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L34009 Abgabenordnung Wien;Norm
ABGB §1091;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 13. Juni 1990, Zl. MDR-F 4/89 und F 5/89, betreffend Haftung für Abgabenschuldigkeiten, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Haftung für Vergnügungssteuern und Nebenansprüche hiezu betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, im übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Haftungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 22. Juni 1988 wurde der Beschwerdeführer "auf Grund des § 5 Abs. 2 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. für Wien Nr. 2, in der derzeit geltenden Fassung und der §§ 2 und 5 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, in der derzeit geltenden Fassung als Haftpflichtiger zur Zahlung der für die Zeit vom 1. Jänner 1987 bis 31. Jänner 1988 im Betrieb in W, entstandenen Getränkesteuerschuld der ehemaligen Pächterin M Ges.m.b.H. im Betrage von S 11.137,-- herangezogen".
Mit weiterem Haftungsbescheid vom selben Datum wurde der Beschwerdeführer "auf Grund des § 34 Abs. 4 des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963 in der Fassung des LGBl. Nr. 35/1986 und der §§ 2 und 5 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, in der derzeit geltenden Fassung als Haftpflichtiger zur Zahlung der für die Zeit vom 1. Jänner 1987 bis 30. April 1987 im Betrieb in W, entstandenen Vergnügungssteuerschuld der ehemaligen Pächterin M Ges.m.b.H. im Betrage von S 78.734,-- herangezogen".
Den gegen diese Bescheide vom Beschwerdeführer erhobenen Berufungen wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid insofern stattgegeben, als die Haftungsinanspruchnahme für Vergnügungssteuer und "Nebenansprüche" hiezu auf den Betrag von S 65.488,-- herabgesetzt wurde.
In der Begründung diese Bescheides legte die belangte Behörde zunächst dar, weswegen ihres Erachtens der Beschwerdeführer im Haftungszeitraum als Verpächter eines lebenden Unternehmens und nicht als Vermieter von Geschäftsräumlichkeiten anzusehen sei; dies auf der Grundlage des zwischen dem Beschwerdeführer und der genannten Ges.m.b.H. am 6. August 1984 abgeschlossenen Bestandvertrages, der auszugsweise wie folgt lautet:
"PACHTVERTRAG
...
I.
Der Verpächter verpachtet und der Pächter pachtet das dem Verpächter gehörende Gassenlokal in W.
II.
Das Pachtobjekt besteht aus
...
und den zum Betriebe des Gast- und Schankgewerbes bestimmten Einrichtungsgegenständen, wie sie in dem in zwei Exemplaren ausgefertigten Inventar genau verzeichnet sind. ...
III.
Der Pachtzins beträgt pro Monat S 5.000,-- (fünftausend).
.....
V.
Das Pachtverhältnis beginnt mit heutigem Tag und wird auf
3 Jahre abgeschlossen und endet mit Ablauf der Kündigungsfrist.
......
VI.
Sofortige Auflösungsgründe:
Der Verpächter hat das Recht der sofortigen
Vertragsauflösung, wenn
a) der Pächter den Gewerbebetrieb einstellt,
b) der Pächter die Betriebsart ohne die Genehmigung des
Verpächters in dem Maße ändert, daß eine neue Konzession
notwendig ist,
c) der Pächter mit der ... Bezahlung in Rückstand bleibt
und die Zahlung trotz Mahnung mittels eingeschriebenen Briefes
innerhalb einer Nachfrist von zehn Tagen ... nicht bewirkt hat,
d)
...
e)
der Pächter die Steuern nicht pünktlich bezahlt,
...
XII.
Der Pächter verpflichtet sich dem Pächter und dessen Beauftragten einmal monatlich Einsicht in die gesamte Buchhaltung zwecks Einhaltung des Vertrages zu geben.
XV.
Den im Gastraum aufgestellten Musikapparat, sowie andere Vergnügungsautomaten verpflichtet sich der Pächter auf seine Kosten während der Geschäftszeit stets mit el. Strom zu versorgen. Der Erlös des angeführten Musikapparates entfällt zur Gänze dem Verpächter. ... Es ist dem Pächter nicht gestattet, in den gepachteten Lokalitäten Automaten jeder Art aufzusetzen, bzw. aufzustellen.
