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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §63 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des T in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. Oktober 1992, Zl. UVS-03/13/02528/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Übertretung kraftfahrrechtlicher Vorschriften, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In der Strafverfügung der Erstbehörde vom 1. Juli 1992 wurde dem Beschwerdeführer die Übertretung kraftfahrrechtlicher Vorschriften zur Last gelegt, weil er am 25. Mai 1992 um
8.20 Uhr an einem bestimmten Ort in Wien ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug abgestellt habe, obwohl an allen vier Rädern Spikesreifen montiert gewesen seien. Gegen die Strafverfügung erhob der Beschwerdeführer Einspruch und brachte (hinsichtlich zweier Verwaltungsstrafverfahren) vor, seiner Meinung nach sei das Abstellen eines Fahrzeuges mit Spikesbereifung nicht strafbar, weil es keine Verwendung von Spikesreifen darstelle. Weiters sei er (hinsichtlich des gegenständlichen Strafverfahrens) der Meinung, daß er nicht bestraft werden könne, da es sich um ein Dauerdelikt handle.
Hierauf erging das im wesentlichen der Strafverfügung entsprechende Straferkenntnis vom 28. August 1992. Die hiegegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers hatte folgenden Wortlaut: "Ich berufe gegen das Straferkenntnis und verweise auf meine Angaben im Einspruch."
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung infolge Fehlens eines begründeten Berufungsantrages (§ 63 Abs. 3 AVG) als unzulässig zurück.
Hiegegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Zutreffend geht die belangte Behörde davon aus, daß bei der Beurteilung der für ein zur meritorischen Behandlung geeignetes Rechtsmittel im Gesetz aufgestellten Voraussetzungen eine streng formalistische Auslegung nicht vorzunehmen ist. Gleichwohl muß aus der Berufung zumindest erkennbar sein, aus welchen - wenn auch vielleicht nicht stichhältigen - Gründen der angefochtene Bescheid bekämpft wird. Was § 63 Abs. 3 AVG will, ist, daß die Berufungsbehörde der Eingabe, mit der gegen die Entscheidung der Unterbehörde ein Rechtsmittel erhoben wird, entnehmen können soll, was mit dem Verfahrensschritt nach Absicht der Partei bezweckt wird (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 30. Jänner 1990, Zl. 88/18/0361).
Die belangte Behörde zitiert weiters das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1989, Zl. 89/07/0012, wonach der vom Gesetz geforderte Inhalt einer Berufung (begründeter Berufungsantrag) nicht durch einen bloßen Hinweis auf ein anderes, in den Akten befindliches Schriftstück substituiert werden kann, wenn aus diesem Schriftstück nicht ohne weiteres erkennbar ist, womit der Berufungswerber seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt.
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde war dem Einspruch des Beschwerdeführers, auf den er in seiner Berufung verwies, ohne weiteres zu entnehmen, aus welchen
- rechtlichen - Gründen er eine Bestrafung für ungerechtfertigt hielt. Der Hinweis auf diese rechtliche Argumentation (Auslegung des Begriffes "Verwendung", Dauerdelikt) genügte im Beschwerdefall für einen begründeten Berufungsantrag (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1984, Zl. 82/05/0114).
Soweit die belangte Behörde auch das hg. Erkenntnis vom 8. März 1989, Zl. 88/01/0341, zitiert, demzufolge der bloße Hinweis in der Berufung auf das bisherige Vorbringen der Partei im erstinstanzlichen Verfahren keinen begründeten Berufungsantrag darstelle, erübrigt es sich hierauf näher einzugehen, weil der Beschwerdeführer sich nicht auf einen allgemeinen Verweis auf bisheriges Vorbringen beschränkte, sondern jene Eingabe bezeichnete, aus der ohne weiteres erkennbar war, womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubte. Die maßgebliche "Erkennbarkeit" im Sinne der eingangs wiedergegebenen Rechtsprechung war somit im Beschwerdefall gegeben.
Der angefochtene Bescheid erweist sich demnach als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war, ohne daß eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen (betreffend das Zustandekommen der Berufung) nötig wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992020329.X00Im RIS seit
20.11.2000