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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ABGB §1278;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Kramer, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde des Roland F in L, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 27. November 1989, Zl. 62/1-9/St-1988, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 12. April 1986 verstorbene Wenzel F. hatte in seinem Testament vom 4. April 1972 Frau Maria Fr. zur Alleinerbin eingesetzt und sämtliche an seinem Todestage vorhandene Noterben, also insbesondere seine Kinder (Roland F., Dipl.Ing. Ingo F. und Waltraud St.) auf den ihnen nach dem Gesetz zukommenden Pflichtteil beschränkt.
Mit dem im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung abgeschlossenen Kaufvertrag vom 12. November 1986 verkaufte die Alleinerbin Maria Fr. an Roland F. (den nunmehrigen Beschwerdeführer) die ihr angefallene Erbschaft um den Kaufpreis von S 110.000,--. Letzterer verpflichtete sich mit Erbübereinkommen vom 17. Dezember 1986 gegenüber seinen beiden Geschwistern zur Entrichtung der ihnen zustehenden Pflichtteile.
Mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 29. Dezember 1986 wurde der Nachlaß des Wenzel F., zu dem auch eine Liegenschaft im Schätzwert von S 1.876.000,-- gehörte, dem Beschwerdeführer, der sich auf Grund des Testamentes vom 4. April 1972 unter Hinweis auf den Kaufvertrag vom 12. November 1986 ohne Rechtswohltat des Inventars zum gesamten erbl. Nachlaß erbserklärt hatte, eingeantwortet.
Mit Bescheid vom 19. Februar 1987 setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz gegenüber dem Beschwerdeführer unter Hinweis auf obigen Erbschaftskauf Grunderwerbsteuer in Höhe von S 78.590,-- fest.
In der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer die Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß § 3 Z. 3 GrEStG 1955 geltend.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich der Berufung keine Folge. Nach dem Testament sei Maria Fr. Alleinerbin gewesen. Dies allein lasse keinen Raum mehr für "Miterben" im Sinne des § 3 Z. 3 leg. cit. übrig. Außerdem seien die Kinder des Erblassers im Testament auf den Pflichtteil beschränkt worden, weshalb sie nicht Miterben seien.
Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer zunächst mit Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der jedoch die Beschwerde mit Erkenntnis vom 6. Dezember 1990, B 175/90-10, abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. In den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses führte der Verfassungsgerichtshof unter Hinweis auf die Erkenntnisse VfSlg. 9446/1982, 10464/1985 und 10809/1986 im wesentlichen aus, der vorliegende Fall unterscheide sich wesentlich von sämtlichen bisher (mit den drei genannten Erkenntnissen) entschiedenen. Der Beschwerdeführer habe nämlich die Liegenschaft nicht nur in Abgeltung (Abfindung) seines Pflichtteils ("und nicht darüber hinaus": VfSlg. 9446/1982) erhalten, sondern als Bestandteil des von ihm erworbenen gesamten Nachlasses. Den Betrag des Pflichtteilsanspruches des Beschwerdeführers habe die Behörde bei Ermittlung der Gegenleistung für den Nachlaß unberücksichtigt gelassen und damit jenen Anteil an der Gegenleistung für die Liegenschaft, der seinem Pflichtteil entspreche, nicht besteuert. Damit habe sie dem Grundgedanken der genannten Erkenntnisse Rechnung getragen. Lasse man die - nur geringfügige - Differenz zwischen der Summe der Aktiven und dem Liegenschaftswert außer acht, so laufe das Begehren des Beschwerdeführers darauf hinaus, auf seinen Pflichtteilsanspruch in Höhe des halben gesetzlichen Erbteils (also von weniger als einem Sechstel ihres Wertes) die GESAMTE Liegenschaft grunderwerbsteuerfrei zu erhalten. Daß dieses Ergebnis alles andere als durch den Gleichheitssatz geboten sei, liege auf der Hand. In dem die Summe der Pflichtteile übersteigenden Wert würde selbst die sinngemäße Anwendung des § 3 Z. 3 GrEStG 1955 den Erwerb der Liegenschaft nicht steuerfrei machen, weil insoweit nicht eine teilbare gemeinsame Sache der "Noterben", sondern der Erwerb eines Liegenschaftsanteiles durch Kauf vorläge. Es finde sich auch kein verfassungsrechtlicher Anhaltspunkt für die Annahme, mehrere Pflichtteilsberechtigte müßten im Verhältnis zueinander (oder zu den Erben) wie Erben behandelt werden.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Anwendung der Befreiungsbestimmung des § 3 Z. 3 GrEStG 1955 verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 3 Z. 3 des im Beschwerdefall noch anzuwendenden GrEStG 1955 ist von der Besteuerung unter anderem der Erwerb eines zum Nachlaß gehörigen Grundstückes durch Miterben zur Teilung des Nachlasses ausgenommen. Den Miterben stehen deren Ehegatten gleich, wenn sie auf Grund bestehender Gütergemeinschaft das Grundstück ohne besondere rechtsgeschäftliche Übertragung miterwerben.