..."
Dieser Vertrag sei aus folgenden Gründen als Pachtvertrag
anzusehen:
Der Beschwerdeführer habe (neben eingerichteten Räumlichkeiten) der Bestandnehmerin nicht nur Betriebsmittel zur Verfügung gestellt, sondern habe diese auch den Warenbestand des Beschwerdeführers übernommen. Weiters habe die Bestandnehmerin zufolge des Vertragsauflösungsgrundes Punkt VI a ("der Pächter den Gewerbebetrieb einstellt") auch eine Betriebspflicht getroffen. Dieser Auflösungsgrund entspreche auch nicht nur den Kündigungsgründen des § 30 Abs. 2 Z. 4, 6 und 7 MRG. Welche Bedeutung der Beschwerdeführer der Aufrechterhaltung des Betriebes im bisherigen Rahmen zugemessen habe, sei auch daraus zu ersehen, daß als weiterer Auflösungsgrund des Vertrages in Punkt VI b die Änderung der Betriebsart ohne Genehmigung des Beschwerdeführers vorgesehen gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei somit bestrebt gewesen, "den Betrieb als lebendes Unternehmen zu erhalten". Für diese Beurteilung sprächen auch die Vertragsklauseln, wonach der Beschwerdeführer den Bestandvertrag bei nicht pünktlicher Entrichtung der Steuern durch die Bestandnehmerin sofort auflösen (Punkt VI e) und Kenntnis über diese Umstände allmonatlich durch Einsicht in die gesamte Buchhaltung der Bestandnehmerin erhalten könne (Punkt XII). Auch das Vorliegen eines Kundenstockes sei zu bejahen, weil nach der Aktenlage die Betriebsform unverändert geblieben sei und im Gastgewerbe erfahrungsgemäß der Kundenkreis durch die örtliche Lage bestimmt sei. Das Fehlen einer Gewerbeberechtigung" sei ohne Bedeutung, weil der Pächter eines Betriebes die gleichen Voraussetzungen zu erfüllen habe, "als wenn er selbst eine eigene Gewerbeberechtigung erwirbt (vgl. § 40 Abs. 2 GewO)". Überdies sei seit Inkrafttreten der Gewerbeordnung 1973 die vorher erforderliche Bedarfsprüfung bei Gast- und Schankgewerben weggefallen und bestehe somit weder für den Verpächter noch den Pächter ein besonderes Motiv, auch die Gewerbeberechtigung zum Gegenstand eines Pachtvertrages zu machen. Bei Gesamtbetrachtung des vorliegenden Bestandvertrages zeige sich, daß die für Pacht sprechenden Gesichtspunkte die dagegen sprechenden Gesichtspunkte überwögen, zumal gerade bei einem Gastgewerbebetrieb das zur Verfügung gestellte Lokal und die Geschäftseinrichtung die tragenden Unternehmensgrundlagen seien. Die beantragten Zeugeneinvernahmen hätten deswegen nicht durchgeführt werden brauchen, weil der Inhalt des schriftlich geschlossenen Vertrages bekannt sei und der Beschwerdeführer nicht behauptet habe, daß von diesem Vertrag mündlich abweichende Vereinbarungen getroffen worden seien.
Hinsichtlich der Höhe der Haftungsbeträge heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen, der ausgewiesene Haftungsbetrag von S 11.137,-- an Getränkesteuer sei in einem Vorhalt detailliert erläutert worden und es habe der Beschwerdeführer diesbezüglich keinen Einwand erhoben. Der Haftungsbetrag für Vergnügungssteuer setze sich wie folgt zusammen:
"S 36.000,-- Vergnügungssteuer Februar bis April 1987
S 720,-- Säumniszuschlag
S 366,-- Pfändungsgebühr
S 402,-- Zinsen
S 28.000,-- Kostenvorschuß für Konkurs
S 65.488,--"
Der Haftungsbetrag für die Getränkesteuer und für die
Nebenansprüche hiezu finde im Pachtschilling (13 Monate
x Pachtschilling pro Monat von S 5.000,-- = S 65.000,--) leicht
Deckung. Im Hinblick darauf, daß veranstaltungsrechtlich zwei
Münzspielapparate zulässig gewesen seien, überschreite der
Haftungsbetrag für die Vergnügungssteuer und die Nebenansprüche
hiezu auch nicht "die gesetzlichen Grenzen im Sinne des
Art. III des Gesetzes vom 30. Juni 1989 (3 x S 24.000,--)".
