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46 StatistikNorm
B-VG Art18 Abs2 BStatG Anhang Abschnitt I und II IndustriestatistikV, BGBl 1969/406 §4, §5Leitsatz
Ausreichende gesetzliche Deckung der in der IndustriestatistikV festgelegten Erhebungen in den Bestimmungen des Anhangs zum BStatG; kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Datenschutz; Erforderlichkeit der Angaben im Interesse des wirtschaftlichen Wohles des LandesSpruch
Die §§4 und 5 der Verordnung des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 4. November 1969, mit der statistische Erhebungen über den Stand und die Entwicklung der industriellen Gütererzeugung angeordnet werden, BGBl. Nr. 406/1969 in der Fassung der Verordnung des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 1. Feber 1977, BGBl. Nr. 58/1977, werden nicht als gesetzwidrig aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind mehrere Verfahren über Beschwerden gegen Bescheide des Landeshauptmanns von Salzburg anhängig, mit denen über den Beschwerdeführer (als verantwortlichen Leiter eines Industriebetriebes) wegen Verletzung der ihm gem. §8 Abs1 des Bundesstatistikgesetzes 1965, BGBl. 91/1965 (im folgenden: BStatG) in Verbindung mit Vorschriften der Verordnung des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 4. November 1969, mit der statistische Erhebungen über den Stand und die Entwicklung der industriellen Gütererzeugung angeordnet werden, BGBl. 406/1969 idF BGBl. 58/1977 (im folgenden: IndustriestatistikV) obliegenden Auskunftspflichten bei den Meldungen für die Industriestatistik gem. §11 Z1 BStatG Verwaltungsstrafen verhängt wurden.
2. Bei der Prüfung der angefochtenen Bescheide entstanden beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Worte "Natürliche und" in §8 Abs1 BStatG (durch die bestimmten natürlichen Personen die Verpflichtung auferlegt wird, über die bei statistischen Erhebungen gestellten Fragen rechtzeitig, vollständig und wahrheitsgetreu Auskünfte zu erteilen) und hinsichtlich bestimmter Ziffern und Punkte des I. und II. Abschnittes des Anhangs zum BStatG (mit dem der zulässige Umfang statistischer Erhebungen, die der zuständige Bundesminister anzuordnen ermächtigt ist, umschrieben wird).
In seiner Entscheidung vom 30. November 1989,
G245-250, 268-275/89 hat der Verfassungsgerichtshof die in Prüfung genommenen Worte "Natürliche und" in §8 Abs1 BStatG als verfassungswidrig aufgehoben, hinsichtlich der in Prüfung genommenen Ziffern und Punkte der Abschnitte I und II des Anhangs zum BStatG jedoch ausgesprochen, daß diese nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.
3. a) Aus Anlaß der Prüfung der in Pkt. I/1 genannten Bescheide hat der Verfassungsgerichtshof aber auch die Einleitung von Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der §§4 und 5 der IndustriestatistikV beschlossen, durch die der Inhalt der zu erstattenden Meldungen umschrieben wird. Er hatte das Bedenken, daß diese Bestimmungen einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehren.
b) Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten beantragte in einer (unter Pkt. IV/3 wiedergegebenen) Äußerung, die in Prüfung gezogenen Bestimmungen der §§4 und 5 der IndustriestatistikV nicht als gesetzwidrig aufzuheben.
II. Die in Prüfung genommenen Bestimmungen der IndustriestatistikV stehen in folgendem normativen Zusammenhang:
1. Die Bundesstatistik umfaßt statistische Erhebungen und sonstige statistische Arbeiten, die über die Interessen eines einzelnen Landes hinausgehen und die für die Bundesverwaltung von Bedeutung sind (§1 BStatG). Sie obliegt (gem. §4 BStatG) dem Österreichischen Statistischen Zentralamt.
Statistische Erhebungen, die der Mitwirkung der Bevölkerung bedürfen, werden durch Bundesgesetze angeordnet (vgl. §2 Abs1 BStatG); die zuständigen Bundesminister sind jedoch ermächtigt, die in einem Anhang angeführten statistischen Erhebungen durch Verordnung anzuordnen. Dieser Anhang lautet auszugsweise:
"I.
