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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / LegitimationLeitsatz
Zurückweisung der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin mangels Beschwerdelegitimation infolge Einschränkung der Parteistellung der Anrainer im Baubewilligungsverfahren auf Grundstückseigentümer; Verletzung des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin in ihren Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung betreffend das örtliche Raumordnungsprogramm der Gemeinde HennersdorfSpruch
I. Der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird daher aufgehoben.
II. Hingegen wird die Beschwerde, soweit sie von der Erstbeschwerdeführerin erhoben wurde, zurückgewiesen.
Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.
III. Das Land Niederösterreich ist schuldig, dem Zweitbeschwerdeführer und der Drittbeschwerdeführerin zu Handen ihres Vertreters die mit je S 11.000,- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid vom 2. Mai 1988 wies die belangte Behörde die Vorstellung der drei Beschwerdeführer gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Hennersdorf/NÖ. vom 11. November 1987 ab, mit dem den Bauwerbern H und H T die baurechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Spenglerei und Lackiererei auf dem Grundstück Nr. 85/4, KG Hennersdorf, im Berufswege bestätigt worden war.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Beschwerdeführer die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung des gesetzwidrigen örtlichen Raumordnungsprogramms behaupten. Die Beschwerdeführer beantragen die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides und regen an, die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Hennersdorf hinsichtlich des Grundstückes Nr. 85/4, KG Hennersdorf, zu überprüfen.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und beantragt ebenso wie die Bauwerber und die Gemeinde Hennersdorf als mitbeteiligte Parteien die Abweisung der Beschwerde.
II. Aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Hennersdorf vom 23. Jänner 1981 über das örtliche Raumordnungsprogramm für die Gemeinde Hennersdorf, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 7. April 1981 bis 23. April 1981, insoweit von Amts wegen ein, als dadurch für das Grundstück Nr. 85/4, KG Hennersdorf, die Widmung "Bauland-Kerngebiet" festgelegt wurde. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, V110/90 wurde die genannte Bestimmung als gesetzwidrig aufgehoben.
III. 1. Zu Pkt. I. des Spruches:
Gemäß Art139 Abs6 B-VG ist eine als gesetzwidrig aufgehobene Verordnung auf den Anlaßfall nicht mehr anzuwenden.
Die belangte Behörde hat bei Erlassung des Bescheides eine gesetzwidrige Verordnungsbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin nachteilig war.
Diese Beschwerdeführer wurden also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10303/1984, 10515/1985).
Der Bescheid war daher aufzuheben.
2. Zu Punkt II des Spruches:
Die Erstbeschwerdeführerin E W gab über Anfrage des Verfassungsgerichtshofs bekannt, daß sie die Liegenschaft EZ 616 KG Hennersdorf, aus deren Eigentumsrecht sie als Nachbar der Liegenschaft EZ 85/4, KG Hennersdorf, ihre Parteirechte im Verwaltungsverfahren und ihre Beschwerdelegitimation vor dem Verfassungsgerichtshof herleitete, mit Kaufvertrag vom 9./12. Oktober 1984 an den Zweitbeschwerdeführer und an die Drittbeschwerdeführerin je zur Hälfte verkauft und an diese grundbücherlich übertragen hat.
Da gemäß §118 Abs8 NÖ BauO 1976 die Parteistellung der Anrainer im Baubewilligungsverfahren auf Grundstückseigentümer eingeschränkt ist, war die Beschwerde hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin mangels Beschwerdelegitimation im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 zurückzuweisen. An diesem Ergebnis vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß der Erstbeschwerdeführerin durch die belangte Behörde eine (Rechts-)Stellung eingeräumt wurde, wie sie nur Parteien des Verwaltungsverfahrens zukommt (vgl. VfSlg. 4371/1963, 7941/1976).
Der Antrag der Erstbeschwerdeführerin, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht kommt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. Den Beschwerdeführern waren nur zwei Drittel der beantragten Kosten zuzusprechen, da sie im Rahmen der - einheitlich eingebrachten - Beschwerde nur in diesem Ausmaß mit ihrem Beschwerdevorbringen durchgedrungen sind. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von je S 1.416,50 enthalten.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Legitimation, VfGH / Parteien, Parteistellung / Baurecht, Nachbarrechte, VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:B1226.1988Dokumentnummer
JFT_10098998_88B01226_00