Die Haftung umfasse gemäß § 5 Abs. 2 WAO auch die Nebenansprüche zu den Abgaben, somit auch die Stundungszinsen und die Kosten des Vollstreckungs- und Sicherungsverfahrens.
Da nach der Aktenlage eine rasche Einhebung der Steuerrückstände bei der Bestandnehmerin nicht möglich sei, entspreche die Geltendmachung der Haftung den in § 18 WAO normierten Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit. Die Heranziehung der Geschäftsführerin der Primärschuldnerin vor dem Beschwerdeführer sei auf Grund der Subsidiarität der Geschäftsführerhaftung nicht zulässig.
Mit Beschluß vom 11. Juni 1991, B 985/90-6, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Beschwerde ab. Mit weiterem Beschluß dieses Gerichtshofes vom 30. Juli 1991, B 985/90-8, wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, nicht als Haftpflichtiger für Abgabenrückstände der Primärschuldnerin herangezogen zu werden.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Bedachtnahme darauf und auf die vom Beschwerdeführer erstattete Replik erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 2 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. Nr. 2, in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juni 1989, LGBl. Nr. 33, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971, das Gefrorenessteuergesetz für Wien 1983 und das Vergnügungssteuergesetz 1987 geändert werden, haftet, wenn die Steuerpflicht in einem Pachtbetrieb entsteht, der Verpächter für die Steuerbeträge, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung durch den Pächter liegenden Kalenderjahres entfallen, mit folgenden Einschränkungen:
1. Der Verpächter haftet für jedes Kalenderjahr bis zu 110 vH des Steuerbetrages, der im zweitvorangegangenen Kalenderjahr im verpachteten Betrieb angefallen ist; hat der Betrieb nicht das ganze Vergleichsjahr bestanden, so ist der im Vergleichsjahr angefallene Steuerbetrag auf ein ganzes Jahr hochzurechnen, hat er überhaupt nicht bestanden, so ist ein vergleichbarer Betrieb heranzuziehen.
2. Der Verpächter haftet aber immer bis zur Höhe des Pachtschillings, der für den Zeitraum, für den die Haftpflicht besteht, vereinbart wurde.
Nach Art. IV. Abs. 1 zweiter Satz des zuletzt genannten Gesetzes ist die oben angeführte Bestimmung auch auf Steuerzeiträume vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes anzuwenden.
Gemäß dem zweiten Satz des § 34 Abs. 4 des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963 in der Fassung LGBl. Nr. 35/1986 haftet, wenn die Vergüngungssteuer einen Pachtbetrieb betrifft, der Verpächter neben dem früheren Pächter für die Steuerbeträge, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung durch den Pächter liegenden Kalenderjahres entfallen.
§ 13 Abs. 4 des im Beschwerdefall grundsätzlich noch nicht anzuwendenden Vergnügungssteuergesetzes 1987 - VGSG, LGBl. Nr. 43, idF des Art III des LGBl. Nr. 33/1989 lautet wie folgt:
"(4) Der Inhaber der für die Vergnügung benützten Räume oder Grundstücke haftet neben dem Unternehmer für die Vergnügungsteuer, sofern er nicht selbst steuerpflichtig ist. Entsteht die Steuerpflicht in einem Pachtbetrieb, so haftet der Verpächter für die Steuerbeträge, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung durch den Pächter liegenden Kalenderjahres entfallen, mit folgenden Einschränkungen:
1. Der Verpächter haftet für jedes Kalenderjahr bis zu 110 vH des Steuerbetrages, der im zweitvorangegangenen Kalenderjahr im verpachteten Betrieb angefallen ist; hat der Betrieb nicht das ganze Vergleichsjahr bestanden, so ist der im Vergleichsjahr angefallene Steuerbetrag auf ein ganzes Jahr hochzurechnen, hat er überhaupt nicht bestanden, so ist ein vergleichbarer Betrieb heranzuziehen. In den Fällen des § 1 Abs. 1 Z. 3 haftet der Verpächter jedoch jedenfalls für die Steuer für die veranstaltungsrechtlich höchstzulässige Anzahl von Apparaten zusätzlich einer Musikbox.
