TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/24 92/02/0313

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.02.1993
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §97 Abs5;
StVO 1960 §99 Abs4 liti;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 17. September 1992, Zl. MA 64-11/55/92/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm eine Verwaltungsstrafe verhängt und die Entrichtung eines Verfahrenskostenbeitrages vorgeschrieben wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1992, Zl. 92/02/0062, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis war ein Bescheid der belangten Behörde vom 8. Juli 1991 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden, mit dem dem Beschwerdeführer zur Last gelegt worden war, am 31. August 1989 zu einem näher genannten Zeitpunkt auf einer näher bezeichneten Straßenstelle im 5. Wiener Gemeindebezirk ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Motorfahrrad gelenkt und ein ihm von einem Sicherheitswachebeamten deutlich sichtbar gegebenes Haltezeichen nicht beachtet zu haben, indem er ohne anzuhalten weitergefahren sei. Dadurch habe er eine Übertretung nach § 99 Abs. 4 lit. i in Verbindung mit § 97 Abs. 5 StVO 1960 begangen. Über ihn wurde eine Geldstrafe von S 700,-- (42 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Der Grund für diese Aufhebung war, daß die belangte Behörde die Aufnahme des vom Beschwerdeführer angebotenen Entlastungsbeweises, die Einvernahme des Meldungslegers, unterlassen hat. Die Beweisaufnahme hätte nach der Intention des Beschwerdeführers dazu dienen sollen, sein mangelndes Verschulden im Sinne des letzten Satzes des § 5 Abs. 1 VStG darzutun; er hatte im Verwaltungsstrafverfahren geltend gemacht, das Haltezeichen des Meldungslegers nicht wahrgenommen zu haben.

Die belangte Behörde vernahm im fortgesetzten Verfahren den Meldungsleger (neuerlich) als Zeugen und gewährte dem Beschwerdeführer hiezu Parteiengehör.

Mit dem angefochtenen Bescheid erkannte sie den Beschwerdeführer abermals einer Übertretung nach § 99 Abs. 4 lit. i in Verbindung mit § 97 Abs. 5 StVO 1960 für schuldig. Abgesehen von rein sprachlichen Änderungen bei der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a Z. 1 VStG fügte sie zur Präzisierung des vom Beschwerdeführer nicht beachteten Haltezeichens die Wörter "mittels Armzeichen" ein; im übrigen entspricht der angefochtene Bescheid dem Vorbescheid vom 8. Juli 1991.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß sich der angefochtene Bescheid an zwei Stellen als Ersatzbescheid nach einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes bezeichnet, mit dem nicht der Vorbescheid der belangten Behörde, sondern ein Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Wien mit demselben Datum, betreffend eine Übertretung des Beschwerdeführers einer kraftfahrrechtlichen Bestimmung aufgehoben wurde. Dieser - vom Beschwerdeführer nicht gerügte - Umstand belastet den angefochtenen Bescheid aber nicht mit einer zu seiner Aufhebung führenden Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde hat - wie bereits ausgeführt - dem vom Verwaltungsgerichtshof zum Anlaß für die Aufhebung des Vorbescheides genommenen Umstand insofern Rechnung getragen, als sie den Meldungsleger durch die Erstbehörde im Sinne des § 66 Abs. 1 AVG als Zeugen einvernehmen ließ. Der Zeuge gab dabei an, daß er damals auf der Fahrbahn gestanden sei; der Beschwerdeführer sei direkt auf ihn zugefahren, daher meine er, daß der Beschwerdeführer sein Anhaltezeichen auf jeden Fall hätte bemerken müssen; der Beschwerdeführer sei schließlich zwei Meter neben ihm vorbeigefahren.

