers tätig gewesen und zwar im Rahmen der Herstellung von Fertigparkett sowie Spezialparketten. Nach dem Schreiben der Firma X vom 28. Mai 1990 handle es sich bei den 15 Arbeitern um TISCHLER, also nicht etwa um Hilfsarbeiter. Schon nach den Erfahrungen des täglichen Lebens sei es nicht denkbar, daß für die Einschulung von Tischlern für die Parkettenfabrikation eine Einschulungszeit von drei Monaten erforderlich sei. Es sei unmöglich, daß Tischler in dieser langen Zeit, in der sie im Betrieb des Beschwerdeführers tätig gewesen seien, nur eingeschult worden seien und keine produktive Arbeit verrichtet hätten. Es sei daher eindeutig ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis vorgelegen, sodaß der Beschwerdeführer Beschäftigungsbewilligungen nach dem AuslBG benötigt hätte.
Zudem sei nach Mitteilung des Arbeitsamtes A als Kontaktstelle der Firma X ein Ing. J angegeben worden, welcher unter einer (bestimmten) Wiener Telefonnummer erreichbar sein sollte. Der mehrmalige Versuch einer Fernmeldekontaktaufnahme bzw. die Eruierung seiner Adresse sei daran gescheitert, daß unter dieser Nummer ein anonymer Tonbanddienst eingerichtet gewesen sei, der auf die Möglichkeit eines Rückrufes nach Bekanntgabe der Telefonnummer des Anrufers verwiesen habe. Diese ungewöhnliche und keineswegs als seriös anzusehende Maßnahme lasse den Schluß zu, daß es sich bei der Firma X um eine reine Leiharbeitsfirma handle, die sich auf diese Art und Weise nicht deklarieren habe wollen. Da die Übertretung schon aus diesem Grunde als voll erwiesen angesehen werden müsse, sei die vom Beschwerdeführer beantragte Vernehmung eines informierten Vertreters der Firma X in Polen als Zeuge nicht zu veranlassen gewesen, weil dieser höchstens über die Zeit der Tätigkeit der Arbeiter in Österreich hätte Auskunft geben können bzw. darüber, daß die Arbeiter tatsächlich im Betrieb des Beschwerdeführers auch eingeschult worden seien, was jedoch ohnehin außer Streit stehe. Der Beschwerdeführer habe über sein Vermögen und Einkommen keine Angaben gemacht; aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der B-Ges.m.b.H. und seiner Beteiligung an diesem Unternehmen sei jedoch zu schließen, daß der Beschwerdeführer über ein Einkommen verfüge, das unter Berücksichtigung der Sorgepflicht für seine Gattin die Verhängung der gesetzlich vorgesehenen Mindeststrafe rechtfertige.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluß vom 15. Juni 1992, B 484/92-3, ablehnte und diese Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In seiner im verwaltungsgerichlichen Verfahren ergänzten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht, gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG NICHT bestraft zu werden, verletzt, und macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG idF gemäß BGBl. Nr. 231/1988 (diese Fassung ist im Beschwerdefall wegen der Tatzeit anzuwenden) begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestafen, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde ..., bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von S 5.000,-- bis S 60.000,--, im Wiederholungsfalle von S 10.000,-- bis S 120.000,--, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von S 10.000,-- bis S 120.000,--, im Wiederholungsfalle von S 20.000,-- bis S 240.000,--.
Mit Erkenntnis vom 13. Dezember 1991, G 294/91-5, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß diese Bestimmung des AuslBG verfassungswidrig war. Gleichzeitig hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß die Vorschrift auch auf die "derzeit" (d.h. am 13. Dezember 1991, vgl. dazu auch BGBl. Nr. 105/1992) beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Fälle nicht mehr anzuwenden ist. An diesen Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes über die Ausdehnung der Anlaßfallwirkung ist auch der Verwaltungsgerichtshof gebunden. Die vorliegende Beschwerde wurde am 15. April 1992 zur Post gegeben und ist am 16. April 1992 beim Verfassungsgerichtshof (dieser hat in der Folge deren Behandlung abgelehnt und die Beschwerde zur Entscheidung dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten) eingelangt. Der Beschwerdefall ist daher kein Anlaßfall im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1991, G 294/91; daraus folgt jedoch, daß die genannte Bestimmung im Beschwerdefall weiter anzuwenden ist. Diese als verfassungswidrig festgestellte Norm kann nicht neuerlich Gegenstand eines Gesetzprüfungsverfahrens sein (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 1992, Zl. 91/09/0241).
Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, die belangte Behörde sei zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht zuständig gewesen, so ist er darauf hinzuweisen, daß das gegenständliche gegen ihn geführte Verwaltungsstrafverfahren bereits am 1. Jänner 1991 anhängig (vgl. insbesondere die Vernehmung des Beschwerdeführers als Beschuldigter am 11. Dezember 1990) und gemäß Art. IX Abs. 2 der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1988, BGBl. Nr. 685, nach der bisherigen Rechtlage zu Ende zu führen war. Daraus folgt jedoch, daß zur Erledigung der vom Beschwerdeführer gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 22. Februar 1991 erhobenen Berufung noch der Landeshauptmann von Niederösterreich und nicht der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich zuständig gewesen ist. Die Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe ihre Zuständigkeit zu Unrecht in Anspruch genommen, geht somit ins Leere.
Der Beschwerde kommt allerdings schon aus folgenden, von ihr nicht ins Treffen geführten Gründen, Berechtigung zu:
Im Spruch (Punkt 2) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ist dem Beschwerdeführer zur Last gelegt worden, in der Zeit vom 1. Juni 1990 bis 31. August 1990 als Geschäftsführer der Firma B-Ges.m.b.H. in deren Betrieb in A, M-Gasse 39, entgegen dem § 3 AuslBG 15 polnische Staatsbürger beschäftigt zu haben, für die weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch ein Befreiungsschein ausgestellt worden sei. Wegen dieser (einen) Verwaltungsübertretung ist der Beschwerdeführer gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG zu einer (Gesamt-)Geldstrafe in der Höhe von S 150.000,-- bzw. (Gesamt-)Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen verurteilt worden. In der Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses werden von diesen 15 polnischen Staatsbürgern 14 namentlich genannt; beim 15. polnischen Staatsbürger habe es sich um eine "unbekannte Person" gehandelt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. August 1991, Zl. 91/09/0022, und vom 30. Oktober 1991, Zl. 91/09/0088) wird dem § 44a lit. a VStG dann entsprochen, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. In Ansehung der Übertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG muß unverwechselbar feststehen, wann, wo und welche(n) Ausländer (das ist im Sinne des § 2 Abs. 1 AuslBG jeder, der keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzt) der Beschuldigte als Arbeitgeber unerlaubt (d.h. ohne Vorliegen einer Beschäftigungsbewilligung, eines Befreiungsscheines und
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seit der Novelle BGBl. Nr. 450/1990 - ohne Arbeitserlaubnis) beschäftigt hat (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1991, Zl. 90/09/0188). Aus dem Spruch (Punkt 2) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses geht nun zwar eindeutig hervor, wann und wo, nicht jedoch welche (namentlich anzuführende) 15 polnischen Staatsbürger der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Firma B-Ges.m.b.H. unerlaubt beschäftigt habe. Unabhängig davon, ob der erstinstanzliche Bescheidspruch in Verbindung mit seiner Begründung (wenn darin alle 15 unerlaubt beschäftigten polnischen Staatsbürger namentlich genannt worden wären) als dem Gesetz entprechend ausgelegt werden könnte, hat die Strafbehörde erster Instanz (deren Spruchpunkt 2 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses von der belangten Behörde vollinhaltlich bestätigt worden ist) insofern die Rechtslage verkannt, als sie es (im Sinne des § 44a lit. a VStG) für zulässig erachtet hat, den Beschwerdeführer auch wegen der unerlaubten Beschäftigung einer "UNBEKANNTEN PERSON" verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung ziehen zu können. Der Verwaltungsgerichtshof ist nämlich der Auffassung, daß hinsichtlich des 15. Ausländers ("eine unbekannte Person") die Tat nicht ausreichend individualisiert wurde, denn es erscheint
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bei fehlender Nennung des Namens des unerlaubt beschäftigten Ausländers weder im Spruch noch in der Begründung - keinesfalls ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer für eine Beschäftigung "einer unbekannten Person" zur Tatzeit neuerlich zur Verantwortung gezogen werden könnte.
