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95 TechnikNorm
B-VG Art18 Abs2 Verordnung Nr 26 der Bundes-Ingenieurkammer vom 16.05.75, Z1064/75, kundgemacht in den Amtlichen Nachrichten der Bundeskammer und der Länderkammern am 22.05.75 Pkt 2 Verordnung der Bundes-Ingenieurkammer vom 27.06.72, Z1130/72, bzw vom 30.10.73, Z2090/73, kundgemacht in den Amtlichen Nachrichten der Bundeskammer und der Länderkammern am 19.03.74 - Standesregeln für Ziviltechniker Pkt 3.6. IngenieurkammerG §6 IngenieurkammerG §31Leitsatz
Aufhebung eines Punktes der Standesregeln für Ziviltechniker sowie Feststellung der Gesetzwidrigkeit eines Teils einer Verordnung der Bundes-Ingenieurkammer wegen Wegfalls der gesetzlichen Grundlagen infolge deren Aufhebung mit Erkenntnis des VerfassungsgerichtshofesSpruch
1. Die Standesregel 3,6. der Ziviltechniker, Verordnung der Bundes-Ingenieurkammer vom 27. Juni 1972, Z1130/72, bzw. vom 30. Oktober 1973, Z2090/73, kundgemacht in den Amtlichen Nachrichten der Bundeskammer und der Länderkammern am 19. März 1974, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Der zweite Satz des Punktes 2. der 26. Verordnung der Bundes-Ingenieurkammer vom 16. Mai 1975, Z1064/75, kundgemacht in den Amtlichen Nachrichten der Bundeskammer und der Länderkammern am 22. Mai 1975, war gesetzwidrig.
3. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind folgende Beschwerdeverfahren nach Art144 B-VG anhängig:
a) Der Beschwerdeführer des zu B398/87 protokollierten Verfahrens wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten bei der Bundes-Ingenieurkammer vom 23. Februar 1987 schuldig erkannt, durch Unterschreitung der verbindlich erklärten Gebührenordnung durch Abgabe eines Angebotes betreffend die Ausschreibung von Ziviltechnikerleistungen gegen Punkt 3,6. der Standesregeln verstoßen und ein Disziplinarvergehen gemäß §48 Abs1 Z2 Ingenieurkammergesetz (IKG), BGBl. 71/1969, begangen zu haben, weswegen über den Beschwerdeführer gemäß §49 Ingenieurkammergesetz eine Geldstrafe von insgesamt S 14.970,-- verhängt wurde.
Der Beschwerdeführer des zu B623/87 protokollierten Verfahrens wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten bei der Bundes-Ingenieurkammer vom 2. März 1987 schuldig erkannt, durch Unterschreitung der von der Ingenieurkammer festgesetzten Mindestgebühren bei der Angebotslegung einen Vermessungsauftrag erhalten zu haben, weswegen als Disziplinarstrafe gemäß §49 Abs1 Z1 Ingenieurkammergesetz der schriftliche Verweis ausgesprochen wurde.
Der Beschwerdeführer des zu B228/89 protokollierten Verfahrens wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten bei der Bundes-Ingenieurkammer vom 11. Oktober 1988 schuldig erkannt, durch Unterschreitung der verbindlich erklärten Gebührenordnung gegen Punkt 3,6. der Standesregeln der österreichischen Ziviltechniker verstoßen und ein Disziplinarvergehen gemäß §48 Abs1 Z2 Ingenieurkammergesetz begangen zu haben. Gemäß §49 Ingenieurkammergesetz wurde deswegen über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 53.400,-- verhängt.
b) Gegen diese drei Bescheide wenden sich die Beschwerden, in denen sich die Beschwerdeführer unter anderem wegen Anwendung näher bezeichneter rechtswidriger genereller Normen in ihren Rechten verletzt erachten und die Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragen.
c) Die Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten bei der Bundes-Ingenieurkammer legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in den Gegenschriften, den Beschwerden keine Folge zu geben.
2. Der Verfassungsgerichtshof beschloß aus Anlaß dieser drei Beschwerdefälle gemäß Art139 B-VG, die Gesetzmäßigkeit folgender Verordnungsbestimmungen von Amts wegen zu prüfen:
a) des zweiten Satzes des Punktes 2. der 26. Verordnung der Bundes-Ingenieurkammer vom 16. Mai 1975, Z1064/75, kundgemacht in den Amtlichen Nachrichten der Bundeskammer und der Länderkammern am 22. Mai 1975, sowie
b) der Standesregel 3,6. der Ziviltechniker, Verordnung der Bundes-Ingenieurkammer vom 27. Juni 1972, Z1130/72, bzw. vom 30. Oktober 1973, Z2090/73, kundgemacht in den Amtlichen Nachrichten der Bundeskammer und der Länderkammern am 19. März 1974.
Die unter a) genannte Verordnung wurde vom Kammertag der Bundes-Ingenieurkammer gestützt auf §31 IKG erlassen. Punkt 2. dieser Verordnung lautet (der in Prüfung gezogene Satz ist hervorgehoben):
"Diese neu festgelegte Gebührenordnung wird nach gesetzmäßiger Abwicklung des Verfahrens gemäß §31 Abs2 des Ingenieurkammergesetzes hiemit als Mindestgebührenordnung für verbindlich erklärt. Ihre Unterschreitung ist unzulässig und unterliegt der disziplinären Verfolgung."
