Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
GewO 1973 §366 Abs1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des J in X, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 7. April 1992, Zl. Ge-53.484/1-1992/Ha/Pü, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 29. November 1991 wurde der Beschwerdeführer wie folgt schuldig erkannt (Spruchteile nach § 44a Z. 1 und 2 VStG):
"Die A Ges.m.b.H. lagerte seit mindestens 1.1.1988 bis 12.9.1990 auf den Parz. Nr. 1853/7 und 1853/8, KG X, auf einer Fläche von ca. 17.000 m2 (sogenannte Werksdeponie) in offener Schichtung im Rahmen der gewerblichen Tätigkeit der A Ges.m.b.H. anfallende Abfälle bestehend aus gelaugter Bodenkohle, Salzschlacke, Bodenkohlenausbruchsmaterial, Filterstäube aus der Umschmelzgießerei, Primerschlamm, Krätzestaub und Rückstände aus der Emulsionsspaltanlage ab, ohne für diese örtlich gebundene Einrichtung (Abfalldeponie), die geeignet ist, durch Staubentwicklungen und gasförmige Emissionen in Form von Ammoniak und Methan das Leben und die Gesundheit von Nachbarn zu gefährden und diese durch Staub und Lärm bei Betrieb der Deponie zu belästigen, eine gewerbebehördliche Genehmigung für den Betrieb dieser Einrichtung bis zum 12.9.1990 erhalten zu haben. Als gewerberechtlicher Geschäftsführer der A Ges.m.b.H. sind Sie für die Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973 verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 39 Abs. 1 i.V.m. § 366 Abs. 1 Z. 3 und § 74 Gewerbeordnung 1973, BGBl. Nr. 50/1974 i.d.g.F."
Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) verhängt.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 7. April 1992 wurde der Berufung insoferne Folge gegeben, als der als erwiesen angenommene Tatzeitraum auf die Zeit vom 1. Jänner 1988 bis 31. Juli 1989 geändert wurde. Die Geldstrafe wurde auf S 2.500,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 70 Stunden herabgesetzt.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht schuldig erkannt und nicht dafür bestraft zu werden.
Er trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes u.a. vor, er habe im Verwaltungsstrafverfahren bereits darauf hingewiesen, daß es sich bei der angeführten Abfalldeponie lediglich um einen Teil der Betriebsanlage der
A Gesellschaft m.b.H. handle und daher die Bewilligung dieses Teils von der Bewilligung des Gesamtbetriebes mit umfaßt sei.
Nach § 366 Abs. 1 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer (Z. 3) eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt. Ferner begeht nach § 366 Abs. 1 GewO 1973 eine Verwaltungsübertretung, wer (Z. 4) eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).
Wenn eine gewerbliche Betriebsanlage, die zwar genehmigt worden war, in der Folge aber geändert wurde, betrieben wird, ohne daß für die Änderung bzw. den Betrieb nach Änderung die etwa erforderliche Genehmigung erteilt worden wäre, wird nicht das Tatbild einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 3, sondern das einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 verwirklicht.
Unter diesem Gesichtspunkt gesehen verdient im vorliegenden Fall der zweite Absatz der Begründung des erstbehördlichen Straferkenntnisses Beachtung, wo ausgeführt wird, daß die gewerbebehördliche Genehmigung für die Deponie mit Bescheid der Erstbehörde vom 11. September 1990 erteilt worden sei.
Mit Bescheid der Erstbehörde vom 11. September 1990 wurde, wie sich aus der Aktenlage ergibt, ausgesprochen, daß der M Gesellschaft m.b.H. und der S Gesellschaft m.b.H. gemäß §§ 74 und 77 sowie 81 GewO 1973 die gewerberechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Deponie für betriebliche Abfälle auf den Gst. 1853/7 und 1853/8 KG X erteilt werde.
Im Sinne der vorstehend zitierten Stelle der Beschwerdeausführungen weist somit die Aktenlage mit der hier aufscheinenden Bezugnahme auf die Bestimmung des § 81 GewO 1973 (betreffend die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage) als Grundlage der erteilten Genehmigung darauf hin, daß es sich bei der Einrichtung der sogenannten Werksdeponie nicht um die Errichtung einer eigenen neuen Betriebsanlage, sondern um die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage handelte. Die belangte Behörde unterließ es allerdings, diese Frage im angefochtenen Bescheid einer Erörterung zu unterziehen und jene Sachverhaltsfeststellungen zu treffen, die erforderlich gewesen wären, um die Frage zu entscheiden, ob im vorliegenden Fall der Straftatbestand des § 366 Abs. 1 Z. 3 oder der des § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 hätte verwirklicht worden sein können.
Wurde die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt (§ 39), so sind im Grunde des § 370 Abs. 2 GewO 1973 Geld- und Arreststrafen gegen den Geschäftsführer zu verhängen.
