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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / Verordnung B-VG Art18 Abs2 StGG Art5 Verordnung der Vlbg LReg über die Einleitung eines Umlegungsverfahrens im Ortsteil "Negrellistraße-Alpstraße" der Marktgemeinde Lustenau vom 8.02.1989 betr bestimmter Grundparzellen Vlbg Landesverfassung Art11 Vlbg RaumplanungsG §36 Abs1 Vlbg RaumplanungsG §37Leitsatz
Gesetzmäßigkeit der Verordnung der Vlbg Landesregierung über die Einleitung eines Umlegungsverfahrens im Ortsteil "Negrellistraße - Alpstraße" der Marktgemeinde Lustenau vom 08.02.1989 betr bestimmter Grundparzellen im Hinblick auf §§36, 37 Vlbg RaumplanungsG; Vorliegen des Erfordernisses aller von einem Umlegungsverfahren betroffenen Grundstücke erforderlich; keine Verletzung des Eigentumsrechtes durch Einbeziehung eines bestimmten Grundstückes in das Umlegungsverfahren; keine Denkunmöglichkeit; keine WillkürSpruch
Die Beschwerdeführerinnen sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer generellen rechtswidrigen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Mit Verordnung vom 8. Februar 1989, kundgemacht im Amtsblatt für das Land Vorarlberg vom 18. Februar 1989, Nr. 7/1989, hat die Vorarlberger Landesregierung über Antrag von 73,74 v.H. der Grundeigentümer der Fläche nach und mit Zustimmung der Marktgemeinde Lustenau für den Ortsteil "Negrellistraße-Alpstraße" der Marktgemeinde Lustenau ein Umlegungsverfahren nach den Bestimmungen der §§36ff des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes, LGBl. 15/1973, eingeleitet. Am 4. April 1989 wurde der Umlegungsplan der Landesregierung gemäß §39 Raumplanungsgesetz vorgelegt und sodann gemäß §42 leg.cit. in der Zeit vom 24. April bis 24. Juni 1989 beim Marktgemeindeamt Lustenau zur Einsicht aufgelegt.
b) Mit Bescheid vom 12. Juni 1989 genehmigte die Vorarlberger Landesregierung den Umlegungsplan gemäß §43 Raumplanungsgesetz.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der drei Eigentümerinnen eines von der Umlegung umfaßten Grundstückes (Nr. 5855/2). Die Beschwerdeführerinnen beantragen, der Verfassungsgerichtshof wolle den bekämpften Bescheid wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (der Verordnung der Landesregierung vom 8. Februar 1989, auf welcher der angefochtene Bescheid beruhe), wegen Verstoßes gegen Art11 der Vorarlberger Landesverfassung und wegen Gleichheitswidrigkeit aufheben.
Ihre Bedenken gegen die Verordnung auf Einleitung des Umlegungsverfahrens vom 8. Februar 1989 begründen die Beschwerdeführerinnen im wesentlichen damit, die Voraussetzungen des §36 Raumplanungsgesetz für eine Einbeziehung in ein Umlegungsverfahren (erschwerte Bebaubarkeit) träfen nicht auf alle von der Verordnung erfaßten Grundstücke zu. Der Antrag auf Einleitung eines Umlegungsverfahrens sei nach §37 Abs1 Raumplanungsgesetz zulässig, wenn er von den Eigentümern mindestens der Hälfte der umzulegenden Grundflächen oder von der Gemeinde mit Zustimmung der Eigentümer von mindestens einem Drittel der umzulegenden Grundflächen gestellt werde. Demnach gestatte das Gesetz eine Majorisierung von 50 % bzw. sogar von 66,6 % der Grundeigentümer eines Gebietes, wenn die Neuordnung der Grundstücke im Interesse der anderen 50 % der Grundeigentümer oder im Interesse der Gemeinde zuzüglich 33,3 % der Eigentümer der Grundflächen gelegen sei. Im Falle einer