TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/10 92/01/1065

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Veröffentlicht am 10.03.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
AVG §37;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Juli 1992, Zl. 4.332.829/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Februar 1992 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer - ein albanischer Staatsangehöriger, der am 15. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist - nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Juli 1992 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Begründung des angefochtenen Bescheides enthält zwar verschiedene allgemeine Rechtssätze, und es wurde abschließend von der belangten Behörde zum Ausdruck gebracht, daß eine den Beschwerdeführer betreffende Verfolgungsgefahr auch "durch die vergangenen Ereignisse" nicht habe bescheinigt werden können, weshalb seine Flüchtlingseigenschaft zu verneinen gewesen und ihm kein Asyl zu gewähren sei. Sie hat sich aber mit den (von ihr gar nicht wiedergegebenen) Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Fluchtgründe anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung am 27. Jänner 1992, zu denen insbesondere auch seine Behauptungen über mehrmalige Mißhandlungen bei Verhören nach der Teilnahme an Demonstrationen zählen, und allenfalls in der Berufung, in der eine unrichtige bzw. unvollständige Protokollierung dieser erstinstanzlichen Angaben geltend gemacht wurde, nicht auseinandergesetzt. Sie hat sich im wesentlichen vielmehr damit begnügt, im Rahmen der von ihr zu treffenden Prognose bezüglich des Bestehens einer Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer auf die in seinem Heimatland geänderten politischen Verhältnisse seit seiner Ausreise (laut Niederschrift vom 27. Jänner 1992 im Dezember 1991, laut Berufung bereits im April 1991) hinzuweisen. Sie hat diesbezüglich ausgeführt, daß sich alles, was der Beschwerdeführer im Asylverfahren vorzubringen vermocht habe, auf die Situation in seinem Heimatland zur Zeit des stalinistischen Regimes und vor allem während der Umbruchszeit 1991/92 bezogen habe. In der Zwischenzeit habe sich jedoch die Lage in Albanien in geradezu spektakulärer und dramatischer Weise geändert. Die derzeit auch effektiv in Kraft stehende Verfassung vom 29. April 1992 gewähre die liberalen Grundrechte wie Glaubens-, Presse- und Versammlungsfreiheit, das Streikrecht, Freizügigkeit und Privateigentum und sichere deren Beachtung durch Institutionen der gewaltenteilenden palamentarisch-pluralistischen Demokratie. Es seien im Laufe des Jahes 1991 sämtliche politische Häftlinge freigelassen worden und keine Fälle staatlicher Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sonstigen sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung mehr bekannt geworden. Nicht geleugnet werden könne die triste wirtschaftliche Lage, ebensowenig die hohe Kriminalitätsrate im Heimatland des Beschwerdeführers; nur stellten diese sicherlich bedauerlichen Mißstände keine "Verfolgung" durch staatliche Organe im Sinne des § 1 Asylgesetz 1991 dar.

Der Beschwerdeführer bestreitet dies und bringt zusammenfassend vor, daß weiterhin Übergriffe mit stillschweigender Duldung der Behörden seines Heimatlandes, wenn auch diese "nun nicht mehr aktiv verfolgen", geschähen. Die belangte Behörde habe demnach ein völlig unwahres Bild von der Wirklichkeit gewonnen, indem sie nur auf den äußeren Schein abgestellt habe, und kein entsprechendes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Dabei handelt es sich um kein gegen das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstoßendes Vorbringen, wurde doch dem Beschwerdeführer, wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, im Verwaltungsverfahren keine Gelegenheit gegeben, zu den von der belangten Behörde herangezogenen Sachverhalt Stellung zu nehmen. Die von ihr für die Ablehnung des Asylantrages maßgebende Argumentation, insbesondere hinsichtlich der geänderten Verfassungsrechtslage, aber auch der Freilassung politischer Gefangener, schließt die Richtigkeit der Behauptung des Beschwerdeführers, es bestehe auf Grund der faktischen politischen Verhältnisse in seinem Heimatland für ihn weiterhin eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der Konventionsgründe, nicht aus (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1993, Zlen. 92/01/0761, 0762).

Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Damit erübrigte sich eine Entscheidung des Berichters über den (zur hg. Zl. 93/01/0063 protokollierten) Antrag des Beschwerdeführers, der vorliegenden Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Parteienvernehmung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992011065.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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