TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/22 92/15/0048

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Veröffentlicht am 22.02.1993
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
21/03 GesmbH-Recht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

ABGB §1002;
BAO §115 Abs1;
BAO §116 Abs2;
EStG 1972 §19 Abs1;
EStG 1972 §24;
EStG 1972 §34;
EStG 1972 §6 Z9;
EStG 1972 §7 Abs1;
GmbHG §18 Abs1;
GmbHG §19;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde der M in X, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VIII) vom 16. Dezember 1991, Zl. 6/4-4102/90-06, betreffend Einkommensteuer 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eingeantwortete gesetzliche Erbin nach ihrer am 27. März 1985 verstorbenen Mutter. Die Erblasserin hatte am Standort O 8 und 9 eine Gastwirtschaft betrieben, in der sie seit Jahren ausschließlich Flüchtlingen aus Traiskirchen in Verrechnung mit dem BM für Inneres entgeltlich Unterkunft gewährt hatte.

Die Ehe der Erblasserin war mit Beschluß des KG Wr. Neustadt vom 17. November 1982, gemäß § 55a EheG geschieden worden, wobei sich die Erblasserin in einem gerichtlichen Vergleich vom gleichen Tag unter anderem verpflichtet hatte, einen damals aushaftenden Kreditbetrag von S 1 Million allein zur Rückzahlung zu übernehmen, wodurch die Ansprüche ihres Ehegatten auf Abgeltung für seine Mitwirkung im Betrieb der Erblasserin abgegolten wurden. Mit dem genannten Kredit war jenes Wohnhaus finanziert worden, das schließlich der geschiedene Gatte der Erblasserin bewohnte.

Als die Erblasserin erkrankte, sah sich die nunmehrige Beschwerdeführerin (die in X wohnt und dort eine Tabaktrafik betreibt) auf Drängen ihrer Mutter veranlaßt, deren Betrieb in Vertretung der Erblasserin weiterzuführen, um dieser die Existenz zu erhalten. Dafür vereinbarten die beiden eine monatliche Vergütung von S 10.000,-- sowie den Ersatz des Kilometergeldes.

Mit Beschluß des Abhandlungsgerichtes vom 24. April 1985 wurde der Beschwerdeführerin die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses gemäß § 810 ABGB übertragen; am 5. Dezember 1988 erfolgte schließlich die Einantwortung. Die Beschwerdeführerin hatte letzten Endes eine unbedingte Erbserklärung abgegeben.

Im Zuge abgabenbehördlicher Prüfungen sowohl betreffend den Nachlaß als auch betreffend die Beschwerdeführerin ergaben sich zwischen Letzterer und der Prüferin Meinungsverschiedenheiten, die - soweit dies für den Beschwerdefall noch von Bedeutung ist - folgende Punkte betrafen:

1)

Die Frage des Zufließens des "Geschäftsführerbezuges" an die Beschwerdeführerin;

2)

den AfA-Satz für das im Erbweg erworbene Gebäude;

3)

die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung von Kapitalrückzahlungen und Zinsen für die Kreditfinanzierung des Wohngebäudes des geschiedenen Gatten der Erblasserin sowie für Betriebsschulden;

4)

das Problem der Anerkennung der ebenfalls geerbten Liegenschaft EZ 56 KG Y als Einkunftsquelle;

5)

die Höhe der Nachlaßaktiven und -passiven und

6)

die Zurechnung und die Höhe des Veräußerungsgewinnes nach Betriebsaufgabe an die Erblasserin oder an die Beschwerdeführerin.

Das Finanzamt erließ, der Rechtsmeinung der Betriebsprüferin folgend, Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1984 bis 1986 und setzte Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 1990 fest, wogegen die Beschwerdeführerin berief.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin betreffend Einkommensteuer 1984 und 1986 sowie Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 1990 Folge und änderte die erstinstanzlichen Bescheide zugunsten der Beschwerdeführerin. Betreffend das Jahr 1985 nahm die belangte Behörde eine Abänderung zuungunsten der Beschwerdeführerin vor.

Die belangte Behörde vertrat dabei zu den oben angeführten Streitfragen im wesentlichen folgende Standpunkte:

Ad 1):

Entgegen der Behauptungen der Beschwerdeführerin, ihr seien Kilometergelder und Geschäftsführerentgelte wegen der Überschuldung des Nachlasses nicht zugeflossen, sei auf Grund der Position der Beschwerdeführerin als Alleinerbin durch "confusio" ein Zufluß bewirkt worden.

