TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/23 92/05/0252

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Veröffentlicht am 23.02.1993
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13a;
AVG §42 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §96 Abs1 Z2;
BauO NÖ 1976 §99 Abs4;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Gritsch, über die Beschwerde

1) der RK, 2) des AK in W, 3) des WH, 4) der BF und 5) des AF in K, alle vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der NÖ LReg vom 10.8.1992, Zl. R/1-V-92006, betreffend eine Bauangelegenheit (mP: 1) G Baugesellschaft m.b.H. in M,

2) Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 30. Oktober 1991 wurde der erstmitbeteiligten Partei dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung von zwei Kleinwohnhäusern auf dem Grundstück Nr. 77/15, EZ 28 des Grundbuches über die Kat. Gem. X, erteilt.

Mit zwei getrennten Bescheiden des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde, jeweils datiert mit 19. Dezember 1991, wurden die gegen diesen Baubewilligungsbescheid gerichteten Berufungen der beschwerdeführenden Nachbarn gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 10. August 1992 wurden die gegen diese Berufungsbescheide gerichteten Vorstellungen der Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Wurde eine mündliche Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde oder auch durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung bekanntgemacht, so hat dies gemäß § 42 Abs. 1 AVG zur Folge, daß Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht wurden, keine Berücksichtigung finden und angenommen wird, daß die Beteiligten dem Parteiantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, zustimmen. Zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle erstreckt sich die im Abs. 1 bezeichnete Rechtsfolge im Falle einer nur durch Verständigung der Beteiligten anberaumten Verhandlung bloß auf die Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben.

Sämtliche Beschwerdeführer wurden zu der im Gegenstande für den 1. Oktober 1991 anberaumten Verhandlung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG geladen, wobei die Erstbis Drittbeschwerdeführer entsprechend dem Wortlaut der bei dieser Gelegenheit aufgenommenen Niederschrift lediglich erklärt haben, "mit dem Bauvorhaben nicht einverstanden" zu sein, "da sie dadurch eine Wertverminderung ihrer Liegenschaft befürchten". Die Viert- und Fünftbeschwerdeführer haben angesichts ihres bereits am 30. September 1991 bei der mitbeteiligten Gemeinde eingelangten, unter Bezugnahme auf die erwähnte Ladung verfaßten Schreibens während der Verhandlung keine weiteren Einwendungen erhoben (und es wurde ihnen entgegen dem Beschwerdevorbringen entsprechend der insoweit unwidersprochen gebliebenen Verhandlungsschrift vom Verhandlungsleiter auch nicht das Recht zur Erhebung späterer Einwendungen zugestanden), wobei sie in diesem Schreiben nicht behauptet haben, durch den geplanten Bau in ihren subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt zu werden, sondern im wesentlichen nur geltend gemacht haben, daß die Bewohner der geplanten Kleinhäuser durch die vom Betrieb der Viert- und Fünftbeschwerdeführer ausgehenden Emissionen beeinträchtigt werden könnten. Zu dieser schriftlichen Äußerung der Viert- und Fünftbeschwerdeführer wurde in der erwähnten Niederschrift über die Bauverhandlung "festgestellt, daß die angeführten Bedenken in den Mietvertrag aufgenommen werden. Die übrigen Einwände werden auf Grund fehlender sachlicher Argumente der NÖ Bauordnung zurückgewiesen".

Aus den aufgezeigten Umständen in Verbindung mit der wiedergegebenen Rechtslage ergibt sich, daß die Beschwerdeführer hinsichtlich ihres erst nach der Bauverhandlung erstatteten Vorbringens als präkludiert anzusehen sind, weshalb auch nicht untersucht zu werden braucht, inwieweit die Beschwerdeführer damit überhaupt die Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte im Sinne des § 118 Abs. 9 der NÖ Bauordnung 1976 geltend gemacht haben.

