TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/12 92/07/0163

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Veröffentlicht am 12.03.1993
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/09 Gemeindeaufsicht;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

BGdAG 1967 §3 Abs1;
BGdAG 1967 §7;
B-VG Art10 Abs1 Z10;
B-VG Art10 Abs2;
B-VG Art118;
B-VG Art119a Abs3;
B-VG Art119a Abs5;
WRG 1959 §36 Abs1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 99/07/0044 E 25. November 1999

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kratschmer, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 24. Juli 1992, Zl. Ib-8244/2-1992, betreffend Verpflichtung zum Anschluß an eine Gemeindewasserversorgungsanlage (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde S), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 23. April 1992 entschied der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dieses Beschwerdeverfahrens (in der Folge: mP) gemäß § 2 der Wasserleitungsordnung der mP vom 8. Februar 1972 (in der Folge: WLO), kundgemacht gemäß § 53 der Tiroler Gemeindeordnung 1966, LGBl. Nr. 4, über den Antrag des Beschwerdeführers vom 14. April 1992 um teilweise Befreiung vom Anschlußzwang an die Gemeindewasserversorgungsanlage wie folgt:

"1. Der Wirtschaftsteil des "L-Hofes" (A 1) wird vom Anschluß- und Benützungszwang befreit.

2. Der Wohnteil des "L-Hofes", das Zuhaus und das Melkerhaus (A1a u. A2) sind an die Gemeindewasserversorgung anzuschließen und darf nur Gemeindewasser zur Verwendung gelangen.

3. Die Bewilligung wird an folgende Auflagen gebunden

a) Das aus dem Tiefbrunnen auf Grundstücke 2701 S geschrotete Wasser darf nur für Nutzwasserzwecke im landwirtschaftlichen Betrieb des "L-Hofes" verwendet werden.

b) Es muß eine dauerhafte körperliche Trennung zwischen Trinkwassernetz der Gemeinde und Nutzwassernetz gegeben sein.

c) Die notwendigen installationstechnischen Arbeiten sind innerhalb eines Monates nach Rechtskraft dieses Bescheides durchzuführen.

d) Sollte ein Zähler noch nicht eingebaut sein, so ist ein von der Gemeinde geeichter Wasserzähler an gut sichtbarer und leicht zugänglicher Stelle einzubauen, der den Verbrauch in den oben beschriebenen drei Wohneinheiten erfaßt.

4. Gemäß Tarifpost 24 der Gemeindeverwaltungsabgabenverordnung 1990 ist eine Verwaltungsabgabe in Höhe von S 460,-- innerhalb von zwei Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides zu entrichten."

Begründend führte die Behörde erster Instanz aus, der Beschwerdeführer verfüge zwar aufgrund des Bescheides des Landeshauptmannes von Tirol vom 1. März 1971 über eine wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung eines Tiefbrunnens zwecks Versorgung eines Bauerhofes samt Zuhauses und Melkerwohnung; zwischenzeitig sei der "L-Hof" des Beschwerdeführers jedoch wesentlich erweitert und zu einem Beherbungsbetrieb ausgebaut worden; für das Gebiet der mP bestünde gemäß § 2 Abs. 1 WLO ein Anschluß- und Benützungszwang für alle im erschließbaren Bereich der Wasserversorgungsanlage gelegenen Gebäude, wobei nach Abs. 2 dieses Paragraphen über Antrag davon eine Befreiung gewährt werden könne, wenn Gründe der Gesundheitspflege und der Feuersicherheit nicht entgegenstünden. Im gegenständlichen Fall werde das Wasser einerseits im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes, andererseits für einen Gastgewerbebetrieb sowie für Wohnhäuser benützt. Es bestünden keine Bedenken, wenn für den landwirtschaftlichen Betrieb das Brunnenwasser Verwendung finde; für einen Gastgewerbebetrieb sei jedoch das geschrotete Wasser trotz der bisherigen positiven Untersuchungsbefunde nicht geeignet.

Der Gemeindevorstand der mP gab der vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung mit Bescheid vom 21. Mai 1992 gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und führte aus:

Sinn und Zweck des Anschlußzwanges sei einmal die Sicherung mit hygienisch einwandfreiem Wasser, dann die Sicherung der ordnungsgemäßen Löschwasserversorgung sowie die "Solidarität der Gemeindebürger". Auch wenn das vom Beschwerdeführer derzeit geschrotete Wasser "genußtauglich" sei, bleibe bei einer privaten Wasserversorgungsanlage immer ein Restrisiko, das die Gemeinde als Sanitätsbehörde nicht zu tragen bereit sei; dies gelte sowohl für den "L-Hof" als auch die ebenfalls bewohnten Nebengebäude bezüglich Trinkwasserversorgung; es sei daher Gemeindewasser für Trink-, das bisher erschrotete Wasser jedoch künftig nur für Nutzwasserzwecke (wozu auch Feuerlöschzwecke zählten) des landwirtschaftlichen Betriebes des Beschwerdeführers zu verwenden.