Im übrigen weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, daß bei Zutreffen des von den Verwaltungsbehörden angenommenen Sachverhaltes (Beschäftigung ohne Vorliegen einer Beschäftigungsbewilligung oder eines Befreiungsscheines von 15 Ausländern, die keine Volontäre im Sinne des § 3 Abs. 5 AuslBG sind) nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 231/1988 für JEDEN unberechtigt beschäftigten AUSLÄNDER mit Geldstrafe nach dem hiefür in Frage kommenden Strafrahmen (hier: dritter Strafsatz) vorzugehen gewesen wäre. Dies hätte im Beschwerdefall (ausgehend von der Annahme der eingeschrittenen Verwaltungsbehörden) dazu führen müssen, daß dem Beschwerdeführer 15 Verwaltungsübertretungen zur Last zu legen gewesen wären und hiefür jeweils eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) zu verhängen gewesen wäre, nicht jedoch das Vorliegen einer Verwaltungsübertretung und dementsprechend die Verhängung einer (Gesamt-)Strafe gerechtfertigt war, wovon jedoch die im Beschwerdefall eingeschrittenen Verwaltungsbehörden ausgingen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Jänner 1991, Zl. 90/09/0135).
Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch nicht die Auffassung der belangten Behörde, daß die Ausführungen der Strafbehörde erster Instanz in der Begründung des Straferkenntnisses zur Frage des (Nicht-)Vorliegens von Volontärverhältnissen im Sinne des § 3 Abs. 5 AuslBG "vollständig" und "rechlich einwandfrei" seien.
Gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG bedürfen Ausländer, die ausschließlich zum Zwecke der Erweiterung und Anwendung von Kenntnissen zum Erwerb von Fertigkeiten für die Praxis ohne Arbeitspflicht und ohne Entgeltanspruch (Volontäre) bis drei Monate beschäftigt werden, keiner Beschäftigungsbewilligung. Die Beschäftigung ist vom Inhaber des Betriebes, in dem der Ausländer beschäftigt wird, spätestens am Tag der Arbeitsaufnahme dem zuständigen Arbeitsamt anzuzeigen.
Wer entgegen dem § 3 Abs. 3, 4 und 5 einen Ausländer beschäftigt, ohne die Beschäftigung dem zuständigen Arbeitsamt rechtzeitig anzuzeigen, begeht eine Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. a AuslBG idF gemäß BGBl. Nr. 231/1988.
Aus der Systematik des AuslBG ergibt sich, daß § 3 Abs. 5 eine lex specialis zu § 2 Abs. 2 iVm § 3 Abs. 1 (bzw. dem im Beschwerdefall nicht anzuwendenden Abs. 2) AuslBG darstellt:
Zeitlich befristet (nämlich bis zum Ausmaß von drei Monaten) beschäftigte Volontäre fallen nämlich, anders als z.B. die im § 1 Abs. 3 lit. f AuslBG genannten Ferialpraktikanten unter den Geltungsbereich des AuslBG, findet ihr Einsatz doch im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses statt. Bei Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen nach § 3 Abs. 5 AuslBG tritt jedoch an die Stelle der ansonst bestehenden Bewilligungspflicht eine den Inhaber des Betriebes, bei dem der Volontär beschäftigt ist, treffende Anzeigepflicht, deren Nichteinhaltung gemäß § 28 Abs. 2 lit. a leg. cit. als Verwaltungsübertretung strafbar ist (vgl. zur rechtlichen Wertung der Volontärverhältnisse grundlegend das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. September 1990, Zl. 89/09/0127, mit Literaturhinweisen).
Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch in seiner Berufung geltend gemacht, er habe die polnischen Staatsbürger nur als Volontäre beschäftigt.
Ein Volontärsverhältnis im Sinne des § 3 Abs. 5 AuslBG liegt nur dann vor, wenn alle im folgenden genannten Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sind:
8) Ein bestimmter Zweck der Beschäftigung (Erweiterung und Anwendung von Kenntnisssen zum Erwerb von Fertigkeiten für die Praxis),
2.
das Fehlen der Arbeitspflicht,
3.
das Nichtbestehen eines Entgeltanspruches sowie
4.
die Befristung der Beschäftigung auf maximal drei Monate (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1991, Zl. 91/09/0058).
Die Auffassung der Strafbehörde erster Instanz, Volontäre im Sinne des § 3 Abs. 5 AuslBG seien Personen, die "im Rahmen oder im Anschluß an eine Ausbildung" eine betriebliche Praxis erwerben und nicht bereits ausgebildete Facharbeiter, die lediglich mit neuen Techniken vertraut gemacht werden sollen, findet im Wortlaut des § 3 Abs. 5 AuslBG keine Deckung. Die Strafbehörde erster Instanz ist auch davon ausgegangen, daß im Beschwerdefall das Vorliegen von Volontärsverhältnissen deshalb zu verneinen sei, weil die 15 polnischen Staatsbürger in einem aufrechten Dienstverhältnis zur Firma X gestanden seien und gegenüber dieser Firma ein Entgeltanspruch bestanden habe. Auch diese Überlegungen teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht, weil es für ein ausländisches Unternehmen rechtlich zulässig und auch durchaus zweckmäßig sein kann, Bedienstete zu Ausbildungszwecken gegen Entgelt nach Österreich zu entsenden. Maßgebend für ein Volontärverhältnis in bezug auf das mit der Ausbildung in Österreich betraute Unternehmen ist
- hinsichtlich des vorher unter Punkt 3 genannten Tatbestandselementes - allein, daß dieser Entgeltanspruch NICHT gegenüber dem mit der Ausbildung betrauten Unternehmen besteht (vgl. dazu wiederum das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1991, Zlen. 91/09/0058).
Entgegen der Auffassung der belangten Behörde schließt auch der Umstand, daß für das Unternehmen des Beschwerdeführers durch die Tätigkeit der beschäftigten polnischen Staatsbürger allenfalls ein "wirtschaftlicher Vorteil" entstanden ist, die Annahme von Volontärsverhältnissen grundsätzlich nicht aus. Das Vorliegen von Volontärverhältnissen iSd § 3 Abs. 5 AuslBG wäre allerdings dann zu verneinen, wenn das mit der Ausbildung betraute inländische Unternehmen den beschäftigten ausländischen Staatsbürgern als Gegenleistung für den - allenfalls auch entstandenen - "wirtschaftlichen Vorteil" ein Entgelt bezahlen würde.
Das bisher im Verwaltungsstrafverfahren durchgeführte Ermittlungsverfahren reicht nicht für eine einwandfreie Feststellung aus, daß es unmöglich sei, daß die (15 polnischen) Tischler in den drei Monaten, in denen sie im Betrieb des Beschwerdeführers tätig gewesen sind, nur eingeschult (für die Parkettenfabrikation) worden seien und keine produktive Arbeit verrichtet hätten. Die belangte Behörde hat es nämlich unterlassen, näher zu prüfen, welche (konkreten) Techniken bzw. Verfahren bei der Herstellung von Fertig- und Spezialparketten den polnischen Staatsbürgern im Rahmen ihrer Tätigkeit im Unternehmen des Beschwerdeführers vermittelt werden sollten und ob diese "Einschulung" tatsächlich über einen Zeitraum von drei Monaten erforderlich gewesen ist, um den AUSBILDUNGSZWECK zu erreichen.
Aus den weiter oben angeführten Gründen belastete die belangte Behörde durch die Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ihren Bescheid - unbeschadet des zuletzt aufgezeigten Verfahrensmangels - mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit; der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992090280.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
03.06.2010