TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/25 92/18/0343

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Veröffentlicht am 25.02.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §46 Abs13;
AAV §46 Abs6;
AAV §46 Abs9;
AAV §94 Abs1;
AAV §94 Abs2;
ASchG 1972 §18 Abs1;
ASchG 1972 §18 Abs2;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
VStG §19 Abs1;
VStG §19;
VStG §21 Abs1;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des K in I, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 11. Juni 1992, Zl. 16/125-2/1992, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung-AAV, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol (der belangten Behörde) vom 11. Juni 1992 wurde der Beschwerdeführer als "Betriebsinhaber und Arbeitgeber" schuldig erkannt, er habe im Zuge der Durchführung von Malerarbeiten durch bei ihm beschäftigte Arbeitnehmer auf einer näher bezeichneten Baustelle außer acht gelassen, daß erstens das dort aufgestellte Gerüst, welches eine Höhe von mehr als 2 m aufgewiesen habe (die erste Etage habe sich in einer Höhe von 2,20 m befunden) und von welchem somit Arbeitnehmer aus dieser Höhe hätten abstürzen können, in der Zeit zwischen 25. August 1991 und 5. September 1991 in Verwendung genommen worden sei, ohne daß vorher eine Überprüfung dieses Gerüstes durchgeführt worden sei, und daß zweitens das besagte Gerüst am 5. September 1991 durch Arbeitnehmer des Beschwerdeführers benützt worden sei, obwohl es weder mit Fußwehren noch mit Mittelwehren ausgestattet gewesen sei.

Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen zu erstens nach § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes iVm § 46 Abs. 9 AAV, und zu zweitens nach § 31 Abs. 2 lit. p leg. cit. iVm § 46 Abs. 6 AAV begangen. Es wurden deshalb über ihn Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die Verantwortung des Beschwerdeführers, er sei nicht für die Aufstellung bzw. die Vorschriftsmäßigkeit eines bereits aufgestellten Gerüstes verantwortlich, gehe im Hinblick auf § 18 Abs. 1 und 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes ins Leere, weil er sich davon zu überzeugen habe, daß den Vorschriften der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen, für den Betrieb in Betracht kommenden Verordnungen entsprochen werde. Als Verschuldensgrad sei zumindest grobe Fahrlässigkeit anzunehmen. Die übertretenen Bestimmungen seien wesentliche Vorschriften im Interesse der Sicherheit der Arbeitnehmer. Auch unter Berücksichtigung der bisherigen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers erschienen die verhängten Strafen schuldangemessen. Der Strafrahmen sei nicht einmal zu 10 % ausgeschöpft worden, sodaß die Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang nicht relevant seien.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes behauptet und deshalb begehrt wird, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß die ihm zur Last gelegten Sachverhalte verwirklicht worden seien; er vertritt indes die Auffassung, daß nicht er, sondern der Errichter des Gerüstes gegen § 46 Abs. 6 und 9 AAV verstoßen habe, da sich diese Bestimmungen an letzteren richteten.

1.2. Dieser Rechtsansicht vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizupflichten. Soweit § 46 Abs. 6 AAV angesprochen ist, hat der Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. April 1991, Zl. 90/19/0501, ausgeführt, daß Normadressat dieser Vorschrift nicht der Errichter des Gerüstes, sondern der Arbeitgeber der auf dem Gerüst tätigen Arbeitnehmer ist. Der Umstand, daß allenfalls Arbeitnehmer verschiedener Arbeitgeber zur selben Zeit oder nacheinander das Gerüst verwenden, führt zu keiner davon abweichenden Beurteilung; diesfalls hat jeder Arbeitgeber in Ansehung seiner Arbeitnehmer für die Einhaltung der zitierten arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmung zu sorgen. Ergänzend zu dem von der belangten Behörde ins Treffen geführten § 18 Abs. 1 und 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes sei auf die im gegebenen Zusammenhang spezielle Vorschrift des § 94 Abs. 1 und 2 AAV verwiesen.

Was § 46 Abs. 9 AAV anlangt, so wurde dem Beschwerdeführer angelastet, das Gerüst in Verwendung genommen zu haben, ohne daß dieses vorher einer Prüfung unterzogen worden war. Gemäß dem zweiten Halbsatz des letzten Satzes der vorgenannten Bestimmung ("sie dürfen erst nach ihrer Fertigstellung und Prüfung in Verwendung genommen werden.") traf den Beschwerdeführer die Verpflichtung, sich vor Inverwendungnahme des Gerüstes zu vergewissern, daß die Prüfung durch eine geeignete, fachkundige und hiezu berechtigte Aufsichtsperson (etwa des Gerüstaufstellers) durchgeführt wurde (§ 46 Abs. 13 AAV).

2.1. Selbst wenn man - so die Beschwerde weiters - davon ausginge, daß die zitierten Bestimmungen der AAV "sich auch an andere Personen als die Gerüstebaufirma richten würden", so hätte dem Beschwerdeführer gegenüber dennoch mit einer Ermahnung i.S. des § 21 Abs. 1 VStG das Auslangen gefunden werden können, da dessen Verschulden als "äußerst geringfügig" zu erachten sei.

2.2. Gemäß § 21 Abs. 1 erster Satz VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Ist eines der beiden Kriterien nicht erfüllt, so kommt eine Anwendung dieser Gesetzesstelle nicht in Betracht (vgl. etwa das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 90/19/0501).

Im Gegensatz zur Meinung des Beschwerdeführers ist der Gerichtshof der Ansicht, daß die in der Beschwerde für das behauptete Vorliegen lediglich geringfügigen Verschuldens geltend gemachten Gründe nicht geeignet sind, eine derartige Annahme zu rechtfertigen. Wenn die Beschwerde ausführt, es sei nicht Sache des Beschwerdeführers, Aufgaben anderer (des Gerüst-Errichters; des Arbeitsinspektorates) wahrzunehmen, so unterstreicht dies nur die, wie bereits dargelegt, unrichtige Rechtsansicht des Beschwerdeführers die objektive Tatseite betreffend, trägt jedoch zur Frage der Geringfügigkeit des Verschuldens nichts bei. Mit dem Hinweis, daß er mit der Prüfung des Gerüstes überfordert gewesen wäre, verkennt der Beschwerdeführer, daß das gebotene Verhalten darin besteht, als Arbeitgeber für die Erfüllung dieser Pflicht zu sorgen, nicht aber die Prüfung persönlich vorzunehmen. Daß die dem Beschwerdeführer angelasteten Taten keine nachteiligen Folgen, wie etwa Verletzungen von Arbeitnehmern, nach sich gezogen hätten, betrifft einen objektiven Umstand der Strafbemessung (§ 19 Abs. 1 VStG), nicht aber die subjektive Tatseite. Die Tatsache, daß sich die erste Etage des Gerüstes in einer Höhe von nur 20 cm über der Grenzhöhe des § 46 Abs. 6 AAV befunden habe, vermag für sich allein ein lediglich geringfügiges Verschulden an der Übertretung dieser Norm nicht zu begründen.

Die belangte Behörde hat demnach von § 21 Abs. 1 erster Satz VStG zu Recht nicht Gebrauch gemacht.

3. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992180343.X00

Im RIS seit

01.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.09.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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