TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/23 92/07/0153

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Veröffentlicht am 23.02.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

VwRallg;
WRG 1934 §125 Abs1;
WRG 1959 §142 Abs1;
WRG 1959 §2 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspäsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kratschmer, Dr. Hargassner und Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Aumayr, über die Beschwerde des J in U, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 4. August 1992, Zl. IIIa1-10.740/6, betreffend Zurückweisung einer Berufung (mitbeteiligte Partei: N in U), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 13. Dezember 1988 wurde dem Mitbeteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die wasserrechtliche Bewilligung zur Entnahme von Wasser aus dem R-Bach sowie zur Errichtung und zum Betrieb der hiefür erforderlichen Anlage zum Zwecke der Bewässerung von Grundstücken erteilt. Dieser Bescheid wurde der "Verlassenschaft nach J zu Handen Frau S", nicht jedoch dem Beschwerdeführer zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 21. Jänner 1992 begehrte der Beschwerdeführer die Zustellung dieses Bescheides mit der Begründung, der Nachlaß des J sen. sei mit Einantwortungsurkunde vom 2. September 1987 dem Beschwerdeführer eingeantwortet worden. Mit einem am 20. Mai 1988 rechtskräftig gewordenen Beschluß des Bezirksgerichtes Telfs sei der Beschwerdeführer für volljährig erklärt worden.

Nach Zustellung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck erhob der Beschwerdeführer dagegen Berufung. Er brachte vor, durch das bewilligte Wasserrechtsprojekt würden seine Rechte beeinträchtigt. Dem Beschwerdeführer stehe das im Grundbuch eingetragene, auf eine aus dem Jahre 1607 stammende Urkunde zurückgehende Recht zu, zu genau bestimmten Zeiten Wasser aus dem R-Bach zu entnehmen. Dieses Recht sei seit dem Jahre 1607 ununterbrochen ausgeübt worden, wobei sogar eine bestimmte Nutzungsform, nämlich in Form einer Steinschlichtung und der Errichtung von Erdgräben das Wasser abzuleiten, mit Wasserrechtsbescheiden aus dem Jahre 1953 bewilligt worden sei. Diese Form der Wasserentnahme aus dem R-Bach habe sich zwar in den letzten Jahren verändert, doch sei bis in die jüngste Zeit hinein jeweils Wasser für Bewässerungszwecke der begünstigten Liegenschaften aus dem R-Bach entnommen worden, und zwar mittels der Errichtung einer Pumpe im R-Bach unter Ableitung des Wassers durch Schläuche auf die begünstigten Liegenschaften, wo das Wasser zur Bewässerung versprüht worden sei. Zum Teil sei das Wasser auch in Jauchefässer gepumpt und dann auf die Felder ausgebracht worden. Durch das mit dem bekämpften Bescheid bewilligte Wasserrechtsprojekt des Mitbeteiligten werde das seit mindestens 400 Jahren bestehende und auch grundbücherlich sichergestellte Wasserbezugsrecht des Beschwerdeführers beeinträchtigt.

Mit Bescheid vom 4. August 1992 wies der Landeshauptmann von Tirol die Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig zurück. In der Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei zu dreiviertel Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft in EZ 90042 X. Mit dieser Liegenschaft sei im A-2-Blatt des Grundbuchskörpers zu EZ 90042 das Recht des "Wässerwasserbezuges" aus dem R-Bach verbunden. Dieses grundbücherlich sichergestellte Recht sei als alter Bestand zu WBPZl. 1 sowie WBPZl. 2 in das Wasserbuch des Verwaltungsbezirkes Innsbruck-Land eingetragen worden. Mit zwei Bescheiden dieser Bezirkshauptmannschaft vom 13. Dezember 1988 seien diese Wasserrechte für erloschen erklärt worden. Diese Bescheide seien dem Beschwerdeführer nachweislich zugestellt worden. Eine Berufung sei nicht erhoben worden, diese Bescheide seien daher zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsen. Eine rechtmäßig geübte Wassernutzung im Sinne des § 12 Abs. 2 des Wasserrechtsgesetzes 1959 liege nur dann vor, wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes ausgeübt werde. Das vom Beschwerdeführer geltend gemachte Recht zur Wässerwasserentnahme bedürfe nach den Bestimmungen des WRG 1959 einer wasserrechtlichen Bewilligung. Entsprechend dieser Rechtslage sei das geltend gemachte Recht als alter Bestand in das Wasserbuch des Verwaltungsbezirkes Innsbruck eingetragen worden. Diese Wasserrechte seien aber zwischenzeitlich rechtskräftig für erloschen erklärt worden. Somit fehle der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Wasserbenutzung das Element der Rechtmäßigkeit. Der weiterhin bestehende grundbücherlich sichergestellte privatrechtliche Titel vermöge dieses Element nicht zu ersetzen. Beim R-Bach handle es sich um ein öffentliches Gewässer, sodaß der Beschwerdeführer auch keine Nutzungsbefugnisse im Sinne des § 5 Abs. 2 WRG 1959 geltend machen könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 sind Parteien im Wasserrechtsverfahren unter anderem diejenigen, die zu einer Leistung, Duldung und Unterlassung verpflichtet werden sollen oder deren Rechte (§ 12 Abs. 2) sonst berührt werden.

