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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §1002;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des G in M, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 24. März 1992, Zl. VwSen-220135/2/Kon/Rd, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in einer Verwaltungsstrafsache nach der Bauarbeiterschutzverordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg (BH) vom 14. November 1991 war der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als verantwortlicher Beauftragter einer näher bezeichneten Gesellschaft m.b.H. einer Übertretung des § 7 Abs. 1 der Bauarbeiterschutzverordnung schuldig erkannt und hiefür bestraft worden.
2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Beschwerdeführer am 19. November 1991 zu eigenen Handen zugestellt worden war, erhob er Berufung, die am 4. Dezember 1991 zur Post gegeben und vom unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (der belangten Behörde) mit Bescheid vom 2. Jänner 1992 als verspätet zurückgewiesen wurde.
3. Bereits mit Schriftsatz vom 30. Dezember 1991 hatte der Beschwerdeführer als Reaktion auf einen entsprechenden Vorhalt der belangten Behörde vom 16. Dezember 1991 bei der BH einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist eingebracht.
Diesen Antrag hatte er wie folgt begründet: Unmittelbar nach Zustellung des Straferkenntnisses habe er dieses der "Geschäftsleitung seiner Firma" mit der Bitte übergeben, zu veranlassen, daß dagegen fristgerecht Berufung erhoben werde. Ihm sei versichert worden, daß in seinem Namen die nunmehrigen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers beauftragt und bevollmächtigt würden, rechtzeitig die Berufung einzubringen. Da in dieser Verwaltungsstrafsache auch bisher alle Eingaben von der Geschäftsleitung fristgerecht erstattet worden seien, habe er sich auf diese Zusage verlassen können. Aus einem nachträglich nicht mehr aufklärbaren Irrtum sei das der Geschäftsleitung übergebene Straferkenntnis mit einem Eingangsstempel der Firma vom 27. November 1991 versehen worden. Der Geschäftsführer der Gesellschaft habe nach seiner Rückkehr von einer Geschäftsreise am 2. Dezember 1991 am 4. Dezember 1991 in der Kanzlei Dr. O eine Besprechung geführt, bei welcher Gelegenheit er auch das besagte Straferkenntnis mit dem Auftrag, dagegen zu berufen, übergeben habe. Dr. O habe noch am selben Tag die Berufung verfaßt und zur Post gegeben. Erst durch das Schreiben der belangten Behörde vom 16. Dezember 1991 (eingelangt am 19. Dezember 1991) habe der Genannte Kenntnis von der verspäteten Einbringung der Berufung erhalten, woraufhin er namens des Beschwerdeführers fristgerecht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt habe. Die vorstehend dargestellten Umstände seien für den Beschwerdeführer zweifellos ein unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis gewesen, das die rechtzeitige Einbringung der Berufung verhindert habe.
4. Mit Bescheid vom 21. Jänner 1992 wies die BH den Wiedereinsetzungsantrag gemäß "§ 71 Abs. 1 lit. a AVG 1991, BGBl. Nr. 51/1991" ab. Dies mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe keinen Beweis erbracht, daß er ohne eigenes Verschulden der nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht nicht habe nachkommen können. Aus dem Antrag gehe aber hervor, daß das Verhalten des Beschwerdeführers nach Übernahme des Straferkenntnisses als sorglos zu bezeichnen sei. Es sei jedenfalls nicht möglich, das Verschulden an dem Fristversäumnis auf den Boten abzuwälzen und daraus ein unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis zu konstruieren.
5. Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 24. März 1992 als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus:
Es habe für den Beschwerdeführer kein zwingender Grund bestanden, sich zur Weiterleitung des Straferkenntnisses der BH an den Rechtsvertreter der Gesellschaft der Geschäftsleitung zu bedienen; ebenso habe keine gesetzliche Verpflichtung des Beschwerdeführers bestanden, sich wegen der Einbringung der Berufung mit dem Geschäftsführer in Verbindung zu setzen. Wenn er sich aber der Geschäftsleitung zur Weiterleitung des Straferkenntnisses bedient habe, so habe er deren allfällige Fehlleistungen, die in der Folge zur verspäteten Erhebung der Berufung geführt hätten, in Kauf genommen. Die Fristversäumung müsse deshalb auch vom Beschwerdeführer vertreten werden. Es sei allein dem Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als verantwortlicher Beauftragter i.S. des § 9 VStG oblegen, für die rechtzeitige Prozeßhandlung der Berufungserhebung überhaupt Sorge zu tragen. Dieser Sorgfaltspflicht sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen, sodaß er an der Fristversäumnis nicht schuldlos sei. Diese mangelnde Obsorge könne auch nicht als ein bloß minderer Grad des Versehens gewertet werden.
