Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art144 Abs3 idF 1984/296;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kratschmer, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde des D in P, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 12. Juli 1988, Zl. 3-30 K 308-88/2, betreffend Kosten für Maßnahmen zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Nach einem Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft (in der Folge kurz BH) vom 6. August 1987 wurde am 5. August 1987 anläßlich der Bereisung der Hochwasserschadensgebiete festgestellt, daß im Bereich der ca. 1,50 m überfluteten P-Mühle des Beschwerdeführers infolge Aufschwimmens eines Heizöltankes größere Mengen Heizöl ausgetreten waren. Infolge Gefahr im Verzug wurden nachstehende Sofortmaßnahmen angeordnet:
"1. Das oberflächlich schwimmende Mineralöl ist durch Ausbringen von geeigneten Ölsperren so weit stationär zu halten, daß eine weitere Kontamination der Umgebung hintangehalten werden kann.
2. Das innerhalb des Sperrenbereiches sich ansammelnde schwimmende Mineralöl ist durch Abschnüffeln mittels geeignetem Vakuumsaugwagen zu sammeln und einer Entsorgung gemäß Sonderabfallgesetz zuzuführen.
3. Die auf diese Art und Weise nicht erreichbaren Mineralölreste sind durch Aufbringen von Ölbindepulver, welches dem Typ I entspricht, zu binden. Das mit Öl kontaminierte Ölbindepulver ist hernach einzusammeln und ordnungsgemäß zu entsorgen."
Mit Bescheid vom 11. Februar 1988 verpflichtete die BH den Beschwerdeführer gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 693/1988, zum Ersatz der Kosten für die am 5. August 1987 durch die Wasserrechtsbehörde zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung durch Mineralöl unmittelbar wegen Gefahr im Verzug angeordneten und durchgeführten Maßnahmen in Höhe von S 300.465,06. Begründend wurde ausgeführt, am 5. August sei infolge eines Hochwasserereignisses Wasser in den Keller (in dem sich eine Ölfeuerungsanlage mit dem zum Betrieb nötigen Öltank befand) des Hauses des Beschwerdeführers eingedrungen; offensichtlich zufolge des Auftriebes seien die Ölleitungen beschädigt worden und einige Tausend Liter Heizöl leicht, Schwechat 2000 R, ausgetreten und über die Öffnungen im Keller ins Freie gelangt. Da aufgrund des Hochwasserereignisses die Gefahr des Abschwemmens des Mineralöles und damit die konkrete Gefahr einer weiteren Verunreinigung des Wassers der Laßnitz und des diese begleitenden Grundwasserstromes (und damit auch der grundwasserstromabwärts gelegenen Wasserversorgungsanlagen) durch Mineralöl gegeben gewesen sei, hätte für die Beschaffenheit dieser Gewässer Gefahr im Verzug bestanden und seien über Anordnung der Wasserrechtsbehörde die oben beschriebenen Maßnahmen angeordnet und in der Folge unverzüglich durchgeführt worden. Die dabei aufgelaufenen Kosten von S 300.465,06 inklusive 10 % Mehrwertsteuer habe der Beschwerdeführer als gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 Verpflichteter zu tragen.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer berufen und ausgeführt, die Vollziehung des § 31 Abs. 3 WRG 1959 falle, da es sich um eine Schadenersatznorm handle, in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte; auch seien keine Erhebungen darüber angestellt worden, ob der zuständige Vertreter der BH den Auftrag zur Durchführung der Maßnahmen erteilt habe, wie viele Liter Heizöl aus dem Tank ausgeronnen seien, und ob die technisch einwandfreie und ökonomische Schadensbeseitigung tatsächlich einen Kostenaufwand von S 300.465,06 erfordert habe. Er beantragte daher die Beiziehung eines Sachverständigen zwecks Überprüfung der Höhe des getätigten Aufwandes sowie die Einvernahme des die notstandspolizeilichen Maßnahmen anordnenden Beamten. Im übrigen sei sein Öltank überprüft worden; das Hochwasserereignis sei "höhere Gewalt", und es könnten daher daraus resultierende Folgen nicht dem Beschwerdeführer zugerechnet werden.