Majorisierung habe im Hinblick auf das Zustandekommen der erforderlichen Mehrheit die Behörde bei jedem Grundstück zu untersuchen, ob dessen Bebauung verhindert oder wesentlich erschwert werde. Es gehe nicht an, daß die für die Zulässigkeit der Einleitung eines Umlegungsverfahrens erforderliche Mehrheit unter Einbeziehung von Grundstücken gebildet werde, hinsichtlich deren Lage, Form oder Größe - wie es hier der Fall sei - weder eine Verhinderung noch eine wesentliche Erschwernis der Bebauung vorliege. Würde die Behörde ohne Prüfung der Voraussetzungen einen solchen Antrag zulassen und ein Umlegungsverfahren einleiten, so würde sie hinsichtlich der mit der Umlegung nicht einverstandenen Minderheit entgegen der Bestimmung des §36 Abs1 Raumplanungsgesetz und entgegen Art11 der Landesverfassung in das Eigentum dieser Grundeigentümer eingreifen. Diese Normen könnten nicht dazu dienen, aus einer ohnehin schon gegebenen Bebaubarkeit gegen den Willen der Betroffenen eine noch bessere Gestaltung zu erzwingen. Da das gegenständliche Verfahren nur in verhältnismäßig geringfügiger Weise dazu beitrage, neue Bauplätze zu schaffen, könne nicht von einem überwiegenden öffentlichen Interesse im Sinne des Art11 der Landesverfassung gesprochen werden.
Der angefochtene Bescheid verstoße auch gegen das Gleichheitsgebot, weil die "Konfiguration der Grundstücke" zeige, daß der größte Teil der neugeordneten Grundstücke wieder nur mit Stichstraßen zu erschließen sei. Das den Beschwerdeführerinnen nunmehr zugewiesene Grundstück habe eine mittlere Dimension von 75 x 95 m. Ein solches Grundstück sei als Bauland nur dann nutzbar, wenn in Abständen von etwa 25 m weitere Erschließungsstraßen errichtet würden. Die belangte Behörde habe sich mit diesem Thema in keiner Weise auseinandergesetzt, habe damit willkürlich gehandelt und sei zu einem denkunmöglichen Ergebnis gelangt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1.a) Die hier maßgebliche Bestimmung des §36 Abs1 des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes, LGBl. 15/1973, auf welche sich die Verordnung der Landesregierung vom 8. Februar 1989 und der auf ihr beruhende, angefochtene Bescheid vornehmlich stützen, lautet:
"Wenn in einem Gebiet, für das ein Bebauungsplan besteht oder das als Baufläche im Sinne des §13 geeignet ist, die Bebauung von Grundstücken wegen ihrer Lage, Form oder Größe verhindert oder wesentlich erschwert wird, kann das Gebiet in der Weise neu geordnet werden, daß nach Lage, Form und Größe zweckmäßig gestaltete Baugrundstücke entstehen (Umlegung)."
Die Beschwerdeführerinnen gehen - wie sie im einzelnen in ihrer Beschwerde darlegen - von einem Verständnis des §36 Abs1 Vorarlberger Raumplanungsgesetz aus, nach welchem hinsichtlich jedes in ein Umlegungsverfahren einzubeziehenden Grundstückes untersucht werden muß, ob dessen Bebaubarkeit verhindert oder wesentlich erschwert ist und wonach nur solche Grundstücke vom Umlegungsverfahren erfaßt werden dürften, bei denen dies der Fall ist. Auf dieser Grundlage argumentieren die Beschwerdeführerinnen, daß diese Voraussetzung bei einer Reihe von der angefochtenen Verordnung umfaßter Grundstücke - isoliert betrachtet - nicht gegeben sei, weil die Grundstücke entweder bereits jetzt verkehrsmäßig erschlossen seien oder jedenfalls auf verschiedene Weise erschließbar wären und ihre Bebaubarkeit ohnedies gegeben wäre.