Erhebungsgegenstände:
A. In allen Wirtschaftbereichen Erhebungen über
1.
die Arbeitskräfte;
2.
die Löhne, Gehälter, Verdienste, Arbeitsstunden;
3.
die Preise;
4.
weitere statistische Unterlagen für die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung; ...
B. Ferner Erhebungen über
...
7.
den Stand, die Entwicklung und die Grundlagen der Energiewirtschaft, insbesondere aber die Energieträger jeder Art;
8.
die Wasserversorgung und das Abwasserwesen;
9.
den Stand, die Entwicklung und die Grundlagen der industriellen und gewerblichen Gütererzeugung;...
II.
Erhebungsmerkmale
Die Erhebung über die unter I. angeführten Erhebungsgegenstände können sich unter Beibehaltung der verwendeten Reihenfolge auf nachstehend angeführte Merkmale erstrecken.
Zu 1.:
a)
Bei den selbständig, mithelfend oder unselbständig erwerbstätigen Personen: Geschlecht, Alter, Familienstand, Verwandtschaftsverhältnis zum Dienstgeber, Staatsbürgerschaft, erlernter Beruf, ausgeübter Beruf (Beschäftigung), Stellung im Betrieb, berufliche Qualifikation (Ausbildungsgrad), in Beschäftigung stehend, Lehrstelle suchend, arbeitslos, Verteilung auf die Wirtschafts- und Berufszweige;
b)
bei den nicht in Beschäftigung stehenden Personen: Geschlecht, Alter, Familienstand, Religionsbekenntnis, Staatsbürgerschaft, erlernter Beruf, zuletzt ausgeübter Beruf (Beschäftigung), Stellung im zuletzt ausgeübten Beruf (Beschäftigung), Wirtschafts- und Berufszweige der letzten Beschäftigung.
Zu 2.:
Alle Lohnbestandteile und Sonderzahlungen, die im Hinblick auf den Bestand eines Dienstverhältnisses gesetzlich vorgeschriebenen Steuern und Beiträge, geleistete und bezahlte Arbeitsstunden.
Zu 3.:
Die Preise der Sachgüter und Dienstleistungen in den einzelnen Stadien des volkswirtschaftlichen Kreislaufes (Produktion, Handel und Verbrauch).
Zu 4.:
Personalaufwand, gesetzliche und freiwillige Sozialleistungen sowie sonstige Kostenfaktoren je Betrieb (Kostenstruktur); Wert und Gliederung der Investitionen nach Art der Investitionsgüter; Lagerbestand an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, an Halbfabrikaten und Fertigfabrikaten; Verbindlichkeiten, kurzfristige Forderungen und Finanzanlagen.
...
Zu 7.:
a)
Art, Menge und Wert der erzeugten, abgegebenen, bezogenen, gespeicherten, fortgeleiteten, eingeführten, ausgeführten, umgewandelten, verbrauchten oder sonstiger Verwendung zugeführter Energie;
b)
Art, Menge und Wert der geförderten, gelagerten, fortbewegten oder auf eine anderweitig gemäß lita genannte Weise beschafften, behandelten oder verwendeten Energieträger;
c)
Umfang, Beschaffenheit und Betriebsweise der Anlagen zur Umwandlung von Energie in andere Energie oder von Energieträgern in andere Energieträger sowie der Energieversorgungsunternehmungen und der Anlagen zur Erzeugung von Energie für den eigenen Bedarf.
Zu 8.:
Art, Herkunft, Menge, Güte und Verwendungszweck des gewonnenen und abgegebenen Wassers; Art, Größe, Leistung, Einrichtung und Neuwert der Wasserversorgungsanlagen; Art und Anzahl der Wasserverbraucher und der Anschlüsse; Herkunft, Menge und Zusammensetzung des angefallenen und abgeführten Abwassers; Art, Umfang, Leistungsfähigkeit, Einrichtung und Neuwert der Kanalisations- und Abwasserreinigungsanlagen, Anzahl der Anschlüsse; Art der Einleitung und der Vorflut.