Des weiteren führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführerin sei per 24. April 1985 die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses eingeräumt worden, womit eine Verfügung über die Konten der Erblasserin verbunden gewesen sei. Bei monatlichen Betriebseinnahmen, wie etwa im März 1985 von S 181.170,--, sei es unverständlich, wieso eine Abdeckung der Verbindlichkeiten nicht möglich gewesen sein solle.

Mangels eines Dienstverhältnisses seien die der Beschwerdeführerin zugeflossenen Beträge als Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit (§ 22 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972) anzusehen.

Überhaupt nicht eingegangen ist die belangte Behörde einerseits auf das von der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren wiederholt ausdrücklich vorgetragene Argument, die strittigen Einkünfte seien "im Zuge einer Lohnsteuerprüfung nachversteuert" worden (vgl. dazu auch den Bericht über das Ergebnis der Lohnsteuerprüfung vom 1. August 1986), sowie auf die Stellungnahme der Prüferin der Betriebsprüfungsstelle des Finanzamtes N vom 5. Jänner 1990, wonach die Beschwerdeführerin in der Zeit vom 1. Jänner 1985 bis 31. März 1985 als provisorische Gechäftsführerin monatlich S 10.000,-- "ausbezahlt erhalten" habe, ohne daß eine Lohnsteuerkarte vorhanden gewesen sei.

Ad 2):

Während das im Verlassenschaftsverfahren eingeholte Gutachten eines gerichtlich beeideten Bausachverständigen für das streitgegenständliche Gebäude (Haus Nr. 8 und 9) je von einer Restnutzungsdauer von 25 Jahren ausging, nahm die Prüferin unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1985, Zl. 85/14/0082, eine solche von 50 Jahren an. Die belangte Behörde schloß sich dem an, wobei sie auf die im genannten Gutachten erwähnten zwischenzeitigen Umbauten und Sanierungsarbeiten sowie darauf verwies, der Gutachter habe auf die Flüchtlingsbeherbergung nicht Bedacht genommen. Die Beschwerdeführerin nutze die Liegenschaft nur mehr im Rahmen der Vermögensverwaltung und sei "daher durch eine allfällige kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer nicht direkt belastet". Bei der derzeitigen Situation sei eine langfristige Aussicht auf Aufrechterhaltung des Bestandverhältnisses zum Ehegatten der Beschwerdeführerin (oder einem sonstigen Pächter) anzunehmen, da ein Nachlassen des Flüchtlingsstromes nicht zu erwarten sei.

Ad 3):

Die in Rede stehenden Kapitalrückzahlungen und Zinsen seien nicht zwangsläufig i.S. des § 34 EStG 1972 erwachsen. Die Beschwerdeführerin habe sich zur Tragung dieser Zinsen aus freien Stücken entschlossen, weil sie letztlich niemandem gegenüber verpflichtet gewesen sei, die Erbschaft anzutreten. Das gelte insbesondere für die von der Beschwerdeführerin übernomme Darlehensschuld und für die behaupteten Zinsen für Betriebsschulden, für deren Höhe im übrigen jede nähere Konkretisierung fehle.

Ad 4):

Die Liegenschaft EZ 56 KG Y sei deshalb nicht als Einkunftsquelle zu werten, weil im strittigen Zeitraum eine Nutzung als Mietobjekt gar nicht möglich gewesen sei. Erst dann, wenn eine potentielle Vermietungsmöglichkeit gegeben sei, sei von einem Mietobjekt zu sprechen. Vorweggenommene Werbungskosten verneinte die belangte Behörde, weil kein Zusammenhang mit künftigen Einnahmen erwiesen sei. Die geltend gemachten Aufwendungen fielen auch ohne Vermietung des Objektes an.

Ad 5):

Zum Argument der Beschwerdeführerin, der übernommene Nachlaß sei überschuldet gewesen, meinte die belangte Behörde vor allem, daß eine behauptete Nachlaßverbindlichkeit in Höhe von S 1,061.695,49 gegenüber dem inzwischen ebenfalls verstorbenen Großvater der Beschwerdeführerin (= Vater der Erblasserin) zum Todestag der Erblasserin "äußerst zweifelhaft sei". Auch dem Gläubiger dieser Verbindlichkeit sei im Rahmen der Errichtung seines Testamentes nicht bewußt gewesen, über eine solche Forderung zu verfügen. Die Beschwerdeführerin habe auf Vorhalt vom 30. September 1991 "lediglich die - allerdings nicht beweisbare - Tatsache des noch gegebenen Bestehens dieser Verbindlichkeit beteuert".

