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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §547;Beachte
Besprechung in: AnwBl 5/1993, S 360 - 362;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde der I in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 30. April 1992, Zl. GA 11-81/4/92, idF. des Berichtigungsbescheides derselben Finanzlandesdirektion vom 1. Oktober 1992, Zl. GA 11-1253/9/92, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (Grunderwerbsteuer), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Ehegatte der Beschwerdeführerin hat laut Kaufvertrag und Abgabenerklärung vom 25. Jänner 1978 eine Liegenschaft um den Kaufpreis von S 410.000,-- erworben.
Mit rechtskräftig gewordener Strafverfügung vom 18. Juni 1982 hat das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern als Finanzstrafbehörde erster Instanz in dem im Jahre 1982 anhängig gewordenen Strafverfahren den Ehegatten der Beschwerdeführerin der vorsätzlichen Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG schuldig erkannt, weil er als abgabepflichtiger Erwerber anläßlich des Abschlusses des Kaufvertrages vom 25. Jänner 1978 betreffend die Liegenschaft durch unrichtige Angabe der Gegenleistung in der Höhe von S 410.000,-- statt der tatsächlichen Gegenleistung in der Höhe von S 900.000,-- in der Abgabenerklärung die abgabenrechtliche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht verletzt und Grunderwerbsteuer in der Höhe von S 39.200,-- hinterzogen habe. Über ihn wurde gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG eine Geldstrafe in der Höhe von S 45.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 45 Tage) verhängt. Die Kosten des Strafverfahrens wurden gemäß § 185 FinStrG mit S 4.500,-- festgesetzt.
Am 28. Dezember 1986 verstarb der Ehegatte der Beschwerdeführerin, sodaß der im Abgabenfestsetzungsverfahren an ihn gerichtete Bescheid betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens vom 20. März 1987 nicht zugestellt werden konnte.
Mit dem an die Beschwerdeführerin als Erbin nach ihrem Ehegatten gerichteten Bescheid vom 30. Jänner 1990 hat das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (in der Folge: Finanzamt) das mit dem Grunderwerbsteuerbescheid vom 6. Februar 1978 rechtskräftig abgeschlossene Abgabenverfahren gemäß § 303 BAO von Amts wegen wiederaufgenommen und die Beschwerdeführerin zur Entrichtung der hinterzogenen Grunderwerbsteuer herangezogen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, daß ihr die Ermittlungen der Finanzstrafbehörde erster Instanz nicht bekannt gewesen seien. Sie vertrete die Auffassung, daß der "Erstbescheid vom 6. Februar 1978 längst verjährt" sei. Es erscheine nicht gerechtfertigt, daß dieser Bescheid zwölf Jahre nach dessen Ergehen, also nach der gesetzlichen Verjährungsfrist, abgeändert werden solle.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 10. September 1990 gab das Finanzamt der Berufung keine Folge und führte aus, daß die Erbenstellung Gesamtrechtsnachfolge bedeute und im Hinblick auf die abgegebene bedingte Erbserklärung die Haftung für die Schulden des Erblassers - auch für Steuerschulden - bis zum Wert der der Erbin zugekommenen Vermögenswerte (dieser Wert sei größer als die Steuerschulden) nach sich ziehe. Das Finanzamt habe erstmals im Jahre 1982 Kenntnis vom tatsächlichen Kaufpreis erhalten. Die Verjährung sei durch den Zustellversuch im Jahre 1987 unterbrochen worden. Die Verjährung trete daher erst am 31. Dezember 1992 ein.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit Berufungsentscheidung vom 30. April 1992 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und stützte sich in ihrer Begründung im wesentlichen auf die Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des Bescheides behauptet wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, daß verjährte Steuerbeträge nicht mehr geltend gemacht werden und Amtshandlungen im Sinn des § 209 Abs. 1 BAO auch tatsächlich nach außen erkennbar sind, verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ist gemäß § 303 Abs. 4 BAO unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Nach § 303 Abs. 1 lit. a BAO ist Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Verfahrens u.a., daß der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist.