§ 12 Abs. 2 WRG 1959, auf den § 102 Abs. 1 lit. b verweist, bezeichnet als bestehende Rechte rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum.

Bei den Nutzungsbefugnissen nach § 5 Abs. 2 handelt es sich um die Benutzung der Privatgewässer.

Der Beschwerdeführer bringt vor, für sein Wasserrecht bestehe eine aus dem Jahre 1607 stammende Urkunde und dieses Recht sei auch ins Grundbuch übertragen worden. Daraus ergebe sich, daß an der Wasserwelle des R-Baches für das Grundstück 1199 der KG X in der Zeit vom Donnerstag bis Sonntag jede Woche und für die Grundstücke 1197, 1207, 1211, 1212, 1214 und 1215 jeweils von Sonntag 13 Uhr bis Donnerstag 6 Uhr jede Woche ein nahezu 400jähriger Privatrechtstitel existiere, sodaß darüber, auch wenn der R-Bach sonst als öffentliches Gewässer anzusehen sei, die Behörde nicht im Rahmen eines öffentlichen Gewässers, sondern im Rahmen der Einräumung von Rechten an einem Privatgewässer abzusprechen gehabt hätte. Es liege ein Privatrechtstitel im Sinne des § 2 Abs. 2 WRG 1959 vor.

Nach § 2 Abs. 2 WRG 1959 sind die im Absatz 1 genannten Gewässer, insoweit für sie ein besonderer, vor dem Jahre 1870 entstandener Privatrechtstitel nachgewiesen wird, als Privatgewässer anzusehen. Das Eigentum an den Ufergrundstücken oder dem Bette des Gewässers bildet keinen solchen Privatrechtstitel.

Ein solcher Privatrechtstitel darf sich nicht nur auf einzelne konkrete Nutzungen beziehen, sondern muß ganz allgemein für ein Gewässer oder einen Abschnitt (Teil) desselben gegeben sein (vgl. Grabmayer-Rossmann, Das österreichische Wasserrecht, 2. Aufl., Anm. 6 zu § 2, S. 27).

Der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Titel berechtigte die Eigentümer bestimmter Liegenschaften, zu genau bestimmten Zeiten aus dem R-Bach Wasser zum Zweck der Bewässerung dieser Liegenschaften zu entnehmen. Eine solche Berechtigung stellt keinen Privatrechtstitel im Sinne des § 2 Abs. 2 WRG 1959 dar. Eine Parteistellung des Beschwerdeführers als Nutzungsbefugter im Sinne des § 5 Abs. 2 WRG 1959 kommt daher nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, sein Wasserrecht sei deshalb erloschen, weil die Eintragung im Wasserbuch rechtskräftig gelöscht worden sei. Ein Privatrechtstitel für ein Wasserbenutzungsrecht könne niemals durch die Löschung einer Eintragung im Wasserbuch untergehen. Die Eintragung im Wasserbuch sei in einer ganz bestimmten Art erfolgt, nämlich in der Nutzung des Wassers aus dem R-Bach durch Ableitung mittels Erdwällen. Infolge Zerstörung derselben habe das Wasser nicht mehr durch diese technische Einrichtung abgeleitet werden können. Das Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes sei auch ganz konkret unter Hinweis auf die Bestimmung des § 27 Abs. 1 lit. g WRG 1959 festgestellt worden. Daraus ergebe sich, daß das Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes nur durch den Wegfall oder die Zerstörung der zur Wasserbenutzung nötigen Vorrichtungen eingetreten sei. Damit habe aber die Behörde keineswegs auch ausgesprochen, daß das grundbücherlich sichergestellte und seit Jahrhunderten wie auch gegenwärtig noch ausgeübte Wasserbenutzungsrecht erloschen sei. Bescheidmäßig könne ja die Behörde auch nicht über das Erlöschen eines zivilrechtlichen Dienstbarkeitsanspruches absprechen.

