TE Vwgh Beschluss 1993/2/25 93/04/0005

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Veröffentlicht am 25.02.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/04/0006

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, in der Beschwerdesache der A in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 23. November 1992, Zl. UVS-04/24/00362/91, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, den Beschluß gefaßt:

Spruch

I) Dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in

den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist wird nicht stattgegeben.

II) Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen in dem am 14. Jänner 1993 zur Post gegebenen, beim Verwaltungsgerichtshof unter gleichzeitiger Beschwerdeerhebung eingebrachten Wiedereinsetzungsantrag wurde der angefochtene Bescheid dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin am 26. November 1992 zugestellt. Wie weiters ausgeführt wird, habe der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin von dieser "knapp vor Weihnachten" den Auftrag erhalten, rechtzeitig eine Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde einzubringen. Die Frist zur Einbringung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde sei mit 7. Jänner 1993 abgelaufen. Die Beschwerdeführerin habe darauf vertrauen können, daß die Beschwerde von ihrem Rechtsvertreter rechtzeitig eingebracht werde. Während der Weihnachtsfeiertage hätten sowohl der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin als auch die beiden von sechs Sekretärinnen, die in der Textverarbeitung ausgebildet seien, Urlaub gehalten, sodaß bis inklusive 6. Jänner 1993 eine Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde nicht habe verfaßt werden können. Die Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde sollte am 7. Jänner 1993 diktiert und mit der Post expediert werden. Am 7. Jänner 1993 seien außergewöhnliche Besprechungstermine (Neuanfall in der Kanzlei des Rechtsvertreters), die im Laufe des Tages unaufschiebbar während der normalen Arbeitszeit der Sekretärinnen zu erledigen gewesen seien, zu verrichten gewesen, sodaß der Rechtsvertreter selbst am 7. Jänner 1993 gegen 18.30 Uhr mit der Verfassung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde begonnen und dann mangels anderer Möglichkeiten diese selbst im Textverarbeitungsprogramm seines Computers geschrieben habe. Nach Fertigstellung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde und Erteilung des Befehles zum Ausdruck derselben habe er jedoch feststellen müssen, daß ein Ausdruck nicht möglich gewesen sei, da das Textverarbeitungsprogramm auf ein bisher nicht bekanntes Hindernis hingewiesen habe, nämlich daß die Speicherplätze ausgelastet wären (Erschöpfung der Kapazität der Speicherplätze). Die für diesen Fall in der Belehrung vorgeschriebene Betätigung verschiedener Symbole habe kein Ergebnis gebracht und es habe der Rechtsvertreter praktisch nicht mehr weitergekonnt. Er habe daher versucht, seinen in der Kanzlei mitarbeitenden Sohn, Dr. B, zu erreichen, der schließlich in der Kanzlei um etwa 22.45 Uhr eingelangt sei, damit dieser allenfalls versuche, den Ausdruck zu ermöglichen. Es sei ihm dies gleichfalls nicht gelungen, sondern lediglich der "fetzenweise" Ausdruck laut Beilage. In weiterer Folge habe der Rechtsvertreter durch Zusammensammeln dieser Ausdrucke sowie Beschneiden und Aufkleben derselben eine halbwegs formgerechte Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde fertigzustellen versucht, was ihm jedoch auf Grund der Unterlagen nicht gelungen sei und er insbesondere diese Tätigkeit vor 00.00 Uhr nicht mehr habe zum Abschluß bringen können. Somit sei durch diese technische Unmöglichkeit die rechtzeitige Einbringung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde nicht möglich gewesen. Ein solches Versagen des Computers bzw. Textverarbeitungsprogramms in der Kanzlei sei noch nie vorgekommen und sei dieses aus Sicht der Beschwerdeführerin auf jeden Fall ein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis, wie auch aus Sicht ihres Rechtsvertreters. Zum Beweis werde die Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde (Fetzen des Ausdruckes und Herstellungsversuche) als Beilage vorgelegt. Somit sei durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis die rechtzeitige Einbringung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde unmöglich geworden, und es könne dies weder der Beschwerdeführerin noch ihrem Rechtsfreund als schuldhaftes Verhalten angelastet werden. Es werde daher unter gleichzeitiger Einbringung der Beschwerde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde gegen den vorbezeichneten Bescheid gestellt.

Zu Spruchpunkt I):

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Was die Frage der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 46 Abs. 1 VwGG anlangt, so ist dem Verschulden der Partei selbst das Verschulden ihres Vertreters gleichzuhalten (vgl. hiezu den Beschluß eines verstärkten Senates vom 19. Jänner 1977, Slg. N.F. Nr. 9226/A), wobei ein auf seiten des Rechtsvertreters unterlaufener Mangel an erforderlicher Umsicht - soweit es sich nicht um einen bloß minderen Grad des Versehens handelt - keinen Wiedereinsetzungsgrund bildet (vgl. hiezu sinngemäß auch die Darlegungen im hg. Beschluß vom 24. Juni 1953, Slg. N.F. Nr. 3037/A, u.a.).

Der behauptete Wiedereinsetzungsgrund ist im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen (vgl. hiezu den hg. Beschluß vom 27. Oktober 1948, Slg. N.F. Nr. 553/A, u.a.), was aber als Grundlage ein entsprechendes behauptungsmäßiges Antragsvorbringen voraussetzt.

Das dargestellte Antragsvorbringen beruft sich darauf, daß am 7. Jänner 1993 - dem letzten Tag der offenen Beschwerdefrist -, der für die Verfassung der gegenständlichen Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde vorgesehen worden sei, während der normalen Arbeitszeit der beiden in Textverarbeitung ausgebildeten Sekretärinnen, diese mit "unaufschiebbaren Erledigungen" beschäftigt gewesen seien, sodaß der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin selbst gegen 18.30 Uhr mit der Verfassung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde begonnen habe und diese dann "mangels anderer Möglichkeit" selbst im Textverarbeitungsprogramm seines Computers geschrieben habe. Daraus läßt sich aber nicht schlüssig entnehmen, wieso nicht auch in Ansehung der mit der Textverarbeitung befaßten Sekretärinnen die für den letzten Tag der Beschwerdefrist vorgesehene Verfassung der gegenständlichen Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde nicht gleichfalls als "unaufschiebbare Erledigung" angesehen wurde und weiters keine "andere Möglichkeit" für den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin zur Verfassung der gegenständlichen Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde als mittels Textverarbeitungsprogramm seines Computers bestand, wobei insbesondere in diesem Zusammenhang auch nicht etwa von einer "Offenkundigkeit" des Zutreffens eines derartigen Umstandes ausgegangen werden kann.

Ausgehend davon ist aber das Antragsvorbringen schon behauptungsmäßig nicht geeignet, um etwa, gemessen an den gesamten Tatbestandsvoraussetzungen des § 46 Abs. 1 VwGG, einen als rechtserheblich zu wertenden Mangel an der erforderlichen Umsicht des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin im Rahmen seiner Kanzleiorganisation in Ansehung der Verfassung der gegenständlichen Beschwerde als ausgeschlossen erscheinen zu lassen. Dem vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Beschwerdeerhebung war daher schon im Hinblick auf diese Erwägungen nicht stattzugeben.

Zu Spruchpunkt II):

Auf Grund der seitens der Beschwerdeführerin vorgebrachten, den Lauf der Beschwerdefrist bestimmenden Sachverhaltsumstände erweist sich die gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingebrachte Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde als verspätet, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993040005.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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