Gemäß § 304 BAO in der bis 31. Dezember 1992 anzuwendenden Fassung ist nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein vor diesem Zeitpunkt eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs. 1 zugrundeliegt.
Die Beschwerdeführerin bringt als Rechtswidrigkeit des Inhaltes vor, daß der Erwerbsvorgang als solcher tatsächlich angezeigt worden sei. Wie sich schon aus der Begründung der Berufungsvorentscheidung ergebe, sei auf Grund dieser Anmeldung - allerdings mit unrichtiger Bemessungsgrundlage - die Grunderwerbsteuer festgesetzt und auch bezahlt worden. § 208 Abs. 2 BAO stelle nur auf die Kenntnis des Erwerbsvorganges, nicht jedoch auf eine allfällige spätere Erhöhung der Steuer infolge einer anderen Bemessungsgrundlage ab. Die Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO sei daher schon abgelaufen.
Wird gemäß § 208 Abs. 2 BAO ein der Erbschafts- und Schenkungssteuer oder der Grunderwerbsteuer unterliegender Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß der Abgabenbehörde angezeigt, so beginnt die Verjährung des Rechtes zur Festsetzung dieser Abgaben nicht vor Ablauf des Jahres, in dem die Abgabenbehörde von Erwerbsvorgang Kenntnis erlangt.
Ordnungsgemäß angezeigt im Sinn dieser Bestimmung heißt zeitgerecht, richtig, vollständig und bei der zuständigen Behörde angezeigt. Der Lauf der Bemessungsverjährungsfrist wird also erst dann in Gang gesetzt, wenn der zuständigen Abgabenbehörde durch entsprechende Mitteilungen, Erklärungen usw. durch den hiezu Verpflichteten alle den steuerpflichtigen Tatbestand bildenden Umstände und Verhältnisse bekannt geworden sind, das heißt wenn die Abgabenbehörde vom steuerpflichtigen Erwerbsvorgang tatsächlich in einer Weise und in einem Umfang Kenntnis erlangt hat, daß ein vollständiges Bild über den abgabenrechtlich relevanten Sachverhalt gewonnen werden kann und demgemäß eine sachgerechte Abgabenfestsetzung objektiv möglich geworden ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1992, Zl. 92/16/0013).
Der Ehegatte der Beschwerdeführerin hat - wie oben näher ausgeführt - den Erwerbsvorgang zwar angezeigt, durch die Angabe eines unrichtigen Kaufpreises aber nicht ordnungsgemäß. Daraus ergibt sich, daß die Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgaben im vorliegenden Fall nicht vor Ablauf des Jahres 1982 begonnen hat.
Gemäß § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO beträgt die Verjährungsfrist bei hinterzogenen Abgaben zehn Jahre.
Der Ehegatte der Beschwerdeführerin wurde wegen der unrichtigen Angabe des Kaufpreises der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG rechtskräftig schuldig erkannt, sodaß bei der Abgabenfestsetzung von einer zehnjährigen Verjährungsfrist auszugehen ist.
Die Beschwerdeführerin ist Rechtsnachfolgerin ihres Ehegatten. Das Wesen der Gesamtrechtsnachfolge besteht darin, daß der Rechtsnachfolger hinsichtlich der Rechte und Pflichten voll an die Stelle des Rechtsvorgängers tritt, und zwar in materiell- und in verfahrensrechtlicher Sicht (vgl. hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1992, Zl. 90/16/0185).
Demnach war die zehnjährige Festsetzungsverjährung im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens vom 30. Jänner 1990 noch nicht abgelaufen. Es erübrigt sich daher ein weiteres Eingehen auf das übrige Beschwerdevorbringen, wonach eine Unterbrechung der Verjährung gemäß § 209 Abs. 1 BAO nicht eingetreten sei.
Da dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes nicht anhaftet, war die Beschwerde unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung nach § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ist mit der Entscheidung in der Hauptsache gegenstandlos geworden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992160114.X00Im RIS seit
20.11.2000