Zu 9.:
Art, Menge und Wert (Brutto- und Nettowert) der Erzeugung: Art, Menge und Wert (Brutto- und Nettowert) des Verbrauches an Roh-, Hilfsstoffen und Halbfabrikaten sowie an Brennstoffen, Verbrauch an Energie; Bestand an Maschinen oder sonstigen Betriebseinrichtungen; Wert des Lagerbestandes an Fertigerzeugnissen; Auftragsbestände und Auftragseingänge; Ausnützung der Kapazität der Betriebe; ..."
2. Mit der IndustriestatistikV wurde angeordnet, daß für das gesamte Bundesgebiet laufend Erhebungen im Bereich der Industrie (Industriestatistik) durchzuführen sind (§1); mit der Durchführung der Erhebungen ist das Österreichische Statistische Zentralamt betraut (§6). Gemäß §2 Abs1 der Verordnung umfaßt die Industriestatistik alle der Sektion Industrie der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft angehörenden Betriebe (mit Ausnahme jener des Fachverbands der Sägeindustrie und des Fachverbands der Bauindustrie), die mit der Erzeugung, Reparatur, Montage oder Instandhaltung von Sachgütern befaßt sind oder Dienstleistungen erbringen, sowie all jene Betriebe, die ohne Mitglied einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft zu sein, eine Tätigkeit ausüben, die einer von im §2 Abs1 selbst genannten 34 Wirtschaftsklassen zuzuordnen ist.
Die §§4 und 5 der IndustriestatistikV (§4 sowie §5 lita und b stehen in der Stammfassung, §5 litc in der Fassung der Novelle BGBl. 58/1977 in Geltung) enthalten Vorschriften über den Inhalt der zu erstattenden Meldungen. Diese Bestimmungen, die insgesamt in Prüfung stehen, lauten:
"§4. Die Industriestatistik wird geführt:
a) als monatliche Erhebung über Art, Menge und Wert der Erzeugungs-, Reparatur-, Montage-, Instandhaltungsarbeiten, Dienstleistungen und Verbrauch an Brennstoffen und Energie;
b) als monatliche Erhebung über Beschäftigte, bezahlte und geleistete Arbeitsstunden der Arbeiter, Löhne und Gehälter;
c) als jährliche Erhebung über Umsätze, Betriebsausgaben, Lagerveränderungen, Art, Menge und Wert des Verbrauches an Roh- und Hilfsstoffen sowie Halbfabrikaten, Bestand an Kraftfahrzeugen und Anhängern, Investitionen und Abschreibungen.
§5. Bei diesen Erhebungen sind festzustellen:
a) bei der monatlichen Produktionserhebung (§4 lita):
Name und Standort des Betriebes;
Unternehmenszugehörigkeit;
Menge und Wert der Erzeugung von bestimmten, in den Meldevordrucken angeführten Produkten, der Reparatur-, Montage- oder Instandhaltungsarbeiten und der Dienstleistungen;
Menge und Wert des Verbrauches (Einsatzes) von bestimmten, in den Meldevordrucken angeführten Brennstoffen und anderen Energieträgern;
b) bei der monatlichen Beschäftigtenerhebung (§4 litb):
Name und Standort des Betriebes;
Unternehmenszugehörigkeit;
Stand der unselbständig Beschäftigten, der Heimarbeiter und der Lehrlinge, getrennt nach In- und Ausländern, Geschlecht und Stellung im Betrieb;
Löhne (Brutto- und Nettolöhne) und Gehälter (Brutto- und Nettogehälter);
bezahlte und geleistete Arbeitsstunden der Arbeiter und gewerblichen Lehrlinge;
c) bei der jährlichen Erhebung (§4 litc):
Name und Standort des Betriebes;
Name, Standort und Rechtsform des zugehörigen Unternehmens;
gesetzliche Interessenvertretung;
Stand der Beschäftigten einschließlich der mittätigen Betriebsinhaber, der Heimarbeiter und der Lehrlinge, getrennt nach Geschlecht und Stellung im Betrieb zum Ende des Berichtsjahres;
Erlöse und Erträge (Jahresumsatz), gegliedert nach:
1.
Erlösen aus Waren eigener Erzeugung und Leistungen,
2.