Ob das aus dem Jahre 1607 stammende und im Grundbuch eingetragene Wasserbenutzungsrecht noch aufrecht ist, richtet sich nach dem WRG 1959. Dessen mit "Fortbestand älterer Rechte" überschriebene § 142 bestimmt in seinem Absatz 1, daß bereits bestehende Wasserbenutzungen, die nach den bisher geltenden Gesetzen einer Bewilligung nicht bedurften, nach den Bestimmungen des zweiten oder dritten Abschnittes dieses Bundesgesetzes jedoch bewilligungspflichtig wären, auch weiterhin ohne Einholung einer Bewilligung ausgeübt werden können. Der Fortbestand dieser Berechtigungen ist jedoch davon abhängig, daß ihre Eintragung im Wasserbuch, sofern sie nicht schon erfolgt ist, binnen Jahresfrist beantragt wird.

Unter den "bisher geltenden Gesetzen" ist die Rechtslage vor dem Inkrafttreten der Wasserrechtsnovelle 1959 zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. April 1982, Zl. 81/07/0227 und die dort angeführte Vorjudikatur). Nach § 9 Abs. 1 des Wasserrechtsgesetzes 1934 bedurfte jede über den Gemeingebrauch (§ 8) hinausgehende Benutzung der öffentlichen Gewässer einer Bewilligung der Wasserrechtsbehörde. § 125 Abs. 1 dieses Gesetzes - die Vorläuferbestimmung des § 142 Abs. 1 WRG 1959 - sah allerdings vor, daß bereits bestehende Wasserbenutzungen, die nach den bisher geltenden Gesetzen einer Bewilligung nicht bedurften, nach den Bestimmungen des zweiten Abschnittes dieses Gesetzes jedoch bewilligungpflichtig wurden, auch weiterhin ohne Einholung einer Bewilligung ausgeübt werden konnten. Somit bedurften bestehende Wasserbenutzungen, die nach den vor dem Inkrafttreten des Wasserrechtsgesetzes 1934 geltenden Landeswasserrechtsgesetzen bewilligungsfrei waren, auch weiterhin keiner Bewilligung. § 16 des Tiroler Landeswasserrechtsgesetzes, LGBl. Nr. 64/1870, sah zwar eine Bewilligungspflicht für eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Benützung der öffentlichen Gewässer vor, doch enthielt dieses Gesetz im Artikel II die Anordnung, daß die nach den früheren Gesetzen erworbenen Wasserbenützungs- oder sonstigen, auf Gewässer sich beziehenden Privatrechte aufrecht bleiben. Das auf einer Urkunde aus dem Jahre 1607 beruhende Wasserbenutzungsrechte am R-Bach wurde daher durch das Tiroler Landeswasserrechtsgesetz in seinem Bestand bestätigt, ohne daß es einer Bewilligung bedurfte; als nach den Tiroler Landeswasserrechtsgesetz bewilligungsfreie Wasserbenutzung wurde es vom § 125 Abs. 1 WRG 1934 und in der Folge vom § 142 Abs. 1 WRG 1959 erfaßt und unter der Voraussetzung seiner Anmeldung zur Eintragung im Wasserbuch aufrechterhalten. § 125 Abs. 1 WRG 1934 und § 142 Abs. 1 WRG 1959 sehen einen Fortbestand für "bereits bestehende Wasserbenutzungen" vor. Daraus ergibt sich, daß Wasserbenutzungen nur in der Art und Weise, wie sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 125 Abs. 1 WRG 1934 bzw. des § 142 Abs. 1 WRG 1959 ausgeübt wurden, von diesen Bestimmungen erfaßt sind; bei einer wesentlichen Änderung, insbesondere in den zur Wasserbenutzung dienenden Anlagen, kann nicht mehr von einer "bereits bestehenden Wasserbenutzung" im Sinne der angeführten Gesetzesbestimmungen gesprochen werden.

Wie der Beschwerdeführer selbst einräumt, wurde die Wasserbenutzung bereits seit einigen Jahren nicht mehr in der früheren, zur Eintragung in das Wasserbuch angemeldeten Form, sondern auf eine ganz andere Art und Weise ausgeübt. Schon aus diesem Grund lag zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides kein durch § 125 Abs. 1 WRG 1934 und § 142 Abs. 1 WRG 1959 aufrechterhaltenes älteres Recht vor, welches als rechtmäßig geübte Wassernutzung im Sinne des § 12 Abs. 2 WRG 1959 eine Parteistellung des Beschwerdeführers hätte begründen können.

Überdies wurde mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 13. Dezember 1988, Zlen 2-W 14/8-1988, und 2-W 13/5-1988, festgestellt, daß das in Rede stehende, als alter Bestand im Wasserbuch eingetragene Wasserbenutzungsrecht erloschen ist. Diese Bescheide sind vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Rechtskraft erwachsen; sie waren daher für die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung bindend. Die Feststellung des Erlöschens umfaßt das Wasserbenutzungsrecht zur Gänze. Ein Weiterbestand des Privatrechtstitels zur Nutzung des R-Baches scheidet aus.

Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den im Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992070153.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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