Weder der Wortlaut noch der Sinn des §36 Abs1 Raumplanungsgesetz rechtfertigen eine solche Auslegung. In dieser Bestimmung ist von der Neuordnung eines "Gebietes" (also einer Vielzahl von Grundstücken) die Rede, wenn in einem Gebiet die Bebauung "von Grundstücken" wegen ihrer Lage, Form oder Größe verhindert oder wesentlich erschwert wird. In einem solchen Fall kann "das Gebiet" neu geordnet werden. Schon aus diesen Formulierungen ("Wenn in einem Gebiet ... die Bebauung von Grundstücken ...") wird deutlich, daß der Gesetzgeber keineswegs verlangt, alle in dem Gebiet liegenden Grundstücke müßten wegen ihrer konkreten Lage, Form oder Größe gar nicht oder wesentlich erschwert bebaubar sein.
Diese sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes ergebende Auslegung - welche auch in Einklang mit den Materialien zum Raumplanungsgesetz (10. Beilage im Jahre 1972 zu den Sitzungsberichten des XXI. Vorarlberger Landtages) steht - erfährt ihre Bestätigung, wenn man §36 Abs1 Raumplanungsgesetz im Zusammenhang mit dessen §37 betrachtet. Dem Umstand, daß für die Neuordnung des Grundeigentums an einer größeren Anzahl miteinander in irgendeinem Zusammenhang stehender Parzellen es schon genügt, daß die Bebaubarkeit mancher dieser Grundstücke zumindest erheblich beeinträchtigt ist, wird durch das in §37 statuierte Zulassungserfordernis Rechnung getragen, wonach ein Antrag auf Durchführung eines Umlegungsverfahrens nur von den Eigentümern mindestens der Hälfte der umzulegenden Grundfläche oder von der Gemeinde mit Zustimmung der Eigentümer von mindestens einem Drittel der umzulegenden Grundfläche gestellt werden kann; auf diese Weise wird verhindert, daß bereits eine verschwindende Minderheit von Grundeigentümern die Neuordnung eines Gebietes bewirken kann. Zur Antragsbefugnis nach §37 leg.cit. ist festzuhalten, daß sie der Durchsetzung von Interessen dient, welche wahrzunehmen die Antragsteller berufen sind, sodaß die Bindung der Landesregierung an die Antragstellung verfassungsrechtlich nicht bedenklich ist (vgl. VfGH 3.10.1989 G55/89, V19/89).
Die oben dargelegte Auslegung des Gesetzes steht - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen - durchaus im Einklang mit der Vorschrift des Art11 Abs1 des Vorarlberger Landes-Verfassungsgesetzes, wonach Eingriffe in das Eigentum nur zulässig sind, soweit sie im überwiegenden öffentlichen Interesse erforderlich und gesetzlich vorgesehen sind. In den bereits zitierten Gesetzesmaterialien wird auf das Ziel der Umlegung hingewiesen, durch Zusammenlegung und Neuaufteilung von Grundstücken zweckmäßig gestaltete Bauplätze zu bilden. Aufgrund des immer knapper werdenden geeigneten Baulandes stelle die bestmögliche Nutzung des noch verfügbaren Baulandes ein wichtiges öffentliches Interesse dar, welches Eigentumseingriffe rechtfertige. Auf Grund der gemachten Erfahrungen komme es aber vor, daß an einer solchen Neuordnung in einem bestimmten Gebiet zwar der weitaus überwiegende Teil der Grundeigentümer interessiert ist, daß aber eine solche bessere Gestaltung des Baulandes an der Weigerung einzelner weniger Grundeigentümer scheitert. Diesen Hindernissen könne nur durch entsprechende Zwangsrechte begegnet werden, damit eine zweckmäßige Neueinteilung von Baugrundstücken auch gegen den Willen einzelner Grundeigentümer durchgeführt werden kann. Ähnliche Regelungen bestünden schon lange in den Ländern Oberösterreich und Wien und seit Februar 1972 auch in Tirol.