Handelswarenerlösen,
3.
Erlösen aus durchgeführten Reparaturen, Montagen und Instandhaltungsarbeiten,
4.
Erlösen aus durchgeführten Lohnarbeiten,
5.
Erträgen aus der Aktivierung von Eigenleistungen,
6.
Erträgen aus dem Verkauf von gebrauchten Anlagegütern (auch Grundstücke und Gebäude)
7.
sonstigen Erträgen (Zinsen- und Skontiererträge, Beteiligungserträge usw.);
Betriebsaufwand, gegliedert nach:
1.
Personalaufwand, eingeschlossen Sozialleistungen,
2.
Einsatz von Brenn- und Treibstoffen in festem, flüssigem oder gasförmigem Zustand sowie von elektrischer Energie,
3.
Einsatz von Roh-, Hilfsstoffen und Halbfabrikaten,
4.
Aufwand für vergebene Reparaturen und betriebsfremde Arbeitskräfte,
5.
Aufwand für vergebene Lohnarbeiten,
6.
Zinsen für Fremdkapital,
7.
Bezug von Handelswaren,
8.
Mieten,
9.
Ausgangsfrachten,
10.
sonstigem Betriebsaufwand;
Lagerbestand zum Ende des Vorjahres und zum Ende des Berichtsjahres, gegliedert nach Brennstoffen, Treibstoffen, Roh-, Hilfsstoffen und Halbfabrikaten, Handelswaren, in Herstellung befindlicher Erzeugnissen und Fertigerzeugnissen aus eigener Produktion;
Menge und Wert des Verbrauches (Einsatzes) an bestimmten, in den Meldevordrucken angeführten Roh- und Hilfsstoffen sowie Halbfabrikaten;
Bestand an Kraftfahrzeugen und Anhängern zum Ende des Berichtsjahres, gegliedert nach Fahrzeugarten und Nutzlast der Lastkraftwagen und Anhänger;
Wert und Gliederung der Investitionen;
Wert und Gliederung der normalen und vorzeitigen Abschreibungen;
Umsatzsteuer, absetzbare Vorsteuern, Selbstverbrauchssteuer (Investitionssteuer);
Einrichtungen zur Abwasserbeseitigung;
Lagereinrichtungen für flüssige und gasförmige Brenn- und Treibstoffe."
III. Der Verfassungsgerichtshof nahm in den diese Verordnungsprüfungsverfahren einleitenden Beschlüssen an, daß der Behandlung der Beschwerden Prozeßhindernisse nicht entgegenstehen und daß die in Prüfung genommenen Bestimmungen der IndustriestatistikV präjudiziell sind. Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was diesen Annahmen entgegenstünde. Die Verordnungsprüfungsverfahren sind daher zulässig.
IV. In der Sache hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:
1. a) Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, die ihn zur Einleitung der Verordnungsprüfungsverfahren bewogen, gingen dahin, daß die §§4 und 5 der IndustriestatistikV einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehren: Der Gerichtshof nahm an, daß diese Bestimmungen ihre gesetzliche Grundlage in den im Gesetzesprüfungsverfahren in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Anhangs zum BStatG haben und sich nur auf diese Bestimmung stützen können. Für den Fall der Aufhebung dieser gesetzlichen Grundlagen hätten die Bestimmungen der IndustriestatistikV daher anscheinend keine gesetzliche Basis, was ihre Gesetzwidrikeit zur Folge hätte. Für den Fall, daß sich im Gesetzesprüfungsverfahren aber ergeben sollte, daß die Bestimmungen des Anhangs zum BStatG nicht mit Verfassungswidrigkeit belastet sind, hat der Verfassungsgerichtshof das Bedenken geäußert, daß die Bestimmungen der §§4 und 5 der IndustriestatistikV zu statistischen Erhebungen in einer über die gesetzliche Ermächtigung hinausgehenden Weise ermächtigen.