Mit der unter b) genannten Verordnung wurden - gestützt auf §30 IKG - Standesregeln für Ziviltechniker erlassen. Diese Standesregeln enthalten im dritten Abschnitt "Verhalten gegenüber dem Auftraggeber" unter anderem folgende Anordnung:
"3,6. Jede Unterschreitung verbindlich erklärter Gebührenordnungen der Bundes-Ingenieurkammer ist verboten."
Die Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens erfolgte, weil der Verfassungsgerichtshof das Bedenken hatte, daß diese Bestimmungen - welche eine disziplinäre Sanktion bei Unterschreitung der verbindlichen Mindestgebühren festlegen - bei verfassungskonformer Interpretation des Gesetzes der gesetzlichen Deckung entbehren.
In seiner Äußerung im Verordnungsprüfungsverfahren vertrat der Kammertag der Bundes-Ingenieurkammer zusammengefaßt die Auffassung, daß einerseits die in Prüfung gezogenen Verordnungsstellen lediglich zutreffende und zulässige Hinweise auf gesetzliche Regelungen ohne selbständige normative Bedeutung darstellten, und daß andererseits die diesen Verordnungsstellen zugrundeliegenden gesetzlichen Regelungen (§6 Abs3 Satz 1, §31 und §48 Abs1 Z2 IKG) verfassungsrechtlich unbedenklich seien (sodaß die vom Verfassungsgerichtshof vorgenommene Interpretation nicht verfassungsrechtlich geboten sei).
3. Aus Anlaß dieses Verordnungsprüfungsverfahrens beschloß der Verfassungsgerichtshof am 28. Februar 1990, die Verfassungsmäßigkeit folgender Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 22. Jänner 1969 über die Ingenieurkammern (Ingenieurkammergesetz, IKG), gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen zu prüfen:
a) der Worte "und verbindlich erklärten Gebührenordnungen (§31)" in §6 Abs3;
b)
des Wortteiles "Mindest" im ersten Satz des §31 Abs1;
c)
des zweiten Satzes des §31 Abs1;
d)
des Absatzes 2 des §31;
e)
des Absatzes 3 des §31;
f)
der Z2 des §48 Abs1.
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G40-45/90, hob der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmungen - mit Ausnahme der Z2 des §48 Abs1 IKG - als verfassungswidrig auf. In den Entscheidungsgründen legte der Verfassungsgerichtshof dar, seine vorläufige Annahme im Verordnungsprüfungsverfahren, das Ingenieurkammergesetz sei einer verfassungskonformen Auslegung dahingehend zugänglich, daß es eine disziplinäre Verfolgung der Unterschreitung von Mindestgebühren nicht ermögliche (die "Verbindlicherklärung" habe bloß vertrags- und wettbewerbsrechtliche Folgen), treffe nicht zu. Bei einer solchen verfassungskonformen Auslegung entstünde nämlich ein unauflösbarer Wertungswiderspruch, weil ein Verstoß gegen die Berufspflichten, Standesregeln und verbindlich erklärten Gebührenordnungen aus dem ersten Satz des §6 Abs3 IKG sanktionslos bleiben würde, anders als bloße Ordnungswidrigkeiten darstellende Pflichtverletzungen nach dem zweiten und dritten Satz des §6 Abs3 IKG. Aus diesem Ergebnis folgte weiter, daß die genannten gesetzlichen Bestimmungen mit Art6 StGG nicht vereinbar sind und daher aufzuheben waren.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Da das vorliegende Verordnungsprüfungsverfahren den Anlaßfall zur Aufhebung der unter I.3. genannten gesetzlichen Bestimmungen bildet, sind diese Bestimmungen im vorliegenden Verfahren nach Art140 Abs7 B-VG nicht mehr anzuwenden.
2. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom heutigen Tag, G40-45/90, im Rahmen der Prüfung der Präjudizialität dieser gesetzlichen Bestimmungen für das Verordnungsprüfungsverfahren festgestellt hat, bildeten sie die gesetzliche Grundlage für die im vorliegenden Verfahren zu prüfenden Verordnungsbestimmungen. Da den in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen die gesetzliche Grundlage entzogen wurde, sind diese wegen Widerspruchs zu Art18 B-VG gesetzwidrig.
III. Da der zweite Satz des Punktes 2. der 26. Verordnung der Bundes-Ingenieurkammer vom 16. Mai 1975 durch den seit 1. Jänner 1989 geltenden Allgemeinen Teil der Gebührenordnungen (81. Verordnung der Bundes-Ingenieurkammer vom 13. Juni 1988) außer Kraft gesetzt wurde, war diesbezüglich mit einem Ausspruch nach Art139 Abs4 B-VG vorzugehen.
Der Ausspruch über die Kundmachung beruht auf Art139 Abs5
B-VG.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Ziviltechniker, Ingenieurkammer, Disziplinarrecht Ziviltechniker, VerordnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:V38.1989Dokumentnummer
JFT_10098997_89V00038_00