Mit dem nun bekämpften Bescheid vom 12. Juli 1988 wies der Landeshauptmann von Steiermark die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab und führte im wesentlichen aus: Die Zuständigkeit der BH als Wasserrechtsbehörde zur Vollziehung des § 31 Abs. 3 WRG 1959 ergebe sich aus § 98 leg. cit.; § 31 Abs. 3 leg. cit. verpflichte den Verursacher verschuldensunabhängig zum Kostenersatz; Anknüpfungspunkt sei nicht der Eintritt eines konkreten Schadens, sondern nur der Eintritt einer konkreten Gewässergefährdung (im Gegenstand der hochwasserbedingte Mineralölaustritt aus der Tankanlage des Verpflichteten). Notstandspolizeiliche Maßnahmen setzten ein rasches Eingreifen zur Verhinderung eines Schadenseintrittes voraus; es bleibe daher keine Zeit für ein ordentliches Verfahren und zeitaufwendige Sachverständigengutachten. Nachdem die BH die "allernotwendigsten Erste-Hilfe-Maßnahmen" zur Hintanhaltung der Kontaminierung von Grund- und Oberflächenwässern angeordnet habe, seien weitere dringend erforderliche Zusatzmaßnahmen "seitens der inzwischen verständigten Sachverständigen des Ölalarmdienstes der Landesbaudirektion Fachabteilung IIIc" (= Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallbeseitigung) angeordnet worden. Nach Hochwasserrückgang hätten weitere umfangreiche Sanierungsmaßnahmen im Gebäudeinneren durchgeführt werden müssen, da infolge Absinkens des Wasserstandes bis unter Fußbodenniveau nicht nur die Gefahr der Grundwasserverseuchung, sondern auch die Gefährdung der Baubsubstanz gegeben gewesen sei. Art, Umfang und Ausmaß der getroffenen Maßnahmen seien im - auch dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme übermittelten - Rechnungsformular der Firma A vom 30. Oktober 1987 detailliert aufgelistet worden, und es könne den Sachverständigen des Referates für Ölalarm aufgrund ihrer umfangreichen Ausbildung sowie ihrer langjährigen Erfahrung in diesem spezifischen Bereich durchaus zugemutet werden, nur die vordringlichsten Maßnahmen zur Hintanhaltung der Gewässerverunreinigung getroffen und gleichzeitig den wirtschaftlichen Aspekt des getätigten Aufwandes berücksichtigt zu haben. Die Behauptungen des Beschwerdeführers, die veranschlagten Kosten seien zu hoch bemessen worden, beruhten lediglich auf Vermutungen, und es sei ein Sachverständigengutachten, das die Aussagen der Amtssachverständigen zu widerlegen geeignet wäre, nicht beigebracht worden.
Diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst beim Verfassungsgerichtshof bekämpft. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 12. Juni 1990, B 1503/88, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der vorliegenden, inhaltliche sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer erkennbar in seinem Recht, nicht zum Kostenersatz verpflichtet zu werden, verletzt. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Gegenstand wurde der angefochtene Bescheid noch vor Inkrafttreten der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1988, BGBl. Nr. 693, am 1. Jänner 1989 erlassen, weshalb die damit eingeführte sukzessive Zuständigkeit des Gerichtes hinsichtlich Kostenentscheidungen (§ 117 Abs. 1 leg. cit.), die nach dem hg. Beschluß vom 12. November 1991, Zl. 91/07/0081, auch für Kostenentscheidungen nach § 31 Abs. 3 leg. cit. gilt, nicht gegeben war.
Gemäß § 31 Abs. 1 WRG 1959 hat jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, mit der im Sinne des § 1297, zutreffendenfalls mit der im Sinne des § 1299 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches gebotenen Sorgfalt seine Anlagen so herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben oder sich so zu verhalten, daß eine Gewässerverunreinigung vermieden wird, die den Bestimmungen des § 30 zuwiderläuft und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt ist. Nach dem ersten Satz des Abs. 2 desselben Paragraphen hat der nach Abs. 1 Verpflichtete, wenn dennoch die Gefahr einer Gewässerverunreinigung eintritt, unverzüglich die zur Vermeidung einer Verunreinigung erforderlichen Maßnahmen zu treffen und die Bezirksverwaltungsbehörde, bei Gefahr im Verzug den Bürgermeister oder die nächste Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu verständigen. Nach Abs. 3 dieses Paragraphen hat die Wasserrechtsbehörde, wenn die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzug unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Wenn wegen Gefahr im Verzug eine Anordnung der Wasserrechtsbehörde nicht abgewartet werden kann, ist der Bürgermeister befugt, die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Gefahr im Verzug ist jedenfalls gegeben, wenn eine Wasserversorgung gefährdet ist.