b) Im bereits erwähnten Erkenntnis vom 30. November 1989 hat der Verfassungsgerichtshof erkannt, daß die in Prüfung genommenen Teile des Anhangs zum BStatG den Verordnungsgeber hinsichtlich der Erhebungsgegenstände und der Erhebungsmerkmale zur Anordnung von statistischen Erhebungen ermächtigen, die nicht nur im Interesse des wirtschaftlichen Wohles des Landes liegen, sondern auch als in einer demokratischen Gesellschaft für das wirtschaftliche Wohl des Landes notwendig anzusehen sind. Da sich damit die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, daß die in Prüfung genommenen Bestimmungen des Anhangs zum BStatG zu im Hinblick auf das Grundrecht auf Datenschutz zuweit gehenden Erhebungen ermächtigen, nicht als zutreffend erwiesen, hat der Verfassungsgerichtshof im genannten Erkenntnis diese Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Der Gerichtshof hat aber ausgeführt:
"Freilich ermächtigen die in Prüfung stehenden Bestimmungen nicht zur Anordnung von Erhebungen jedweder Art; der die Erhebung konkret anordnende Bundesminister hat bei Ausführung der gesetzlichen Ermächtigung auch zu beachten, daß nur solche Erhebungen vorgeschrieben werden dürfen, die im Sinne des Gesagten für das wirtschaftliche Wohl des Landes notwendig sind. Eine gesetzeskonforme Anordnung statistischer Erhebungen durch den zuständigen Bundesminister verletzt den durch das Grundrecht auf Datenschutz gesetzten Rahmen aber nicht. Es ist der Bundesregierung beizupflichten, wenn sie meint, daß allenfalls über diesen Rahmen hinausgehende Erhebungsanordnungen rechtswidrig wären, diese Rechtswidrigkeit aber nicht der Umschreibung im Anhang zum BStatG, sondern allenfalls einer Überschreitung der gesetzlichen Ermächtigung durch das die Erhebung anordnende Verwaltungsorgan anzulasten wäre."
c) Angesichts dessen hat der Verfassungsgerichtshof in diesen Verfahren (nur mehr) zu prüfen, ob die §§4 und 5 IndustriestatistikV die gesetzliche Ermächtigung überschreiten, in concreto also in den oben wiedergegebenen (vgl. Pkt. II/1) Bestimmungen des Anhangs zum BStatG Deckung finden.
2. In der Äußerung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten wird dazu auf eine gemeinsam mit dem statistischen Zentralamt erarbeitete Synopsis und deren Erläuterungen verwiesen, "in welcher jedes einzelne Erhebungsmerkmal der §§4 und 5 der Industriestatistikverordnung dem dieses begründenden Merkmal des Anhangs des Bundesstatistikgesetzes 1965 zugeordnet und die vorgenommene Zuordnung erläutert wird.
Aus der ... Zuordnung ergibt sich nach Ansicht des BMwA zweifelsfrei und lückenlos, daß die §§4 und 5 der Industriestatistikverordnung zu keinen über die gesetzliche Ermächtigung des Bundesstatistikgesetzes 1965 hinausgehenden Erhebungen ermächtigt, für die es weder vor noch nach dem den §8 Abs1 und die Zif. 3, 4 und 9 des I. Abschnittes sowie die Punkte zu 3., zu 4. und zu 9. des II. Abschnittes des Anhanges zum Bundesstatistikgesetz 1965 betreffenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30.11.1989 einer gesetzlichen Deckung ermangelt."