Der Verfassungsgerichtshof ist aufgrund dieser Motive des Gesetzgebers der Meinung, daß es verfassungsrechtlich zulässig ist (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Eigentumsbeschränkungen, zB VfSlg. 11402/1987 S. 696), auch ein - für sich allein zur Bebauung geeignetes - Grundstück in die Umlegung einzubeziehen, wenn dies zur Erreichung des mit der Umlegung angestrebten, im öffentlichen Interesse liegenden Zieles erforderlich ist.
b) Ihre Gleichheitsbedenken stützen die Beschwerdeführerinnen in erster Linie auf die ohnehin vorhandene oder ihrer Auffassung nach unschwer zu bewirkende verkehrsmäßige Erschließung etlicher in die Verordnung einbezogener Grundstücke. Die Lage von Grundstücken ist jedoch nur eines der in §36 Abs1 Vorarlberger Raumplanungsgesetz enthaltenen Kriterien, welche die Bebaubarkeit verhindern oder wesentlich erschweren können. In einem Bericht der Abteilung Raumplanung und Baurecht der Vorarlberger Landesregierung vom 26. Jänner 1989 wird - in Übereinstimmung mit den vorliegenden Planunterlagen - darauf hingewiesen, daß es sich bei den von der Umlegungsverordnung erfaßten Parzellen weitgehend um langgezogene Grundstücksstreifen handelt, die teilweise die für die Bebauung erforderliche Breite nicht aufweisen. Hinsichtlich des Grundstückes GP 5855/2 (jenem der Beschwerdeführerinnen, die als einzige der Einleitung des Umlegungsverfahrens nicht zugestimmt haben), welches eine Länge von etwa 240 m und eine Breite zwischen 29 und 34 m aufweise, wird festgestellt, daß dieses Grundstück nur über eine Stichstraße von etwa 220 m Länge erschließbar sei. Allein schon deswegen sei die Bebauung des Grundstückes wesentlich erschwert. Außerdem sei die Umlegung des gesamten Gebietes nur möglich, wenn auch die GP 5855/2 in die Umlegung miteinbezogen werde. Dadurch bestehe nämlich die Möglichkeit, eine wesentlich zweckmäßigere Bebauung zu erreichen, als es die jetzige Parzelleneinteilung zulasse.
Es zeigt sich also, daß - abgesehen von der Lage (verkehrsmäßige Erschließung) - bereits aufgrund der Form der Grundstücke eine gesetzliche Deckung für die Einbeziehung der Grundstücke in das Umlegungsverfahren nach §36 Abs1 Vorarlberger Raumplanungsgesetz vorhanden war. Wenn die Beschwerdeführerinnen in diesem Zusammenhang vermerken, daß auf den schon bebauten Nachbargrundstücken "vergleichbarer Form sogar Wohnblöcke in bemerkenswert Boden verbrauchender Weise (Schrägstellung) situiert" worden seien, dann beweisen sie damit lediglich, daß die betreffenden Bauwerber es verstanden haben, aus der Not eine Tugend zu machen, nicht aber, daß eine solche Form eines Grundstückes keine wesentliche Beeinträchtigung der Bebaubarkeit mit sich brächte.
2. Da somit keine Bedenken gegen die Verordnung auf Einleitung des Umlegungsverfahrens vom 8. Februar 1989 bestehen und die Auffassung der belangten Behörde, durch die Umlegung bestehe die Möglichkeit, für das gesamte von ihr umfaßte Gebiet eine zweckmäßigere Bebauung als die nach der jetzigen Parzelleneinteilung zulässige zu erreichen, weder denkunmöglich noch willkürlich (zustandegekommen) ist, wird die Beschwerde abgewiesen.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Bebauungsplan, Straßenverwaltung, Straßenverlaufsfestlegung, Bindung (der Landesregierung an Antragstellung), Umlegungsverfahren, Eigentumseingriff, Eigentumsbeschränkung, öffentliches InteresseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:B1014.1989Dokumentnummer
JFT_10099071_89B01014_00