2. Der Verpächter haftet aber immer bis zur Höhe des Pachtschillings, der für den Zeitraum, für den die Haftpflicht besteht, vereinbart wurde."
Gemäß Art. IV des Landesgesetzes für Wien Nr. 33/1989 gilt der eben im Wortlaut wiedergegebene Art. III sinngemäß unter anderem auch für das Vergnügungssteuergesetz für Wien 1963. Die geänderten Bestimmungen sind auch auf Steuerzeiträume vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes anzuwenden.
Eine Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung käme nur dann in Betracht, wenn es sich beim Bestandverhältnis in der Tat um Pacht und nicht etwa um Miete handelte.
Für die Unterscheidung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht lassen sich - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt - fest anwendbare Regeln nicht aufstellen. Es kommt nach der Rechtsprechung vielmehr auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalles an. Maßgebend ist, wenn für die Betriebszwecke geeignete Räume vorhanden sind, für welche der beiden Möglichkeiten (Raummiete oder Unternehmenspacht) sich die Vertragsparteien entschieden haben, wobei es darauf ankommt, ob ein lebendes Unternehmen (Pacht) oder bloß Geschäftsräume in Bestand gegeben und Einrichtungsgegenstände beigestellt werden (Miete).
Eine Unternehmenspacht liegt in der Regel vor, wenn tatsächlich ein lebendes Unternehmen (im weitesten Sinn) Gegenstand des Bestandvertrages ist, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Begriff des "good will" gehört, übergeben wird. Neben den Räumen muß dem Bestandnehmer in der Regel auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und dessen wirtschaftlichem Fortbestand gehört, also Betriebsmittel, Warenlager, Kundenstock und Gewerbeberechtigung. Das bedeutet aber nicht, daß im Einzelfall alle diese Merkmale gegeben sein müßten. Selbst das Fehlen einzelner dieser Betriebsgrundlagen läßt noch nicht darauf schließen, daß eine Geschäftsraummiete und nicht eine Unternehmenspacht vorliegt, wenn nur die übrigen Betriebsgrundlagen vom Bestandgeber bereitgestellt werden und das lebende Unternehmen als rechtliche und wirtschaftliche Einheit fortbesteht. Unerheblich ist die von den Parteien gewählte Bezeichnung des Bestandverhältnisses. Es kommt immer nur darauf an, welchen Umständen die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Im allgemeinen wird die Vereinbarung einer Betriebspflicht wichtigstes Kriterium eines Pachtvertrages sein, sofern dies auf einem wirtschaftlichen Interesse des Bestandgebers am Bestehen und der Art des Betriebes beruht. Die Betriebspflicht allein vermag freilich noch kein Pachtverhältnis begründen, sie spricht zwar in der Regel, aber nicht immer für eine Unternehmenspacht. Für eine Unternehmenspacht spricht unter anderem auch, wenn der Zins von der Höhe des Umsatzes abhängt. Die Überlassung einer Konzession ist kein notwendiges Erfordernis, wohl aber gleichfalls ein Indiz für die Annahme einer Pacht.