In der in dieser Äußerung bezogenen Beilage wird ausgeführt:
"Industriestatistik-Verordnung Bundesstatistikgesetz
1965 (Anhang)
a) §4 lita (monatliche Produktionserhebung)
Art, Menge und Wert der Erzeugung II/zu 9
Reparatur-, Montage-, Instandhaltungs-
arbeiten II/zu 9 1)
Dienstleistungen II/zu 3 2)
Verbrauch an Brennstoffen und Energie II/zu 9
b) §4 litb (monatliche Beschäftigtenerhebung)
Beschäftigte, bezahlte und geleistete
Arbeitsstunden der Arbeiter,
Löhne und Gehälter I/A/1+2
c) §4 litc (jährliche Erhebung)
Umsätze II/zu 9 3)
Betriebsausgaben II/zu 4
Lagerveränderungen II/zu 9 4)
Art, Menge und Wert des Verbrauches an
Roh- und Hilfsstoffen sowie
Halbfabrikaten II/zu 9
Bestand an Kraftfahrzeugen und
Anhängern II/zu 9 5)
Investitionen und Abschreibungen II/zu 4
a) §5 lita (monatliche Produktionserhebung)
Name und Standort des Betriebes, Unter-
nehmenszugehörigkeit 6)
Menge und Wert der Erzeugung von
bestimmten Produkten II/zu 9
Menge und Wert der Reparatur-, Montage-
oder Instandhaltungsarbeiten II/zu 9 1)
Menge und Wert der Dienstleistungen II/zu 3 2)
Menge und Wert des Verbrauches (Ein-
satzes) von bestimmten Brennstoffen
und anderen Energieträgern II/zu 9
b) §5 litb (monatliche Beschäftigten-
erhebung)
Stand der unselbständig Beschäftigten,
der Heimarbeiter und der Lehrlinge, ge-
trennt nach In- und Ausländern, Ge-
schlecht und Stellung im Betrieb II/zu 1
Löhne und Gehälter II/zu 2
bezahlte und geleistete Arbeitsstunden
der Arbeiter und gewerblichen Lehrlinge II/zu 2
c) §5 litc (jährliche Erhebung)
Name und Standort des Betriebes, Unter-
nehmenszugehörigkeit, gesetzl. Interessen-
vertretung 6)
Stand der Beschäftigten einschließlich
der mittätigen Betriebsinhaber, der
Heimarbeiter und der Lehrlinge, getrennt
nach Geschlecht und Stellung im Betrieb II/zu 1
Erlöse und Erträge (Jahresumsatz),
gegliedert nach ..... II/zu 9 3)
Betriebsaufwand, gegliedert nach .... II/zu 4
Lagerbestand II/zu 9
Verbrauch an Roh- und Hilfsstoffen sowie
Halbfabrikaten II/zu 9
Bestand an Kraftfahrzeugen und Anhängern,
gegliedert nach Fahrzeugarten und Nutz-
last der Lastkraftwagen und Anhänger II/zu 9 5)
Wert und Gliederung der Investitionen II/zu 4
Wert und Gliederung der Abschreibung II/zu 4
Umsatzsteuer, absetzbare Vorsteuern,
Selbstverbrauchssteuer II/zu 9 7)
Einrichtung zur Abwasserbeseitigung II/zu 8
Lagereinrichtungen für flüssige und gas-
förmige Brenn- und Treibstoffe II/zu 9 8)
Erläuterungen:
1)
Der Begriff 'Erzeugung' umfaßt heutzutage alle Tätigkeiten, die in einem Industriebetrieb anfallen und mit der Produktionstätigkeit unmittelbar oder mittelbar zusammenhängen, wie Montage, Instandhaltungs- und auch Reparaturarbeiten, da modernes Marketing beim Absatz eines Produktes häufig auch die Wartung als zusätzliche Serviceleistung miteinschließt, um die Qualität des Erzeugnisses auf einem gewissen Stand zu erhalten.
2)
Dienstleistungen im Produktionsbereich werden auch bei der Preiserhebung herangezogen.
3)
Der Umsatz entspricht dem Bruttowertbegriff, ist aber auch als statistische Unterlage für die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung von Bedeutung.
4)
Die Lagerveränderungen ergeben sich aus dem Vergleich der Lagerbestände.
5)
Kraftfahrzeuge und Anhänger sind sonstige Betriebseinrichtungen.
6)
Hier handelt es sich um Identifikationsmerkmale, die für den postalischen Verkehr, für die Evidenzhaltung der Erfüllung der Meldepflicht, für Korrekturverfahren (Rücksprachen mit den Betrieben) etc. notwendig sind; vor der ADV-mäßigen Weiterverarbeitung (technischen Datenerfassung) wird der Abtrennkopf, auf welchem die Identifikationsmerkmale enthalten sind, abgetrennt und dadurch die Anonymität gewährleistet. Die Erhebung der gesetzlichen Interessenvertretung ergibt sich aus dem Handelskammergesetz 1946 (BGBl. 182/1946) und dient dem ÖStZ dazu, die für den zuständigen Fachverband bzw. die zuständige Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft bestimmten Durchschläge des Fragebogens an diese Institutionen weiterzuleiten. Darüberhinaus ist diese Erhebung für die branchenorientierte Aggregierung der Daten notwendig.
