Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
FleischUG 1982 §50 Z14;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des E in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 31. Jänner 1992, Zl. VetR(SanR)-330013/1-1991-Hau/Mü, betreffend Übertretungen des Fleischuntersuchungsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 8. März 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, als "verantwortlich beauftragter Schlachthofleiter" eines näher genannten Schlachtbetriebes dafür verantwortlich zu sein, daß bei einer am 8. März 1990 in diesem Schlachtbetrieb durchgeführten Überprüfung fünfzehn in der Folge umschriebene Mißstände geherrscht hätten. Er habe dadurch eine Übertretung nach § 38 Abs. 1 in Verbindung mit § 50 Z. 14 des Fleischuntersuchungsgesetzes BGBl. Nr. 522/1982 sowie 14 Übertretungen nach § 50 Z. 15 leg. cit., jeweils in Verbindung mit Bestimmungen der Fleischhygieneverordnung BGBl. Nr. 280/1983 (in der Fassung BGBl. Nr. 705/1988) begangen. Über ihn wurden 15 Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde in teilweiser Stattgebung der dagegen erhobenen Berufung das Straferkenntnis vom 8. März 1991 in 9 Punkten behoben. Es wurde ferner ausgesprochen, daß das Straferkenntnis in den Schuldsprüchen seiner Punkte 1 und 6 bestätigt wird, sowie daß die dem Beschwerdeführer in den Punkten 4, 5, 7 und 10 angelasteten Verwaltungsübertretungen eine Verwaltungsübertretung darstellen. Es wurden über ihn drei Geldstrafen in der Höhe von S 2.000,-- (Pkt. 1), S 1.000,-- (Pkt. 6) und S 3.500,-- verhängt. Die entsprechenden Ersatzfreiheitsstrafen wurden mit 12, 6 und 24 Stunden bemessen.
Die in Rede stehenden Tatanlastungen im Sinne des § 44a Z. 1 VStG haben folgenden Wortlaut:
"1. Im Verarbeitungsraum am Boden lagerte in einem Plastiksack mit FRISCH verpacktem Fleisch (Inhalt ca. 30 kg) stark verschmutztes Fleisch. Das verpackte und laut eigenen Angaben zum Einfrieren bestimmte Fleisch wies eine
ca. handflächengroße Verschmutzung auf. Sie haben somit beim Schlachten und Zerteilen des Tierkörpers nicht jene Sorgfalt aufgebracht, daß gewährleistet gewesen wäre, daß das Fleisch nicht hygienisch nachteilig beeinflußt wird.
4. Im hinteren Teil des Verarbeitungsraumes befand sich eine nicht in Betrieb befindliche, desolate Kühlvitrine mit Abfällen aus Blech, Glas und verrostetem Werkzeug sowie eine abgebrochene stark verrostete Fleischhacke. Im ehemaligen Kühlraum neben dem Schlachthaus stand ein verrostetes Tischgestell. Der hintere Teil des Verarbeitungsraumes und der ehemalige Kühlraum neben dem Schlachthaus wurden somit als Abstellraum zweckentfremdet.
5. Ferner lagerten im selben Raum in einem Plastiksack getrocknete harte jedoch verschimmelte Pansenstreifen. Dieser Abfall wurde damit nicht sofort aus dem Raum entfernt.
6. In dem an den Verarbeitungsraum anschließenden kleinen Raum des Schlachtbetriebes befand sich ein Fleischwolf, dessen Einwurfwanne verschmutzt war. Im Fleischwolf befanden sich Reste von Kutteln. Die dort befindlichen Einlageringe waren mit eingetrockneten, stinkenden Fleischresten behaftet. Dieses Werkzeug (Fleischwolf) wurde demnach nach letzter Verwendung jeweils nicht am Ende des Arbeitstages sorgfältig gereinigt.
7. Im Kühlraum, welcher an den Verarbeitungsraum anschließt, befanden sich Dosen mit Gemüseerbsen, welche zur Verfütterung an die Schweine bestimmt waren, ein altes Kühlaggregat und ein alter Pullover. Diese Gegenstände, die geeignet waren, Fleisch nachteilig zu beeinflussen, dürfen dort nicht untergebracht werden.
10. Auf der Hängebahn im Schlachthaus befanden sich verrostete und verschmutzte Haken. Diese waren geeignet, die Beschaffenheit des Fleisches sowie die Sauberkeit der Räume hygienisch nachteilig zu beeinflussen, indem bei Berührung Schmutz und Rost auf das Fleisch gelangen konnte."