Die Begünstigung der Z. 3 soll die Erbenauseinandersetzung erleichtern. Werden Nachlaßgrundstücke abweichend von dem Verhältnis der Erbteile unter den Miterben aufgeteilt, so soll dieser Vorgang, der als Rechtsgeschäft unter Lebenden nach § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1955 der Grunderwerbsteuer unterläge, nicht mit Steuer belastet werden, weil bereits der Erbgang zur Erbschaftssteuer erfaßt wird (vgl. hiezu Dorazil-Schwärzler,
Das Grunderwerbsteuergesetz2, Seite 141; Czurda, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz (1955), Lieferung Februar 1972, Rz 101 zu § 3).
Unabdingbare Voraussetzung der Anwendung des § 3 Z. 3 leg. cit. ist daher unter anderem, daß die Teilung des Nachlasses unter MITERBEN vereinbart werden muß (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1971, Slg. Nr. 4250/F). So ist etwa der Erbschaftskäufer als solcher nicht Miterbe im Sinne dieser Gesetzesstelle, da er seine Rechtsstellung nicht aus der Berufung zur Erbschaft (§ 533 ABGB), sondern aus einem Rechtsgeschäft unter Lebenden (§ 1278 ABGB) ableitet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1977, Slg. Nr. 5160/F).
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sind aber auch Pflichtteilsberechtigte, denen eine Erbportion nicht zugedacht wurde, nicht als Miterben nach § 3 Z. 3 GrEStG 1955 anzusehen (vgl. Dorazil-Schwärzler, a.a.O., 142; Czurda, a. a.O., Lieferung Jänner 1979, Rz 109 zu § 3; Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band II, 3. Teil, Grunderwerbsteuer, Lieferung Jänner 1987, 19 H). Gemäß HfD JGS 1844/781 hat nämlich der Noterbe - es sei denn, daß ihm der Pflichtteil gemäß § 774 ABGB in Gestalt eines Erbteiles hinterlassen worden wäre (vgl. hiezu Welser in Rummel, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch2 I, 809 f., sowie das hg. Erkenntnis vom 9. April 1962, Slg. Nr. 2625/F) - nach § 784 ABGB keinen Anspruch auf verhältnismäßige Anteile an den einzelnen zur Verlassenschaft gehörigen beweglichen und unbeweglichen Sachen, sondern nur auf den nach der gerichtlichen Schätzung berechneten Wert seines Erbteiles. Nach Lehre und Rechtsprechung ist dieser Pflichtteilsanspruch eine Forderung auf einen verhältnismäßigen Teil des Nachlaßwertes in GELD, jedoch kein Anspruch auf einen aliquoten Teil des Nachlasses. Der Pflichtteilsberechtigte ist Gläubiger der Verlassenschaft und kann als solcher unter anderem keine Erbserklärung abgeben (MGA ABGB33, 584, E 1. ff. zu § 764 ABGB; Welser in Rummel aaO. 799; Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen
Rechts9 II, 373). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat sich daran auch nichts dadurch geändert, daß die mit dem Erbrechtsänderungsgesetz 1989, BGBl. Nr. 656, erfolgte Neufassung des § 783 ABGB den Begriff "Noterbe" beibehalten hat.
Daß der Beschwerdeführer seinen Pflichtteil als ERBE erhalten hätte, ist jedoch auszuschließen, weil im Testament Maria Fr. ausdrücklich als ALLEINerbin eingesetzt wurde.
Wenn der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer von ihm gewünschten "objektiv teleologischen" Interpretation des § 3 Z. 3 GrEStG 1955 behauptet, durch die oben dargestellten Vereinbarungen sei die Erbschaft so geteilt worden, wie es dem Willen des Erblassers entsprochen habe, widerstreitet dies dem aus § 41 VwGG ableitbaren, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschenden Neuerungsverbot; nach der Aktenlage entspricht nämlich das Ergebnis der Verlassenschaftsabhandlung und der damit verbundenen Vereinbarungen keineswegs dem im Testament dargelegten Willen des Erblassers, wonach Maria Fr. als Alleinerbin auch Eigentümerin der in die Verlassenschaft fallenden Liegenschaft hätte werden sollen.