7)
Die Erhebung der Umsatzsteuer etc. ergibt sich aus den Klammerausdrücken 'Brutto- und Nettowert'.
8) Lagereinrichtungen sind sonstige Betriebseinrichtungen."
3. Über Anfrage des Verfassungsgerichtshofs erläuterte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten in einer ergänzenden Stellungnahme die Notwendigkeit, Rechtfertigung und gesetzliche Deckung der Aufgliederung der Punkte "Erlöse und Erträge" und "Betriebsaufwand" in §5 litc IndustriestatistikV:
Die einzelnen Erlös- bzw. Ertragspositionen fänden in den Bestimmungen des Anhangs Deckung; dabei wird hinsichtlich der Punkte 1 bis 5 der Untergliederung insb. auf den Punkt "zu 9." in Abschnitt II des Anhangs, hinsichlich der Punkte 6 und 7 der Untergliederung auf Punkt "zu 4." des Abschnitts II des Anhangs verwiesen. Die gesetzliche Deckung für die Einzelpositionen des Betriebsaufwands finde sich in Punkt "zu 4." des Abschnitts II des Anhangs des BStatG, in dem "neben dem Personalaufwand sowie den gesetzlichen und freiwilligen Sozialleistungen die sonstigen Kostenfaktoren je Betrieb (Kostenstruktur) angeführt sind."
Durch diese Aufgliederung werde es dem Zensiten ermöglicht, die einzelnen in der Verordnung angeführten Erlös- bzw. Ertragspositionen relativ einfach aus seinen Betriebsaufzeichnungen (Kontenrahmen) zu entnehmen; für Zwecke der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung müßten aus den Ergebnissen der Erhebung die relevanten Daten entwickelt werden, was ohne die vorgesehene Aufgliederung nicht möglich sei. Im einzelnen wird dazu ausgeführt:
"Die Notwendigkeit der Aufgliederung der Punkte 'Erlöse und Erträge' bzw. 'Betriebsaufwand' ist im Hauptverwendungszweck der wirtschaftsstatistischen Erhebungen, nämlich der Erstellung von Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, welche sich an den wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen und den internationalen Standards (UN/OECD/IMF, künftig auch EG) zu orientieren hat, zu sehen.
Um die Einkommensentstehung aus dem Produktionsprozeß darstellen zu können, ist die Ermittlung des Brutto-Produktionswertes (d.i. die Summe aller in einer Berichtsperiode erbrachten Leistungen) eines Betriebes sowie die für die Erbringung dieser Produktion eingesetzten Waren und Diestleistungen (sogen. Vorleistungen) notwendig. Beide Begriffe kommen als solche im betrieblichen Rechnungswesen nicht vor. Zur Ermittlung dieser Daten muß sich daher die Primärstatistik jener Begriffe bedienen (Erlöse und Erträge; Betriebsaufwand), die im betrieblichen Rechnungswesen vorgegeben sind, wodurch dem Respondenten die Beantwortung der gestellten Fragen wesentlich erleichtert bzw. überhaupt erst ermöglicht wird.
Auf der Brutto-Produktionsseite stellen die Untergliederungen (lagerbereinigter Umsatz aus Waren eigener Erzeugung und Leistungen, welche auch die Lieferungen zwischen Betrieben eines Unternehmens umfassen; Handelswarentätigkeit, Lohnarbeit etc.) Minimalgliederungen dar, die für bestimmte Darstellungserfordernisse innerhalb der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (insbes. der Input-Output-Statistik) unverzichtbar sind.
Wesentlich ist ebenfalls die Identifizierung jener Komponenten des Umsatzbegriffes, die nicht als Produktion des Betriebes zu klassifizieren sind (Erlöse aus dem Verkauf gebrauchter Anlagen; sonstige Erträge) bzw. jener Komponenten des Ertragsbegriffes, die als Produktion einzubeziehen sind (Erträge aus der Aktivierung von Eigenleistungen).