Auch ein stillgelegtes Unternehmen kann Gegenstand eines Pachtvertrages sein, wenn es sich nur um einen vorübergehenden Zustand handelt und einer jederzeitigen Wiederaufnahme des Betriebes nichts im Wege steht. Die Eigenschaft eines "lebenden Unternehmens" geht dann noch nicht verloren, wenn es sich nur um eine kurzfristige Betriebsunterbrechung handelt. Hingegen war kein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrages, wenn der Bestandnehmer den Bestandgegenstand erst mit erheblichem Aufwand betriebsfähig zu machen hatte, ein Warenlager und ein nennenswerter Kundenstock nicht vorhanden waren und der Betrieb seit Monaten eingestellt war (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1992, Zl. 89/17/0259, und die dort jeweils angeführte Lehre und weitere Rechtsprechung).
Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer schon im Verwaltungsverfahren wiederholt behauptet und Zeugen dafür angeboten, daß der nach Ansicht der Verwaltungsinstanzen vom Beschwerdeführer verpachtete Betrieb schon im Zeitpunkt des Abschlusses des Bestandvertrages am 6. August 1984 stillgelegt gewesen sei.
Nach dem oben Gesagten kann auch ein stillgelegtes Unternehmen Gegenstand eines Pachtvertrages sein; wie schwer der Umstand der Stillegung für die Beurteilung wiegt, ob ein lebendes Unternehmen Gegenstand eines Bestandvertrages war, hängt insbesondere von der Dauer der Stillegung bzw. davon ab, inwieweit sich in dieser Zeit ein allfälliger Kundenstock verflüchtigt hat. In beiden Punkten hat aber die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen und auch das Ermittlungsverfahren nach der Aktenlage ergänzungsbedürftig gelassen. Wiewohl im Beschwerdefall eine Reihe von gewichtigen Umständen für das Vorliegen eines Pachtverhältnisses spricht - nämlich die Überlassung eines Warenlagers an die Bestandnehmerin; die Vereinbarung von Auflösungsgründen, die auf ein wirtschaftliches Interesse des Beschwerdeführers an der Führung eines Gast- und Schankgewerbebetriebes durch die Bestandnehmerin hindeuten, sowie die offenbar ebenfalls diesem Zweck dienende Vertragsbestimmung, mit der dem Beschwerdeführer ein allmonatliches Einsichtsrecht in die Buchhaltung der Bestandnehmerin gesichert wurde -, läßt sich doch angesichts der fehlenden Sachverhaltsfeststellungen in Verbindung mit dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten und gegen das Vorliegen von Pacht sprechenden Umstand - es ist dies hauptsächlich der verhältnismäßig geringe, fixe Bestandzins - noch nicht abschließend beurteilen, ob der Beschwerdeführer einen lebenden Betrieb oder doch nur Geschäftsräumlichkeiten in Bestand gegeben hat.
Zu dieser wesentlichen Verletzung von Verfahrensvorschriften kommt aber noch eine Verkennung der Rechtslage hinsichtlich des Haftungsbetrages für Vergnügungssteuer und Nebenansprüche aus folgenden Gründen:
Die belangte Behörde erachtet den Anspruch auf Erstattung eines im Konkurs der Primärschuldnerin vom Magistrat der Stadt Wien erlegten, aber offensichtlich als Masseforderung nicht wieder hereingebrachten Kostenvorschusses von S 28.000,-- als Nebenanspruch zur Vergnügungssteuer für die Monate Februar bis April 1987.
Dem widerspricht der Beschwerdeführer im wesentlichen mit dem Argument, daß es sich bei diesem Erstattungsanspruch nicht um einen Nebenanspruch (zur Vergnügungssteuer) im Sinne des § 2 Abs. 2 WAO handle. Zwar sei in der lit. b dieser Gesetzesstelle im Zusammenhang mit der Erwähnung der Nebengebühren der Abgaben auch von "Kosten (Gebühren und Auslagenersätze) des Vollstreckungs- und Sicherungsverfahrens" die Rede, bei dem in Rede stehenden Kostenvorschuß handle es sich aber nicht um solche Kosten.
Gemäß § 72 Abs. 2 Konkursordnung (KO) ist der Konkurs trotz des Fehlens eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens (Konkurshindernisses) dennoch zu eröffnen, wenn der Antragsteller einen Anfechtungsanspruch glaubhaft macht oder auf Anordnung des Gerichtes innerhalb einer bestimmten Frist einen von diesem zu bestimmenden Betrag zur Deckung der Kosten vorschußweise erlegt. Einen solchen Kostenvorschuß kann das Gericht auch dann fordern, wenn ein Anfechtungsanspruch glaubhaft gemacht wird. Im letzten Satz dieser Gesetzesstelle ist bestimmt, daß, wenn der Antragsteller den Kostenvorschuß rechtzeitig erlegt, ER
DESSEN ERSATZ NUR ALS MASSEFORDERUNG GELTEND MACHEN KANN.
NEBENANSPRÜCHE im Sinne des § 2 Abs. 2 WAO sind GELDLEISTUNGEN, die zwar nicht unter den § 1 leg. cit. fallen, DIE aber KRAFT EINER BESONDEREN GESETZLICHEN NORM IN EINEM ABGABENVERFAHREN (in der Regel neben den Abgaben, aber auch ohne Rücksicht auf eine Abgabenpflicht) ZU ENTRICHTEN SIND (vgl. Reeger-Stoll, Bundesabgabenordnung zur analogen Bestimmung des § 3).
Beim Kostenvorschuß gemäß § 72 Abs. 2 KO besteht weder eine gesetzliche Pflicht zur Leistung desselben durch die Abgabenbehörde noch auch eine gesetzliche Pflicht für irgendjemanden, der Abgabenbehörde für den nicht als Masseforderung einbringlichen Teil des Kostenvorschusses Ersatz zu leisten. Der Kostenvorschuß fällt auch nicht im Rahmen eines abgabenbehördlichen Festsetzungs-, Vollstreckungs- und/oder Sicherungsverfahrens an, sondern im Rahmen eines INSOLVENZverfahrens. Der in Rede stehende Anspruch ist weder ein selbständiger Abgabenanspruch noch auch ein Nebenanspruch hiezu und er ist auch nicht in einem Abgabenverfahren geltend zu machen; § 5 Abs. 2 WAO stellt daher keine Rechtsgrundlage dafür dar, die Haftung für Vergnügungssteuer auch auf den Ersatz des Kostenvorschusses zu erstrecken. Im genannten Umfang war daher die Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers inhaltlich rechtswidrig.
Die belangte Behörde hat darüber hinaus nicht beachtet, daß auch eine Verpächterhaftung bei sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 4 Z. 2 des Vergnügungssteuergesetzes 1987 IMMER NUR BIS
ZUR HÖHE DES FÜR DEN HAFTUNGSZEITRAUM VEREINBARTEN
PACHTSCHILLINGS besteht. Nach dieser Gesetzesstelle spielt nämlich die in der Z. 1 leg. cit. erwähnte "veranstaltungsrechtlich höchstzulässige Anzahl von Apparaten zusätzlich einer Musikbox" keine Rolle. Auch insoweit die Haftungsinanspruchnahme für Vergnügungssteuern und Nebenansprüche darüber hinausgeht, hat die belangte Behörde daher die Haftung gegenüber dem Beschwerdeführer jedenfalls zu Unrecht geltend gemacht.
Ob das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Haftungsinanspruchnahmen nach dem Getränke- und Vergnügungssteuergesetz hätten jeweils ZUSAMMEN im Pachtschilling Deckung zu finden, berechtigt ist, kann beim derzeitigen Verfahrensstand dahingestellt bleiben.
Hinsichtlich der Ermessensübung der belangten Behörde verweist der Verwaltungsgerichtshof auf seine Erkenntnisse vom 8. November 1978, Zlen. 1197/78, Slg. Nr. 5314/F, und Zl. 1199/78.
Da die Rechtswidrigkeit des Inhaltes der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften als Aufhebungsgrund vorgeht, mußte die Beschwerde, insoweit der angefochtene Bescheid Vergnügungssteuer und die "Nebenansprüche" hiezu zum Gegenstand hat, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, im übrigen aber gemäß Z. 3 lit. b und c dieser Gesetzesstelle wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1991170119.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
31.07.2009