Zu der von den Erst- bis Drittbeschwerdeführern behaupteten Minderung des Wertes ihrer Liegenschaft ist zu bemerken, daß es sich dabei um eine privatrechtliche Einwendung im Sinne des § 99 Abs. 4 der NÖ Bauordnung 1976 handelt, welche im Sinne des § 118 Abs. 8 leg. cit. keine Parteistellung begründet. Auf die von den Viert- und Fünftbeschwerdeführern schriftlich erhobenen, bereits wiedergegebenen Einwendungen hatten die Baubehörden nicht meritorisch einzugehen, weil ein Betriebsinhaber gegen ein Bauvorhaben für ein Wohnhaus nicht mit Erfolg einwenden kann, die künftigen Bewohner hätten seinen Betrieb und die von ihm ausgehenden Immissionen hinzunehmen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 6. März 1984, Zl. 84/05/0021, BauSlg. Nr. 209).

In Erwiderung auf ein diesbezügliches Beschwerdevorbringen ist in diesem Zusammenhang noch festzuhalten, daß die Manuduktionspflicht nach § 13a AVG nicht so weit geht, daß eine Partei, die unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen gemäß § 42 Abs. 1 AVG zu einer mündlichen Verhandlung geladen worden ist, vom Verhandlungsleiter ausdrücklich zur Erhebung von Einwendungen und zu deren inhaltlicher Ausgestaltung angeleitet werden müßte (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1984, Zl. 84/07/0057, wiedergegeben bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., S. 178, E. Nr. 6a). Zu dem Vorwurf der Beschwerdeführer, der Verhandlungsleiter habe "die Einwendungen der Anrainer zum Teil überhaupt nicht beachtet oder - ohne Begründung - als unsachlich zurückgewiesen und nicht protokolliert", ist zu bemerken, daß die über die Bauverhandlung aufgenommene Niederschrift von den Beschwerdeführern persönlich unterfertigt worden ist und sie nicht einmal behauptet haben, während der abgeführten Verhandlung Einwendungen erhoben zu haben, denen im Sinne des § 118 Abs. 9 der NÖ Bauordnung Bedeutung zukommt.

Im Zusammenhang mit der von den Beschwerdeführern aufgegriffenen, während der Bauverhandlung festgelegten Änderung des Bauvorhabens ist auf die diesbezüglichen Ausführungen in der erwähnten Verhandlungsschrift zu verweisen, denenzufolge "in Abänderung vorliegenden Lageplanes festgelegt wird, daß der rückwärtige Parkplatz für zwei Pkw (zur Parzelle 77/14) nicht ausgeführt wird, dafür wird das Wohnhaus II auf den Mindestbauwich von 5,5 m situiert. Desgleichen entfällt der befestigte Zufahrtsweg zu diesem Parkplatz". Aus dem mit dem Genehmigungsvermerk der Baubehörde versehenen Plan ergibt sich ferner, daß der Abstand des Gebäudes "Stiege 2" zu der Liegenschaft der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers 5,70 m betragen soll. Den genannten Beschwerdeführern war daher schon bei der Bauverhandlung bekannt, daß der Bauwich gegenüber ihrer Liegenschaft mindestens 5,50 m betragen wird, weshalb sie noch während der Verhandlung Gelegenheit gehabt hätten, entsprechende Einwendungen zu erheben. Angesichts der damit - ohne Verletzung von Parteienrechten - eingetretenen Präklusion brauchte nicht mehr erörtert zu werden, ob durch das in Rede stehende Bauvorhaben überhaupt die aus der Sicht der genannten Beschwerdeführer wesentlichen Abstandsvorschriften verletzt werden.

Abschließend wird ungeachtet der vorstehenden Ausführungen über die Präklusion der Beschwerdeführer noch darauf hingewiesen, daß den Nachbarn aus den Vorschriften über den Schutz des Orts- und Landschaftsbildes ebensowenig ein subjektiv-öffentliches Recht erwächst wie aus den baurechtlichen Normen über das Erfordernis der Zustimmung des Grundeigentümers (vgl. die bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 2. Aufl., S. 208 ff., wiedergegebene hg. Judikatur).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den in der Beschwerde gestellten Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992050252.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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