Verpflichteter im Sinne des § 31 Abs. 1 WRG 1959 ist jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können. Unabhängig von dem darin bestimmten, vom Verpflichteten aufzuwendenden Grad der Sorgfalt zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung wird nach Abs. 2 desselben Paragraphen jeder, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, bereits bei Eintritt einer Gefahr einer Gewässerverunreinigung zu einem bestimmten Handeln verpflichtet, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die eingetretene Gefährdung verschuldet oder unverschuldet war. Dies ergibt sich aus dem Worte "dennoch", das in diesem Zusammenhang nur so verstanden werden kann, daß nicht nur den, der seine Pflichten vernachlässigt hat, die Verpflichtung nach § 31 Abs. 2 WRG 1959 trifft, sondern auch den, der seine Pflichten nicht verletzt hat, oder daß alle im ersten Absatz dieser Gesetzesstelle angeordneten Vorsorgen eingehalten wurden, gleichwohl aber die Gefahr einer Gewässerverunreinigung auftritt, der unverzüglich begegnet werden muß, um den Eintritt einer Verunreinigung zu verhindern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1970, Slg. N.F. Nr. 7893/A). § 31 Abs. 3 WRG 1959 knüpft an Abs. 2 derselben Gesetzesstelle an. Der nach Abs. 3 Verpflichtete ist mit dem nach Abs. 2 Verpflichteten identisch. Verpflichteter im Sinne des Abs. 3 kann daher sein, wer eine Anlage oder ein Tankfahrzeug hält oder Maßnahmen setzt bzw. Unterlassungen begeht, die eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können. Die Verpflichtung dieses Personenkreises zur Vornahme der zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen ist von einem Verschulden unabhängig.
Unbestritten ist im Beschwerdefall, daß aus der Heizölanlage des Beschwerdeführers Mineralöl ausgetreten ist, die konkrete Gefahr einer Gewässerverunreinigung bestanden hat und daher Sofortmaßnahmen im Sinne des § 31 WRG 1959 erforderlich waren. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war er jedenfalls zur Setzung von Maßnahmen nach § 31 leg. cit. verpflichtet, weil die Heizöltankanlage ihm als "Anlage" zurechenbar ist.
Hatte der Beschwerdeführer aber keine ausreichenden Maßnahmen gesetzt, obschon die konkrete Gefahr einer Gewässerverunreinigung eingetreten ist, dann war die Wasserrechtsbehörde nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 verpflichtet (arg. "hat"), die zur Vermeidung der Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Hiebei kam es - wie dargetan - nicht darauf an, ob die im Abs. 1 verankerten Vorsorgen schuldhaft unterlassen wurden, sondern vielmehr darauf, daß durch die Anlage objektiv die Gefahr einer Verunreinigung eingetreten ist.
Der angefochtene Bescheid führt nun zwar aus, daß die "allernotwendigsten Erste-Hilfe-Maßnahmen .... von der zuständigen Wasserrechtsbehörde angeordnet" worden seien, ergänzt jedoch, daß "weitere dringend erforderliche Zusatzmaßnahmen seitens der inzwischen verständigten Sachverständigen des Ölalarmdienstes der Landesbaudirektion der Fachabteilung IIIc angeordnet" worden seien. Da nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 dem Verpflichteten nur die von der zuständigen WASSERRECHTSBEHÖRDE angeordneten Maßnahmen zum Kostenersatz vorgeschrieben werden dürfen, eine derartige Differenzierung aber von der belangten Behörde gerade nicht vorgenommen worden ist (auch die von der AGS vorgelegte Rechnung differenziert diesbezüglich nicht, sondern bezieht sich nur auf zwischen 5. und 10. August 1987 ausgeführte Arbeiten), ist insoweit der angefochtene Bescheid ohne entsprechende rechtliche Grundlage ergangen.
Da die belangte Behörde in der bezeichneten Hinsicht die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 206/1989, insbesondere dessen Art. III Abs. 2; das Mehrbegehren war abzuweisen, da im Fall der Abtretung einer Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegenden Beschwerdeführer kein Ersatz der Stempelgebühren, die er im vorangegangenen Verfahren vor dem Verfassungerichtshof entrichten mußte, gebührt (Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 681).
Schlagworte
Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1990070105.X00Im RIS seit
12.11.2001Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009