Was den Hinweis des Beschwerdeführers auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise des § 21 BAO anlangt, ist ihm zu erwidern, daß diese Gesetzesstelle keine Regel zur Auslegung von Steuergesetzen, sondern eine Richtlinie zur Beurteilung abgabenrechtlich relevanter Sachverhalte ist. Die Tatbestände des GrEStG knüpfen in der Hauptsache an die äußere zivil- bzw. formalrechtliche Gestaltung an und gestatten daher nur in diesem durch das Gesetz gegebenen Rahmen eine Beurteilung zur Lösung von Tatfragen (vgl. hiezu unter anderem das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 1985, Slg. Nr. 6058/F, sowie das Erkenntnis vom 26. Jänner 1989, Zl. 88/16/0049, und die dort jeweils angeführte weitere Rechtsprechung).
Wenn sich der Beschwerdeführer weiters auf die oben bereits erwähnten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1982, Slg. Nr. 9446, und vom 7. März 1986, Slg. Nr. 10809, beruft, ist darauf hinzuweisen, daß der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits erwähnten Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 1985, Slg. Nr. 6058/F, und seiner darauf fußenden weiteren Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 22. Oktober 1992, Zl. 88/16/0116, mwN.) der in den genannten Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes zum Ausdruck kommenden Auffassung nicht gefolgt ist, wonach in den Fällen des § 2 Abs.2 Z. 4 ErbStG iVm § 3 Z. 2 GrEStG (Abfindung für einen Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch) einerseits, der Abfindung des Pflichtteilsanspruches durch Hingabe von Grundstücken an Zahlungs Statt (§ 1414 ABGB) andererseits in wirtschaftlicher Sicht Gleiches bewirkt werde und deshalb beide Fälle gleich zu behandeln seien. Der Verwaltungsgerichtshof ist vielmehr in seiner oben zitierten Rechtsprechung unter Vermeidung der vom Verfassungsgerichtshof vorgenommenen extensiven (über den Wortsinn hinausgehenden) Interpretation deshalb zum selben Ergebnis gekommen, weil es sich bei der Hingabe eines Grundstückes zur Abfindung des Pflichtteilsanspruches um eine Hingabe an Zahlungs Statt im Sinne des § 1414 ABGB handelt, die kein neues Schuldverhältnis begründet, sondern lediglich das alte zum Erlöschen bringt. Gegenstand des Übereinkommens ist daher nicht die Errichtung einer neuen, sondern lediglich die Tilgung der bereits bestehenden Verbindlichkeit; sie fällt daher nicht unter § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1955; vielmehr handelt es sich um einen Erwerb von Todes wegen, der gemäß § 3 Z. 2 leg. cit. von der Grunderwerbsteuer ausgenommen ist.
Daraus folgt aber, daß der Beschwerdeführer aus dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für seinen Standpunkt schon deshalb nichts gewinnen kann, weil es im Beschwerdefall nicht um die Anwendung der Z. 2, sondern der Z. 3 des § 3 GrEStG 1955 geht; der Beschwerdeführer hat das gegenständliche Grundstück, insoweit sein Wert den ihm zufallenden Pflichtteil übersteigt, nicht VON TODES WEGEN, sondern auf Grund des Erbschaftskaufes (also durch Rechtsgeschäft unter Lebenden) erworben. Schon der Verfassungsgerichtshof hat jedoch in seinem oben genannten Erkenntnis vom 6. Dezember 1990 darauf hingewiesen, daß die Behörde den Betrag des Pflichtteilsanspruchs des Beschwerdeführers bei Ermittlung der Gegenleistung für den Nachlaß ohnehin unberücksichtigt gelassen hat.
Die Beschwerdebehauptung schließlich, daß es im Sinne des Gleichheitssatzes geboten wäre, den vorliegenden Fall gleich zu behandeln wie einen, der dem § 3 Z. 3 GrEStG 1955 zu subsumieren ist, wurde gleichfalls bereits vom Verfassungsgerichtshof im zuletzt genannten Erkenntnis widerlegt. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Auffassung an.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1991160010.X00Im RIS seit
20.11.2000