Mit keinem Wort geht der angefochtene Bescheid in diesem Zusammenhang auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin ein, mit dem sie zum Beweis der behaupteten Verbindlichkeit Photokopien von Eintragungen in einem (offenbar noch von ihrer Mutter geführten) Kassabuch anschloß.

Dagegen konzediert die belangte Behörde nur eine "geringe buchmäßige Überschuldung" und berücksichtigte ausdrücklich einen "allerdings nicht konkret festgestellten, aber wohl dennoch vorliegenden Firmenwert", insbesondere weil "auf die dauernde ertragreiche Auslastung durch Flüchtlinge nicht Bezug genommen" worden sei.

Ad 6):

Dem hg. Erkenntnis vom 4. Juni 1985, Zl. 85/14/0015, folgend erachtete die belangte Behörde die Betriebsaufgabe durch die Beschwerdeführerin als der Beschwerdeführerin zurechenbar, weil ihr ein Betrieb (Betriebsgebäude, Einrichtungen und allenfalls ein nicht bewerteter Firmenwert) übertragen worden sei. Sie habe diesen Betrieb in der Folge, um einerseits Probleme mit der Monopolverwaltung hinsichtlich ihrer Tabaktrafik und andererseits die sonst erforderlich werdende Konzessionsprüfung zu vermeiden, schließlich nicht selbst weitergeführt, sondern an ihren Ehegatten verpachtet. Dadurch sei das Betriebsvermögen in die Privatsphäre der Beschwerdeführerin übergeführt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihren Rechten insofern verletzt, als die belangte Behörde 1) "einen als Rückstellung angesetzten Betrag von S 30.000,-- als zugeflossene Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit behandelt, darüber hinaus in unrichtiger Anwendung des § 42 EStG eine auf diese Einkünfte erhobene Lohnsteuer nicht anrechnet", 2) "die Nutzungsdauer des Gebäudes auf 50 Jahre erhöhte, ohne sich im einzelnen mit den Ausführungen der Betriebsprüfung sowie des Schätzungsgutachtens auseinanderzusetzen", 3) die Hypothekzinsen nicht als Betriebsausgaben bis März 1985, anschließend als Werbungskosten anerkennt", 4) "die Liegenschaft EZ 56 KG Y nicht als Einkunftsquelle wertet", 5) "den Nachlaß nicht als überschuldet feststellt" und 6) "die Aufgabe des Betriebes nicht der Mutter der Beschwerdeführerin zurechnet und vor allem nicht den gesamten Wert des Grund und Bodens laut Schätzungsgutachten berücksichtigt".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ad 1):

Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG 1972 sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in denen sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.

Was die Frage des Zufließens anlangt, vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein Betrag zugeflossen ist, wenn der Empfänger über ihn tatsächlich und rechtlich verfügen kann (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 5. Oktober 1988, Zl. 84/13/0044, sowie vom 5. März 1986, Zl. 85/13/0085, u.v.a.).