6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde, mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
7. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Zunächst rügt der Beschwerdeführer, daß aus dem angefochtenen Bescheid nicht ersichtlich sei, ob die belangte Behörde durch eine Kammer oder durch ein Einzelmitglied entschieden habe (Hinweis auf § 51c VStG). Aufgrund dieser Gesetzesbestimmung stehe dem Beschwerdeführer auch das Recht zu, aus dem Bescheid entnehmen zu können, ob die belangte Behörde durch eine Kammer - was im vorliegenden Fall geboten wäre - oder durch ein Einzelmitglied entschieden habe. Nur so sei es überhaupt möglich, überprüfen zu können, ob § 51c VStG beachtet worden sei. Dieser Einwand ist nicht zielführend.
1.2. Was die Frage der Besetzung i.S. des § 51c VStG anlangt, so war im Beschwerdefall - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - zur Entscheidung über die Berufung das Einzelmitglied zuständig, weil die Erledigung von Berufungen gegen verfahrensrechtliche Bescheide (wie hier gegen die Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages) jedenfalls in die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes fällt (vgl. dazu Thienel,
Das Verfahren der Verwaltungssenate2, S. 227 ff;
Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht5, Rz 931).
Zur Behauptung des Beschwerdeführers, daß aus dem bekämpften Bescheid nicht zu ersehen sei, ob die Kammer oder ein Einzelmitglied entschieden habe, ist einzuräumen, daß dieser insoweit keine explizite Aussage enthält. Indes vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, daß sich einerseits aufgrund des Fehlens jeglichen Anhaltspunktes im Spruch wie auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides dahingehend, daß die Kammer tätig geworden wäre, anderseits im Hinblick auf die Fertigungsklausel ("Für den O.ö. Verwaltungssenat: Dr. K"), der gleichfalls ein Hinweis in dieser Richtung (etwa ein Zusatz, der darauf hinwiese, daß der Genannte den Bescheid als Vorsitzender der Kammer genehmigt hätte) fehlt, ergibt, daß die bekämpfte Entscheidung von dem namentlich genannten Einzelmitglied der belangten Behörde getroffen wurde. Diese mithin nach objektiven Gesichtspunkten mögliche Zurechnung steht im übrigen mit dem Inhalt der vorliegenden Akten im Einklang.
2.1. Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften bemängelt die Beschwerde weiters, daß es die belangte Behörde entgegen § 51e VStG unterlassen habe, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Weder die Voraussetzungen des § 51e Abs. 1 noch die des Abs. 3 leg. cit. seien im Beschwerdefall vorgelegen. Hätte eine Verhandlung stattgefunden, so wäre der Beschwerdeführer in der Lage gewesen, seine Argumente vorzutragen und noch zusätzlich zu untermauern.
2.2. Mit diesem ganz allgemein gehaltenen Vorbringen gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, die Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels dazutun. Das aber wäre, wie in allen anderen Fällen behaupteter Verletzung von Verfahrensvorschriften, auch in bezug auf die hier gerügte Unterlassung der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung erforderlich gewesen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. September 1991, Zl. 91/03/0165, und vom 23. Jänner 1992, Zll 91/06/0186).
3.1. Zur Begründung, daß er den angefochtenen Bescheid für inhaltlich rechtswidrig erachte, wiederholt der Beschwerdeführer in der Beschwerde die im Wiedereinsetzungsantrag vorgebrachten Argumente (siehe oben I.3.), die seiner Meinung nach die belangte Behörde zur Stattgebung dieses Antrages im Instanzenzug hätten gelangen lassen müssen.