Analoges gilt auch für eine Mindestuntergliederung des Betriebsaufwandes, die erst die Ermittlung der Vorleistungen ermöglicht. Hier ist insbesondere auf jene Komponenten hinzuweisen, die in Verbindung mit bestimmten Erlöskomponenten und Lagerbestandsinformationen die Umrechnung von Umsatz-(Erlös-)daten in Produktionsdaten erlauben. Beispielsweise sind nicht die Handelswarenerlöse, sondern nur die Spanne aus der Handelswarentätigkeit Produktion des Betriebes. Zur Ermittlung dieser Handelsspanne, die als solche in den betrieblichen Buchhaltungsunterlagen nicht aufscheint, sind die Fragen nach den Handelswarenerlösen, den Handelswarenbezügen sowie den Bestand an Handelswaren zu Beginn und am Ende des Berichtszeitraumes Voraussetzung.
Eine wesentliche Darstellungsnotwendigkeit der Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist weiters die sogenannte Realrechnung, in der die Transaktionen (Brutto-Produktionswert, Vorleistungen) der verschiedenen Jahre auch zu konstanten Preisen eines bestimmten Preisbasisjahres bewertet werden müssen. Üblicherweise geschieht dies durch 'Deflationieren'. Für die sinnvolle Auswahl und Anwendung der verschiedenen Preisindizes zur Ermittlung der Realdaten ist ein Mindestmaß an Detaillierung des Brutto-Produktionswertes bzw. der Vorleistungen (welche Waren und Dienstleistungen wurden erzeugt und welche im Produktionsprozeß dafür eingesetzt) unbedingt notwendig."
4. Die Ausführungen des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten sind geeignet, die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zu zerstreuen:
Die oben in extenso wiedergegebene zuordnende Auflistung der in den §§4 und 5 IndustriestatistikV vorgesehenen Erhebungspunkte weist zutreffend für jeden einzelnen Erhebungspunkt auf die ermächtigende Bestimmung des Anhangs zum BStatG hin, und die ergänzende Stellungnahme präzisiert dies für die Erhebungspunkte "Erlöse und Erträge" und "Betriebsaufwand". Ergänzend dazu ist auch auf die Ermächtigung in Punkt "zu 7." im Abschnitt II des Anhangs zu verweisen.
Die in den §§4 und 5 der IndustriestatistikV festgelegten Erhebungen finden in diesen Bestimmungen des Anhangs zum BStatG eine ausreichende gesetzliche Deckung. Auch im Lichte des Grundrechts auf Datenschutz interpretiert ermächtigen nämlich diese Bestimmungen den Verordnungsgeber zu den getroffenen Anordnungen:
Die relativ weitgehende Detaillierung verlangt zwar entsprechende Vorkehrungen zur Geheimhaltung und zur Aggregation der Daten vor ihrer Veröffentlichung (vgl. dazu das mehrfach zitierte, im Gesetzesprüfungsverfahren ergangene Erk. des VfGH vom 30.11.1989); die im Lichte des Grundrechts auf Datenschutz zu interpretierende gesetzliche Ermächtigung wird aber damit nicht überschritten, da die Zensiten nur zu Angaben verpflichtet werden, die für eine zweckentsprechende Wirtschaftsstatistik und aussagekräftige volkswirtschaftliche Gesamtrechnung im Interesse des wirtschaftlichen Wohles des Landes erforderlich sind. Auch kann der Verfassungsgerichtshof angesichts der in der unter Pkt. IV/3 referierten ergänzenden Äußerung des Bundesministers vorgetragenen Argumente nicht finden, daß die von den Zensiten verlangten Aufgliederungen einzelner Erhebungspositionen (insb. der Erlöse und Erträge und des Betriebsaufwandes) über das zulässige Ausmaß hinausgingen.
Die in Prüfung stehenden §§4 und 5 der IndustriestatistikV waren daher nicht als gesetzwidrig aufzuheben.
5. Diese Entscheidung konnte gem. §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nicht-öffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Statistik, Datenschutz, wirtschaftliches Wohl, Wirtschaft, AuskunftspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:V46.1989Dokumentnummer
JFT_10099071_89V00046_00