Unter dem Gesichtspunkt dieser Bestimmung gesehen enthält im vorliegenden Fall die gegen das erstbehördliche Straferkenntnis erhobene Berufung folgende Ausführungen:
"Mir wird nun als gewerberechtlicher Geschäftsführer der A Ges.m.b.H. vorgeworfen, im Zeitraum vom 1.1.88 - 12.9.1990 diesen Zustand aufrechterhalten zu haben, ohne eine gewerbebehördliche Genehmigung hiefür erhalten zu haben. Dieser Vorwurf ist nun schon, was die zeitliche Konkretisierung anlangt, unrichtig. Richtig ist vielmehr, daß ich ursprünglich gewerberechtlicher Geschäftsführer der Firma A Ges.m.b.H. war. Meine diesbezügliche Funktion endete jedoch mit 30.6.1989, weil mit Wirkung vom 1.7.1989 eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung des Unternehmens erfolgte. Diese Umstrukturierung wurde der BH auch mit Gewerbeanmeldung vom 27.6.1989 bekannt gegeben. Ich lege dieser Berufung der Einfachheit halber eine Fotokopie dieser Gewerbeanmeldung bei. Aus dieser ergibt sich insbesondere, daß die zum damaligen Zeitpunkt neu registrierte A Ges.m.b.H. mit Wirkung vom 1.7.1989 aus der M Ges.m.b.H. (A Ges.m.b.H. alt) die Betriebe Walz- Preß- und Ziehwerke sowie die Finalproduktion übernimmt.
Für diese Gesellschaft wurde ich zum gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellt.
Da in die angeführten Sparten nicht der Betrieb der Werksdeponie fällt, sondern dieser der Firma M Ges.m.b.H. zugeordnet wurde, bin ich jedenfalls ab dem 1.7.1989 nicht mehr für die Werksdeponie in gewerberechtlicher Hinsicht verantwortlich.
Damals (8.6.89) wurde die frühere Firma A Ges.m.b.H., deren gewerberechtlicher Geschäftsführer ich war, umbenannt in die Firma M Ges.m.b.H.", deren gewerberechtlicher Geschäftsführer ab 1.7.1989 ich nicht mehr bin. Für den Zeitraum ab 1.7.1989 kann ich daher im Rahmen des gegenständlichen Strafverfahrens nicht für einen allenfalls genehmigungslosen Betrieb der Werksdeponie verantwortlich gemacht werden."
Die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens enthalten im gegebenen Zusammenhang einen mit 30. März 1992 datierten Aktenvermerk mit folgendem Text:
"Die Bezirkshauptmannschaft teilt heute über telefonische Anfrage mit, daß die A Ges.m.b.H. (in der alten Form) ab 1.8.1989 in die M Ges.m.b.H. umgewandelt wurde und diese jur. Person ab diesem Zeitpunkt für die Werksdeponie zuständig war.
Ab diesem Zeitpunkt war J nicht mehr gewerberechtlicher Geschäftsführer der für die Werksdeponie zuständigen jur. Person."
Im angefochtenen Bescheid wurde in dieser Hinsicht lediglich ausgeführt (Seite 3 im Abschnitt "Beweiswürdigung" und Seite 6 im Abschnitt "Rechtliche Würdigung"), das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß der Beschwerdeführer in der Zeit zwischen 1. Jänner 1988 und 31. Juli 1989 gewerberechtlicher Geschäftsführer der A Gesellschaft m.b.H. gewesen sei, die in diesem Zeitraum für die Errichtung und den Betrieb der Werksdeponie des M-Konzerns zuständig gewesen sei. Mit den in der Berufung enthaltenen Angaben des Beschwerdeführers über die Beendigung seiner Geschäftsführertätigkeit im Betriebsbereich der
M Gesellschaft m.b.H. bereits mit 30. Juni 1989 und nicht erst mit 31. Juli 1989 und über die Bestellung des Beschwerdeführers zum gewerberechtlichen Geschäftsführer der neu registrierten
A Gesellschaft m.b.H. lediglich mit den - mit Wirkung vom 1. Juli 1989 aus der M Gesellschaft m.b.H.
(A Gesellschaft m.b.H. alt) übernommenen - Betriebsbereichen Walz-, Preß- und Ziehwerke sowie Finalproduktion setzte sich die belangte Behörde nicht auseinander. Sie begnügte sich damit, sich auf den Aktenvermerk vom 30. März 1992 zu stützen, der jedoch keine überprüfbaren, auf das Berufungsvorbringen abgestellten näheren Angaben enthält. Sie unterließ es hiemit, Sachverhaltsfeststellungen zu treffen, die für die Frage der Angabe des Endzeitpunktes des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten strafbaren Verhaltens (30. Juni oder 31. Juli 1989) wesentlich gewesen wären.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, weil der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die Pauschalierung des Schriftsatzaufwandes, die den gesonderten Ersatz von an Umsatzsteuer zu entrichtenden Beträgen nicht zuläßt.
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992040143.X00Im RIS seit
20.11.2000