3.2. Zweifellos blieb es dem Beschwerdeführer unbenommen, mit der Vornahme aller zur rechtzeitigen Einbringung der Berufung gegen das ihn betreffende Straferkenntnis notwendigen Schritte "die Geschäftsleitung" zu betrauen. Insofern sind die Ausführungen in der Begründung des bekämpften Bescheides, wonach für den Beschwerdeführer keine Verpflichtung bestanden habe, sich zur Weiterleitung des Straferkenntnisses an den Rechtsvertreter der Gesellschaft der Geschäftsleitung zu bedienen, verfehlt. Denn zum einen war es für die Erledigung des vorliegenden Wiedereinsetzungsantrages rechtlich irrelevant, daß für den Beschwerdeführer keine Verpflichtung bestand, sich mit der Geschäftsleitung zur Veranlassung der notwendigen Schritte im Zusammenhang mit der Erhebung eines Rechtsmittels ins Einvernehmen zu setzen, zum anderen verkannte die belangte Behörde (ebenso wie vor ihr die BH), daß der Beschwerdeführer seinem behördlicherseits nicht im Zweifel gezogenen Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag und in der Berufung zufolge die Geschäftsleitung keineswegs nur mit der Weiterleitung des Straferkenntnisses an den Rechtsanwalt der Gesellschaft betraut hatte. Dadurch, daß der Beschwerdeführer die Geschäftsleitung - unter gleichzeitiger Übergabe des Straferkenntnisses der BH vom 14. November 1991 - beauftragte, die fristgerechte Einbringung der Berufung dagegen zu veranlassen, und die Geschäftsleitung ihm dementsprechend zusagte, den Rechtsanwalt der Gesellschaft mit der Erhebung der Berufung für den Beschwerdeführer zu beauftragen, kam zwischen Beschwerdeführer und Geschäftsleitung ein Bevollmächtigungsvertrag i.S. des § 1002 ABGB zustande. Die solcherart von der Geschäftsleitung übernommene Verpflichtung zur Vornahme einer Rechtshandlung (und nicht bloß zur Überbringung einer Erklärung des Beschwerdeführers), schloß es aus, die Geschäftsleitung als Boten zu qualifizieren. Daß die Geschäftsleitung ihrerseits mit der Erfüllung der von ihr übernommenen Verpflichtung einen Dritten beauftragte (Substitution eines Rechtsanwaltes), erlaubt keine andere Beurteilung.
Unbeschadet dessen ist die angefochtene im Instanzenzug ergangene Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages im Ergebnis nicht rechtswidrig. Die die Geschäftsleitung als Stellvertreter des Beschwerdeführers treffende Sorgfaltspflicht hätte es erfordert, daß diese, wenn ihr schon der Beschwerdeführer von sich aus nicht mitteilte, wann ihm das Straferkenntnis zugestellt wurde, dieses im gegebenen Zusammenhang wesentliche Faktum durch Rückfrage beim Beschwerdeführer eruierte. Da es die Geschäftsleitung unterließ, den Zustelltag - es war dies nach dem im Akt erliegenden Rückschein der 19. November 1991 - festzustellen und in Evidenz zu nehmen, um damit überhaupt die Voraussetzungen für eine "fristgerechte" Erhebung der Berufung zu schaffen, kann nicht davon gesprochen werden, es habe sich bei der irrtümlichen Anbringung des Eingangsstempels vom 27. November 1991 und der damit verbundenen irrigen Annahme, es sei dies der für den Beginn des Laufes der Berufungsfrist maßgebende Tag, um ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehandelt, das nicht von der Geschäftsleitung verschuldet worden sei. Da sich aber der Machtgeber das Verschulden des Machthabers zurechnen lassen muß, sind die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG nicht erfüllt, zumal das Verschulden keineswegs als Versehen minderen Grades gewertet werden kann, erfordert doch gerade die Einhaltung von Rechtsmittelfristen von der Partei die größtmögliche Sorgfalt.
4. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als zur Gänze unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Fertigungsklausel Stellung des VertretungsbefugtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992180175.X00Im RIS seit
11.07.2001