Betreffend den Fall der Beschwerdeführerin ist in diesem Zusammenhang zu beachten, daß sie unstrittigermaßen bereits vor dem Ableben ihrer Mutter zufolge deren Erkrankung das Unternehmen in deren Vertretung führte und dabei die Position eines Verwalters fremden Vermögens erlangte. Wie der Verwaltungsgerichtshof zum Fall eines Geschäftsführers einer Gesellschaft m.b.H. ausgesprochen hat, erlangt dieser auf Grund seiner Eigenschaft bereits in dem Zeitpunkt die Verfügungsmacht über den ihm zustehenden Geschäftsführerbezug, in dem ihm dieser Bezug gutgeschrieben wird. Wirtschaftliche begründete Überlegungen, aus denen der Geschäftsführer die Auszahlung an sich in der Folge nicht vorgenommen hat, sind dabei von keiner Bedeutung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1990, Zl. 89/13/0202). Auf die Situation der Beschwerdeführerin angewendet, bedeutet dies, daß sie angesichts der ihr im Unternehmern ihrer erkrankten Mutter obliegenden Geschäftsgebarung (sie verfügte nach den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde insbesondere über Betriebseinnahmen von monatlich jeweils weit über S 100.000,--) bereits zu Lebzeiten der Erblasserin jene Position eingenommen hat, die ihr auch über diejenigen Beträge die Verfügungsmacht vermittelte, die ihr selbst auf Grund der getroffenen Vereinbarungen als Abgeltung für ihre Tätigkeit zustanden. Diese Beträge sind der Beschwerdeführerin damit bereits vor dem Tod ihrer Mutter i.S. des § 19 Abs. 1 EStG 1972 zugeflossen. Der Umstand, daß die Beschwerdeführerin (ausgehend von einer Nachlaßüberschuldung) die ihr zustehenden Beträge nicht entnahm, sondern in der Folge als Nachlaßpassiva darstellte, vermag am Zufließen ebensowenig zu ändern, wie die im Wege des Erbgangs eingetretene Vereinigung gemäß § 1445 ABGB, weil dann, wenn Einnahmen einmal zugeflossen sind, ihr weiteres Schicksal auf die Tatsache des Zufließens keinen Einfluß mehr hat (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 12. November 1980, Zl. 1300/80, und vom 8. September 1992, Zl. 88/14/0076).

Die belangte Behörde ist sohin im Ergebnis zu Recht vom Zufließen der Entgelte für die Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Vertreterin ihrer Mutter ausgegangen. Daher fällt der Umstand nicht weiter ins Gewicht, daß sich die belangte Behörde mit dem Bericht der Prüferin, die Beträge von monatlich S 10.000,-- seien der Beschwerdeführerin tatsächlich ausbezahlt worden, nicht weiter auseinandergesetzt hat.

In diesem Zusammenhang stellt sich aber die entscheidende Frage, ob die von der Beschwerdeführerin als Vertreterin ihrer Mutter erzielten Einkünfte solche i.S. des § 22 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 sind (was die belangte Behörde angenommen hat) oder als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 bzw. § 25 EStG 1972), wobei für letzteres im vorliegenden Fall der Umstand zu sprechen scheint, daß von der Beschwerdeführerin (nach ihren schon im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Behauptungen) für die streitgegenständlichen Einkünfte Lohnsteuer erhoben und bezahlt wurde (vgl. insbesondere die OZlen. 20 und 20/1 der Verwaltungsakten). Da die belangte Behörde es unterlassen hat, die näheren Umstände der Rechtsbeziehung zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer verstorbenen Mutter zu klären (insbesondere in Richtung der für das Vorliegen eines Dienstvertrages gemäß § 47 Abs. 3 EStG 1972 charakteristischen Merkmale der Weisungsgebundenheit der Beschwerdeführerin gegenüber der späteren Erblasserin und des Fehlens eines Unternehmerwagnisses), hat sie ausgehend von ihrer Rechtsansicht, es lägen bei der Beschwerdeführerin Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit vor, ihren Bescheid mit einem sogenannten sekundären Verfahrensmangel und damit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Ad 2):

Zur strittigen Frage der Restnutzungsdauer des Betriebsgebäudes ist folgendes zu sagen:

Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes und damit die Höhe des AfA-Satzes kann regelmäßig nur geschätzt werden, wobei die Schätzung grundsätzlich dem Abgabenpflichtigen obliegt (vgl. i.d.S. die hg. Erkenntnisse vom 12. September 1989, Zl. 88/14/0162, und vom 13. Dezember 1989, Zl. 88/13/0056). Im vorliegenden Fall stützte sich die Beschwerdeführerin auf ein im Verlassenschaftsverfahren eingeholtes Gutachten eines gerichtlich beeideten Bausachverständigen, der sich zur Frage der Restnutzungsdauer ausdrücklich geäußert und diese (im Rahmen der von ihm angestellten Berechnungen über den Ertragswert) mit je 25 Jahren beziffert hatte. Obzwar - anders als dies die Beschwerdeführerin sieht - keine Bindung der Abgabenbehörde an dieses Gutachten besteht, weil keine gerichtliche Entscheidung i.S. des § 116 Abs. 2 Satz 2 BAO vorliegt, wäre die belangte Behörde jedenfalls gehalten gewesen - wollte sie dem vorliegenden Gutachten nicht folgen - sich mit diesem ausgehend auseinanderzusetzen um allenfalls frei von Verfahrensfehlern vom Ergebnis des vorliegenden Gutachtens abweichen zu können. Die Berufung auf den Fall des hg. Erkenntnisses vom 10. Dezember 1985, Zl. 85/14/0082, der insoweit mit dem vorliegenden nicht vergleichbar ist (weil dort das Gutachten eines Amtssachverständigen eingeholt worden war und der betroffene Beschwerdeführer selbst den guten Bauzustand des Objektes geltend gemacht hatte, was hier keineswegs der Fall ist), vermag die fehlenden Ermittlungen der belangten Behörde nicht zu ersetzen. Allein der Umstand nämlich, daß der Sachverständige im Verlassenschaftsverfahren auf das Faktum der Flüchtlingsbeherbergung nicht ausdrücklich Bedacht genommen hat, läßt sein Gutachten noch nicht als unschlüssig erscheinen, weil der besagte Umstand keineswegs die von der belangten Behörde angenommene, doppelt so lange Restnutzungsdauer zu rechtfertigen vermag. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, daß sich bei der Beherbergung von Flüchtlingen unter Umständen geringere Qualitätsanforderungen an die Ausstattung und den Zustand eines Beherbergungsbetriebes stellen (woraus sich eine etwas längere Nutzung des Gebäudes ergeben könnte), darf man nicht übersehen, daß eine derartige Nutzung eines solchen Betriebes im allgemeinen, z.B. im Hinblick auf höhere "Belegsdichte" eine größere Abnutzung erwarten läßt, als dies bei der Nutzung als "touristischer" Fremdenverkehrsbetrieb der Fall wäre.

Das Verfahren der belangten Behörde ist sohin betreffend die Frage der Restnutzungsdauer des Gebäudes mangelhaft geblieben.

Ad 3):

Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1972 erwächst eine Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Leistungen des gesetzlichen Unterhalts an den geschiedenen Gatten gelten stets dann als zwangsläufig erwachsen, wenn der den Unterhalt Leistende sich wieder verehelicht hat und soweit gegenüber dem nunmehrigen Ehegatten eine Verpflichtung zur Leistung des gesetzlichen Unterhalts besteht. Abgeltungsbeträge gemäß § 98 ABGB, die aus Anlaß der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe gezahlt werden, gelten als zwangsläufig erwachsen.

Der belangten Behörde ist beizupflichten, daß im vorliegenden Fall die für die Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung erforderliche Zwangsläufigkeit schon deshalb fehlt, weil die Beschwerdeführerin in keiner Weise dargelegt hat, warum der unbedingte Antritt der Erbschaft durch sie einer sittlichen Verpflichtung entsprochen hätte. Erfolgt aber der Antritt einer Erbschaft aus freien Stücken, so fehlt es an der Zwangsläufigkeit (vgl. dazu z.B. die hg. Erkenntnisse vom 14. Februar 1984, Z. 83/14/0256, und vom 17. Jänner 1984, Zlen. 83/14/0244, 0245). Ein weiteres Eingehen auf die Frage, inwieweit die seinerzeitige Darlehensübernahme durch die Erblasserin im Zuge ihrer einvernehmlichen Scheidung allenfalls doch einen Abgeltungsbetrag gemäß § 98 ABGB darstellte (vgl. dazu den Fall, der dem bei Doralt-Ruppe aaO. 175 referierten hg. Erkenntnis vom 22. September 1981, Zl. 81/14/0097, zugrunde lag) war daher entbehrlich.

Betreffend den Beschwerdepunkt der außergewöhnlichen Belastung haftet dem angefochtenen Bescheid daher keine Rechtswidrigkeit an.

Ad 4):

Die Beschwerdeführerin strebt betreffend die Liegenschaft EZ 56 KG Y die Anerkennung von Betriebskosten (offenbar als Werbungskosten) und AfA mit der Begründung an, es sei ihr erst 1989 eine Vermietung dieses Objektes möglich gewesen.