Der Beschwerdeführer ist dem im Verwaltungsstrafverfahren damit entgegengetreten, daß diese Angaben "sehr unpräzise" und überdies "in sich widersprüchlich" seien, weil einerseits behauptet werde, er sei direkt auf den Meldungsleger zugefahren, andererseits soll er zwei Meter neben dem Meldungsleger vorbeigefahren sein.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag den zuletzt genannten Widerspruch nicht zu erkennen. Der Meldungsleger, der nach seiner Aussage auf der Fahrbahn gestanden ist und - nach der Aktenlage - den Beschwerdeführer wegen Verletzung der Verpflichtung zum Tragen eines Sturzhelms anhalten wollte, konnte die Fahrtrichtung des sich nähernden Beschwerdeführers mit "direkt auf sich zu" bezeichnen, auch wenn der Beschwerdeführer dann nicht mit ihm kollidiert ist, sondern in verhältnismäßig knappem Abstand an ihm vorbeigefahren ist. Diese Aussage stimmt insofern mit den Angaben des Meldungslegers in seiner Anzeige überein. Für die belangte Behörde bestand keine Veranlassung, dieser Aussage keinen Glauben zu schenken. Sie hat damit in keineswegs unschlüssiger Weise (vgl. zur eingeschränkten Überprüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Ansehung der Beweiswürdigung der belangten Behörde im Verfahren über Bescheidbeschwerden die diesbezüglichen Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) den betreffenden Sachverhalt als erwiesen angenommen, zumal der Beschwerdeführer dem nur mit der Behauptung entgegengetreten ist, dies sei zu unpräzise. Diese Behauptung vermag jedenfalls die Schlüssigkeit der in Rede stehenden Sachverhaltsannahme nicht zu erschüttern. Wenn aber als erwiesen angenommen werden konnte, daß der Meldungsleger den Beschwerdeführer mit Armzeichen angehalten hat, weil er bei diesem eine Verletzung der Sturzhelmpflicht wahrgenommen habe, und der Beschwerdeführer an dem auf der Fahrbahn stehenden Meldungsleger im Abstand von 2 m vorbeigefahren ist, kann auch davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer das Haltezeichen zumindest bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte wahrnehmen können. Das Nichtbemerken eines auf der Fahrbahn stehenden Sicherheitswachebeamten, der mit gestrecktem Arm ein Haltezeichen gibt, an dem in der Folge bei unveränderter Fahrtrichtung vorbeigefahren wird, muß mangels entsprechender Ausführungen des Beschuldigten betreffend besondere Umstände, die seine Aufmerksamkeit in anderer Weise in Anspruch genommen hätten, als verschuldet qualifiziert werden. Der Schuldspruch erweist sich somit als rechtlich nicht verfehlt.

Die verhängte Geldstrafe beträgt S 700,--, somit 70 v.H. der Höchststrafe nach § 99 Abs. 4 lit. i StVO 1960 von S 1.000,--. Obgleich es sich bei der Strafbemessung um eine Ermessensentscheidung handelt, deren Rechtmäßigkeit vom Verwaltungsgerichtshof nur daraufhin zu prüfen ist, ob sie dem Sinn des Gesetzes entsprochen hat (Art. 130 Abs. 2 B-VG), hätte es der Dartuung bedurft, wieso die belangte Behörde die Strafe im oberen Bereich des Strafrahmens bemessen hat. Hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers ist sie nach der Begründung des angefochtenen Bescheides von unterdurchschnittlichem Einkommen, Vermögenslosigkeit und der Sorgepflicht für ein Kind ausgegangen. Als erschwerend führte sie nur an, daß dem Beschwerdeführer die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit nicht mehr zugute komme. Der Aktenlage nach handelt es sich bei den verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen des Beschwerdeführers um zwei Übertretungen von Vorschriften der StVO 1960 betreffend den ruhenden Verkehr (§ 24). Die Bemessung der Strafe mit S 700,-- erscheint dem Verwaltungsgerichtshof somit wesentlich zu hoch. Wenn er lediglich zwei Verstöße gegen Halte- und Parkverbote begangen hat, hätte in Verbindung mit den geschilderten angenommenen persönlichen Verhältnissen und dem Umstand, daß ihm die Begehung der gegenständlichen Verwaltungsübertretung nur in der Schuldform der Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann, die Strafe nicht mit 70 v.H. der Höchststrafe bemessen werden dürfen. Die Verhängung der Strafe und die damit im Zusammenhang stehende Vorschreibung eines Verfahrenskostenbeitrages war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Geldstrafe und Arreststrafe Persönliche Verhältnisse des Beschuldigten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992020313.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten