TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/26 92/17/0174

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Veröffentlicht am 26.02.1993
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Index

L34009 Abgabenordnung Wien;
L37019 Getränkeabgabe Speiseeissteuer Wien;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
GetränkesteuerG Wr 1971 §7 Abs1;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;
UStG 1972 §19;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des H in W, gemäß § 24 Abs. 2 VwGG versehen mit der Unterschrift des Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 23. April 1992, Zl. MD-VfR - N 3/92, betreffend Haftung für Getränkesteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Haftungsbescheid des Magistrates der Bundeshauptstadt Wien vom 31. Juli 1991 wurde der Beschwerdeführer "auf Grund der §§ 7 Abs. 1 und 54 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 2 und 5 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, in der derzeit geltenden Fassung als Geschäftsführer der XY-GesmbH" (im folgenden GmbH) "für die in der Zeit von Mai 1989 bis November 1989 entstandene Getränkesteuerschuld im Betrag von S 38.336,-- haftbar gemacht" und zur Zahlung herangezogen. Begründend heißt es in diesem Bescheid unter Hinweis auf die §§ 7 und 54 WAO im wesentlichen, der Beschwerdeführer sei im Handelsregister als Geschäftsführer der genannten Gesellschaft eingetragen und daher verantwortlicher Vertreter gewesen. Die schuldhafte Verletzung der ihm als Vertreter gemäß § 54 WAO auferlegten Pflichten sei dadurch gegeben, daß er es unterlassen habe, für die termingerechte Entrichtung der Getränkesteuer zu sorgen. Der Haftpflichtige habe entgegen seiner Darstellung keinerlei Zahlungen getätigt, um den Getränkesteuerrückstand der Abgabepflichtigen zu reduzieren; es sei daher die gesetzliche Voraussetzung für seine Haft- und Zahlungspflicht gegeben.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen sinngemäß aus, es seien ihm keinerlei flüssige Mittel zur Steuerabfuhr zur Verfügung gestanden. Ein Verschulden an der Nichtentrichtung der Abgaben läge daher nicht vor.

Über Aufforderung der Abgabenbehörde erster Instanz legte der Beschwerdeführer zum Beweis seines Vorbringens mit Schreiben vom 17. September 1991 den Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 23. April 1990, Zl. 4 Nc 140/90, in Ablichtung vor, mit dem ein Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH mangels eines zur Deckung der Kosten eines Konkursverfahrens hinreichenden Vermögens abgewiesen wurde.

Einer weiteren über Vorhalt ergangenen Stellungnahme vom 24. Oktober 1991 legte der Beschwerdeführer eine "Aufstellung der Aktiva und Passiva der XY-Ges.m.b.H. i. L. mit November 1989" bei.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 20. Dezember 1991 wies der Magistrat der Stadt Wien die Berufung als unbegründet ab.

Der Beschwerdeführer stellte den Antrag, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung unter Hinweis auf die §§ 7 Abs. 1 und 54 Abs. 1 WAO als unbegründet ab. Dies mit der Begründung, vom Beschwerdeführer werde nicht bestritten, daß die ausgewiesene Abgabenforderung gegen die GmbH bestehe. Weiters stehe unbestritten fest, daß der Beschwerdeführer alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei; damit gehöre er zu dem im § 54 Abs. 1 WAO angeführten Personenkreis. Nach der Aktenlage stehe auch fest, daß die angeführten Abgabenrückstände bei der Gesellschaft uneinbringlich seien, zumal der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels eines zur Deckung eines solchen voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen worden sei. Die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ergebe sich aus der Mißachtung der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Getränkesteuergesetz für Wien 1971 (Wr GStG), wonach der Steuerpflichtige bis zum zehnten Tag eines jeden Monats die Steuer für die im Vormonat abgegebenen Getränke zu entrichten habe; diesem Gebot sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es Aufgabe des Geschäftsführers nachzuweisen, daß ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für die Gesellschaft unmöglich gewesen sei, weil nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen derjenige, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfülle, die Gründe darzutun habe, aus denen ihm die Erfüllung unmöglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen werden könne, daß er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen sei. Nach der Aktenlage habe der Beschwerdeführer ein in diese Richtung gehendes stichhältiges Vorbringen nicht erstattet. Von einem mangelnden Verschulden des Beschwerdeführers könne schon deswegen nicht ausgegangen werden, weil die Getränkesteuer - wirtschaftlich betrachtet - vom Konsumenten entrichtet werde und somit die Mittel zu deren Bezahlung hätten vorhanden sein müssen. Wer eine Steuerpflicht erfülle, könne nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach die Befolgung eines Gesetzes nicht strafbar machen könne, nicht wegen Begünstigung des Fiskus nach § 158 Abs. 1 StGB verantwortlich werden. Daß die Unterlassung der rechtzeitigen Bezahlung der Getränkesteuer ursächlich für deren spätere Uneinbringlichkeit gewesen sei, sei evident.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht verletzt, nicht "als Haftender für Getränkesteuer" der GmbH herangezogen zu werden. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 WAO haften die in den §§ 54 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflicht nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 54 Abs. 1 WAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu mit den §§ 7, 54 WAO gleichartigen Rechtsvorschriften in anderen Landesabgabenordnungen sowie in der Bundesabgabenordnung setzt eine darauf gestützte Haftungsinanspruchnahme voraus, daß die rückständigen Abgaben uneinbringlich wurden und dies auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters zurückzuführen ist. Die Heranziehung des Vertreters zur Haftung gemäß § 7 Abs. 1 WAO hat weiters zur Voraussetzung, daß zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters und der Uneinbringlichkeit der Forderung ein Rechtswidrigkeitszusammenhang besteht. Das Tatbestandsmerkmal "... infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können" ist etwa dann als erfüllt anzusehen, wenn der Vertretene bei oder nach Fälligkeit der Verbindlichkeiten Mittel für die Bezahlung - gegebenenfalls nach gleichmäßiger Aufteilung der Bezahlungsmittel auf alle Verbindlichkeiten - zur Verfügung hatte und nicht - wenn auch nur anteilig - für die Abgabentilgung Sorge getragen hat. Insoweit - der Vertreter darf Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen aus dem von ihm verwalteten Vermögen zu begleichenden Schulden, auch wenn nicht verlangt wird, daß der Abgabengläubiger vor allen übrigen Gläubigern befriedigt wird - ist auch das Ausmaß der Haftung bestimmt.

Weiters ist zu beachten, daß der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, es sei Sache des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er nicht Sorge dafür tragen konnte, daß die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Außerdem hat der Vertreter darzutun, daß er die Abgabenforderungen bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat. Diese den Vertreter treffende qualifizierte Mitwirkungspflicht kann freilich nicht so aufgefaßt werden, daß die Abgabenbehörde jedweder Ermittlungspflicht entbunden wäre (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 88/17/0216, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Nach dem Akteninhalt sind im Beschwerdefall das Bestehen der Abgabenforderung, die Stellung des Beschwerdeführers als Vertreter und die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung unbestritten. Strittig ist die Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung und der Kausalität der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung konkret behauptet, hinsichtlich des Haftungszeitraumes seien ihm keinerlei flüssige Mittel zur Steuerabfuhr zur Verfügung gestanden.

In Verkennung der Rechtslage hat dem die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid (lediglich) - was in der Beschwerde im Ergebnis zutreffend gerügt wird - entgegengehalten, von einem mangelnden Verschulden könne schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Getränkesteuer - wirtschaftlich betrachtet - vom Konsumenten entrichtet werde und somit Mittel zu deren Bezahlung vorhanden gewesen sein müßten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem bereits zitierten Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 88/17/0216 (ebenso im hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1992, Zl. 92/17/0178), für den Bereich der Getränkesteuer zum Ausdruck gebracht, daß der Unternehmer nicht etwa eine vom Konsumenten geschuldete Abgabe einbehält, sondern selbst Abgabenschuldner ist. Dort schloß sich der erkennende Senat dem hg. Erkenntnis vom 10. Juni 1980, Zl. 535/80, an, in dem der Gerichtshof dargetan hat, daß (unter anderem) der Umsatzsteuer keine dem Grundgedanken des Steuerabzuges vom Arbeitslohn, wonach der Arbeitgeber eine vom Arbeitnehmer geschuldete Abgabe einbehält, gleichartige Konstruktion zugrunde liege, sodaß bei dieser Abgabe der Unternehmer selbst Abgabenschuldner (§ 19 Abs. 1 UStG 1972) sei. Stünden ausreichende Mittel zur Entrichtung dieser Abgabe nicht zur Verfügung, so könne dies eine für die Uneinbringlichkeit kausale schuldhafte Verletzung der Abfuhrpflicht ausschließen.

Hiezu kommt aber noch, daß die gegenteilige Auffassung gegen das oben dargelegte Gebot zur Gleichbehandlung aller Gläubiger verstieße; es kann, wie bereits dargelegt, nicht verlangt werden, daß der Abgabengläubiger vor allen übrigen Gläubigern befriedigt wird. Dies könnte jedoch dann der Fall sein, wenn man die Auffassung verträte, mit der "Einhebung" der auf den Konsumenten überwälzten Getränkesteuer zusammen mit dem Entgelt seien die Mittel zu deren Entrichtung unter allen Umständen ZUR GÄNZE vorhanden (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 88/17/0216).

Ausgehend von dieser Rechtsauffassung ist der Hinweis der belangten Behörde, daß nicht wegen Begünstigung des Fiskus nach § 158 Abs. 1 StGB verantwortlich gemacht werden könne, wer eine Steuerpflicht erfülle, ohne rechtliche Bedeutung.

Da die belangte Behörde die Rechtslage im oben aufgezeigten Sinn verkannte, war ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992170174.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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