Dem ist zu entgegnen, daß zwar grundsätzlich die AfA erst mit der Inbetriebnahme des Wirtschaftsgutes als Einkunftsquelle beginnt (vgl. dazu z.B. Doralt, Einkommensteuergesetz Kommentar Rz 31 zu § 7 EStG 1988; Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch Tz 12 zu § 7 EStG 1972 und die dort referierte hg. Judikatur), daß jedoch nach der hg. Judikatur bei Gebäuden ausnahmsweise AfA bereits vor der Inbetriebnahme Berücksichtigung finden kann, soferne sich die ernsthafte Vermietungsabsicht erweist (vgl. dazu das - auch bei Doralt aaO. Rz 233 zitierte - hg. Erkenntnis vom 27. November 1984, Zlen. 83/14/0046, 0048, welches sich seinerseits wieder auf das hg. Erkenntnis vom 30. September 1980, Zl. 847/79, beruft). Davon, daß für das gegenständliche Objekt eine ernsthafte Vermietungsabsicht der Beschwerdeführerin als klar erwiesen i. S. der oben zitierten Judikatur angesehen werden könnte, kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Die Ablehnung sowohl der AfA als auch der Anerkennung vorweggenommener Werbungskosten durch die belangte Behörde erweist sich daher als frei von Rechtswidrigkeit.

Ad 5):

Was die Höhe des Nachlasses betrifft, erachtete die belangte Behörde den Bestand einer Darlehensschuld von S 1,061.695,49 als nicht glaubhaft. Da sie in diesem Zusammenhang auf ein nicht von vornherein unschlüssiges Vorbringen der Beschwerdeführerin (sie habe die Aufnahme der Darlehenschuld in das eidesstattliche Vermögensbekenntnis "aus Kostengründen" unterlassen) in ihrer Stellungnahme vom 15. März 1991 und das dort unter Anschluß von Urkunden erstattete Beweisanbot überhaupt nicht einging, hat sie schon dadurch ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weil nicht auszuschließen ist, daß sie bei Aufnahme der angebotenen Urkundenbeweise hinsichtlich der Höhe des Nachlaßvermögens zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Das spätere Schicksal der genannten Darlehenschuld zufolge allfälliger Vereinigung zwischen der Beschwerdeführerin und dem Forderungsgläubiger (ebenfalls im Erbweg) würde an der Höhe der Nachlassaktiven und -passiven betreffend den Erbgang von der Erblasserin auf die Beschwerdeführerin wegen des dafür steuerrechtlich maßgeblichen Todestages der Erblasserin (vgl. Doralt-Ruppe aaO. 20) nichts ändern.

Dazu kommt, daß auch der Auffassung der belangten Behörde betreffend die Berücksichtigung eines "allerdings nicht konkret festgestellten, aber wohl dennoch vorhandenen Firmenwertes" nicht zu folgen ist, weil es sich dabei um eine durch nichts begründete reine Vermutung handelt.

Auch in diesem Punkt hat die belangte Behörde ihren Bescheid sohin mit einem erheblichen Verfahrensmangel belastet.

Ad 6):

Da nach der Aktenlage der Beschwerdeführerin durch den von ihr selbst zunächst als Vertreterin ihrer Mutter geführten Pensionsbetrieb (Liegenschaft O 8 und 9) betrieblich verwendete Wirtschaftsgüter von erheblichem Umfang und Gewicht zugefallen sind, sind nach der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 4. Juni 1985, Zl. 85/14/0015) die weiteren Verfügungen darüber der Beschwerdeführerin als Erbin zuzurechnen. Die belangte Behörde hat daher die von der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 28. Oktober 1991 ausdrücklich zugestandene Überführung des ererbten Betriebes in das Privatvermögen frei von inhaltlicher Rechtswidrigkeit als Betriebsaufgabe gewertet und den daraus resultierenden Veräußerungsgewinn der Beschwerdeführerin zugerechnet.

Die belangte Behörde hat aber in weiterer Folge der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes einerseits (wie schon in Punkt 5 dargelegt bei der Beurteilung der Höhe des Nachlaßvermögens) einen nur vermuteten Firmenwert und andererseits (wie bereits oben unter Punkt 2 näher dargelegt) eine bisher nur mangelhaft ermittelte Restnutzungsdauer des Gebäudes von 50 Jahren zugrunde gelegt. Aus diesem Grund erweist sich der angefochtene Bescheid auch betreffend die Ermittlung des Veräußerungsgewinnes als mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet.

Der angefochtene Bescheid war sohin insgesamt wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben (§ 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf § 47 ff VwGG i.V.m. der VO BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft zu viel angesprochene Stempelgebühren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992150048.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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