Als verletzte Verwaltungsvorschriften wurden zu Punkt 1 § 38 Abs. 1 in Verbindung mit § 50 Z. 14 des Fleischuntersuchungsgesetzes, zu Punkt 6 § 20 Abs. 7 der Fleischhygieneverordnung in Verbindung mit § 50 Z. 15 des Fleischuntersuchungsgesetzes, sowie im übrigen § 10 Abs. 1 und 2 der Fleischhygieneverordnung in Verbindung mit § 50 Z. 15 des Fleischuntersuchungsgesetzes genannt.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 29. September 1992, B 399/92, die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde gemäß § 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In seiner nur gegen die verurteilenden Absprüche des angefochtenen Bescheides gerichteten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Hinsichtlich aller Mißstände, die dem Beschwerdeführer als verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 3 und 4 VStG zur Last gelegt werden, bestreitet der Beschwerdeführer die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit. Sein Verantwortungsbereich seien lediglich der Schlachtvorgang und die Fleischzerlegung gewesen. Er verweist dazu auf eine der Erstbehörde vorgelegte Urkunde vom 4. Dezember 1989. Nach dieser Urkunde, die vom Betriebsinhaber und vom Beschwerdeführer unterfertigt ist, ist der Beschwerdeführer in dem Betrieb "als verantwortlicher Schlachthofleiter beschäftigt" und habe "somit die Verantwortung gegenüber der Behörde in punkto Schlächterei und Fleischzerlegung".
Gemäß § 9 Abs. 4 VStG kann ein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 3 nur eine Person sein, der u. a. für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Daraus ist zu schließen, daß der räumliche oder sachliche Bereich des Unternehmens, für den ein verantwortlicher Beauftragter mit dessen Zustimmung bestellt wird, "klar abzugrenzen" ist. Erfolgt eine solche klare Abgrenzung nicht, so liegt keine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vor. Die Verwaltungsstrafbehörden sollen nicht in die Lage versetzt werden, Ermittlungen über den jeweiligen Betrieb und seine Gliederung in räumlicher und sachlicher Hinsicht, insbesondere über die Größe, Lage und Verwendung der einzelnen Betriebsräume, anstellen zu müssen. Sie sollen auch der Aufgabe enthoben sein, die Bestellung (ihren Nachweis) einer nur unter Zuhilfenahme weiterer Beweise möglichen Interpretation unterziehen zu müssen, um zu klären, welcher Inhalt einer diesbezüglich nicht eindeutigen Erklärung beizumessen ist. Jedenfalls soll vermieden werden, daß Zweifel am Umfang des Verantwortlichkeitsbereiches entstehen und als deren Folge die Begehung von Verwaltungsübertretungen allenfalls überhaupt ungesühnt bleibt.
Der vorliegende Nachweis über die Bestellung des Beschwerdeführers zum verantwortlichen Beauftragten weist die geschilderte erforderliche Klarheit nicht auf. Die Beschäftigung als verantwortlicher Schlachthofleiter, also in einer Funktion, die von der Übernahme der Schlachttiere bis zur Herstellung des Zustandes, in dem das Fleisch weiter verwendet werden soll, wozu auch das Verpacken und Einfrieren zählt, reicht, wird dadurch relativiert und damit unklar gemacht, daß der Beschwerdeführer für die "Schlächterei und Fleischzerlegung" verantwortlich sei. Letztere Einschränkung ist nicht etwa als beispielhafte Funktionsumschreibung ("inbesondere") formuliert, sondern als Erläuterung des mit dem "verantwortlichen Schlachthofleiter" Gemeinten ("somit"). Insofern besteht ein Widerspruch. Das hat zur Folge, daß der Nachweis der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten nicht gelungen ist. Die Verantwortlichkeit ist somit zur Gänze beim Betriebsinhaber geblieben.
In diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer und der Betriebsinhaber in den jeweils gegen sie geführten Verwaltungsstrafverfahren eine unterschiedliche Deutung des in Rede stehenden Nachweises vornehmen: Während der Beschwerdeführer das geschilderte inhaltlich eingeschränkte Verständnis betreffend den Umfang seines Verantwortungsbereiches an den Tag legt, beruft sich der Betriebsinhaber in seiner Verantwortung - wie dem Verwaltungsgerichtshof aus den zu den Zlen. 92/11/0103 und 92/11/0243 protokollierten Beschwerdeverfahren bekannt ist - auf die Bestellung des Beschwerdeführers zu dem für alle Vorgänge im Schlachthof verantwortlichen Schlachthofleiter.
Bei diesem Ergebnis kann dahinstehen, ob eine sachliche Trennung des Schlachtvorganges im engeren Sinn und des Zerlegens von den übrigen Vorgängen in einem Schlachthof im gegebenen Zusammenhang überhaupt zulässig und damit rechtswirksam gewesen wäre.
Der angefochtene Bescheid ist inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992110258.X00Im RIS seit
05.03.2001Zuletzt aktualisiert am
11.07.2010