TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/23 92/08/0218

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Veröffentlicht am 23.02.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 10.9.1992, Zl. 124.363/-7/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Sozialversicherungssache; (mitbeteiligte Partei: Tiroler Gebietskrankenkasse) zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Antrag auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der mitbeteiligten Tiroler Gebietskrankenkasse vom 13. Februar 1992 wurde festgestellt, daß Dipl. Ing. D vom 1. März 1985 bis 1. Mai 1988 als Koordinator für Bauangelegenheiten für die Republik Österreich (ersichtlich gemeint: für den Bund), Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Leopold Franzens-Universität Innsbruck, sozialversicherungs- und arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 23. Juli 1992, Zl. Vd-3904/9, wurde der dagegen erhobene Einspruch des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung, als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Bundesminister für Wissenschaft und Forschung am 28. Juli 1992 durch die Post zugestellt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die mit Schriftsatz vom 5. August 1992 vom Bundesminister für Wissenschaft und Forschung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 23. Juli 1992 erhobene Berufung gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück. Die belangte Behörde ging dabei davon aus, daß gemäß § 63 Abs. 5 AVG die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen sei, die den Bescheid in erster Instanz erlassen habe, oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden habe. Die Frist beginne für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Falle bloß mündlicher Verkündung mit dieser. Gemäß § 32 Abs. 2 AVG ende eine nach Wochen bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, der durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen habe. Gemäß § 33 Abs. 3 AVG werden die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet. Maßgeblich sei somit das Datum des Poststempels. Im vorliegenden Fall weise dieser das Aufgabedatum 12. August 1992 auf. Da die gegenständliche Berufungsfrist am 11. August 1992 abgelaufen sei, sei die Berufung verspätet gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Tiroler Gebietskrankenkasse erstatten eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragen.

Der Beschwerdeführer erstattete unaufgefordert eine weitere Äußerung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Aus dem Akt ist zunächst festzustellen, daß eine Ausfertigung der Berufung, adressiert an das Amt der Tiroler Landesregierung in Innsbruck (als Hilfsapparat der bescheiderlassenden Behörde I. Instanz), am 12. August 1992 zur Post gegeben wurde, wobei der auf dem Kuvert befindliche Poststempel einwandfrei lesbar ist. Die Berufung langte dort laut Eingangsstampiglie am 13. August 1992 ein. Aus der mit der ergänzenden Äußerung des Beschwerdeführers vom 28. Jänner 1993, beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt am 1. Februar 1993, vorgelegten Kopie des im direkten Ämterverkehr verwendeten Übernahmeprotokolles geht jedoch hervor, daß am 10. August 1992 dem Bundesminister für Arbeit und Soziales (als der zur Entscheidung über die Berufung zuständigen Behörde) ein Schriftstück mit der GZ. 187.745/25 (identisch mit der auf der Berufung angegebenen GZ) im Wege des direkten Ämterverkehres zugestellt wurde.

Der Beschwerdeführer machte nun zur Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, die belangte Behörde habe ihm keine Gelegenheit eingeräumt, zur Frage der Rechtzeitigkeit der Berufung Stellung zu nehmen. Dieser Einwand ist berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 25. Jänner 1988, Zl. 87/10/0077, und vom 30. Oktober 1991, Zl. 91/03/0170) hat die Behörde, bevor sie ein Rechtsmittel als verspätet zurückweist, dem Rechtsmittelwerber Gelegenheit zu geben, zur Versäumung der Berufungsfrist Stellung zu nehmen. Unterläßt sie dies, trägt sie das Risiko der Aufhebung des Bescheides wegen unterlaufener Verfahrensmängel.

Da im Hinblick auf die in der Beschwerdeergänzung zumindest bescheinigte Übermittlung der Berufung im Wege des direkten Ämterverkehrs unmittelbar an die belangte Behörde im Sinne des § 63 Abs. 5 AVG nicht von vornherein die Ergebnislosigkeit eines diesbezüglich ergänzenden Ermittlungsverfahrens angenommen werden kann, ließ die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG), weshalb der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Zum Ausspruch über den Aufwandersatz wird auf den hg. Beschluß vom 15. Dezember 1992, Zl. 91/08/0195, verwiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992080218.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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