Die gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobene Vorstellung wies die Tiroler Landesregierung mit dem angefochtenen Bescheid vom 24. Juli 1992 gemäß § 112 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 idF LGBl. Nr. 98/1991 als unbegründet ab. Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, die bisherige chemisch-bakteriologische Kontrolle des erschroteten Wassers des Beschwerdeführers biete im Vergleich zu den Möglichkeiten der Gemeinde als Sanitätsbehörde und als Betreiber einer großen Gemeindewasserversorgungsanlage keine absolute Sicherheit für die Gesundheit von Menschen. Darüber hinaus sei auch aus feuerpolizeilichen Gründen der Anschluß an die Gemeindewasserversorgungsleitung erforderlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift ebenso wie die mP die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 WLO besteht für alle im erschließbaren Bereich der Wasserversorgungsanlage gelegenen Gebäude Anschluß- und Benützungszwang. Der erschließbare Bereich umfaßt innerhalb der bestehenden Anlage das Gebiet beidseitig der Hauptleitungen bis zu einer Entfernung von 100 m. Dieser erschließbare Bereich kann im Zuge einer Sanierung der Gemeindewasserversorgungsanlage neu festgelegt und genauer begrenzt werden. Über Antrag kann nach Abs. 2 dieses Paragraphen eine Befreiung vom Anschluß- und Benützungszwang gewährt werden, wenn Gründe der Gesundheitspflege und der Feuersicherheit nicht entgegenstehen sowie bei Errichtung neuer Anlagen der Bestand der Gemeindeanlage in wirtschaftlicher Beziehung nicht gefährdet ist.

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, daß die vom gegenständlichen Anschlußzwang betroffenen Gebäude und Liegenschaften des Beschwerdeführers im "erschließbaren Bereich" der Gemeindewasserversorgungsanlage liegen.

Gemäß § 36 Abs. 1 WRG 1959 kann zur Wahrung der Interessen eines gemeinnützigen öffentlichen Wasserversorgungsunternehmens ein Anschlußzwang vorgesehen, ferner die Einschränkung der Errichtung eigener Wasserversorgungsanlagen oder deren Auflassung dann verfügt werden, wenn und insoweit die Weiterbenutzung bestehender Anlagen die Gesundheit gefährden oder die Errichtung neuer Anlagen den Bestand der öffentlichen Wasserleitung in wirtschaftlicher Beziehung bedrohen könnte. Die näheren Bestimmungen bleiben der Landesgesetzgebung überlassen. Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt erkannt hat, ist die Ermächtigung des § 36 Abs. 1 WRG 1959 verfassungskonform, d.h. sie geht über Art. 10 Abs. 2 B-VG (wonach in den nach Art. 10 Abs. 1 Z. 10 B-VG - also auch in der Materie "Wasserrecht" - ergehenden Bundesgesetzen die Landesgesetzgebung ermächtigt werden kann, zu genau zu bezeichnenden einzelnen Bestimmungen Ausführungsbestimmungen zu erlassen) nicht hinaus; die Einrichtung des Zwanges, nur bestimmtes Wasser zu benützen und die Benützung anderen Wassers zu unterlassen, somit die Regelung des Anschluß- und Benutzungszwanges, ist sohin eine Regelung des Wasserrechtes (vgl. VfSlg. 4883, 6059). Die Gemeinde handelt daher, insoweit sie Anschluß- und Benützungszwang regelt und vollzieht, im Vollziehungsbereich des Bundes.

Die mP hat die gegenständliche WLO aber nicht auf eine § 36 WRG 1959 ausführende landesgesetzliche Bestimmung, sondern auf § 28 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 (idF zuletzt BGBl. 98/1991) gestützt. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung (in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 50/1986) hat in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinderat das Recht, nach freier Selbstbestimmung ortspolizeiliche Verordnungen zur Abwehr unmittelbar zu erwartender oder zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Mißstände zu erlassen und die Nichtbefolgung solcher Verordnungen als Verwaltungsübertretung zu erklären. Nach Abs. 2 dieses Paragraphen dürfen Verordnungen nach Abs. 1 nicht gegen bestehende Gesetze und Verordnungen des Landes und des Bundes verstoßen.

Diese Bestimmung entspricht der in Art. 118 Abs. 6 B-VG niedergelegten Ermächtigung der Gemeinde, in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches ortspolizeiliche Verordnungen zu erlassen.

Die Gemeindebehörden haben - gestützt auf die unter Gebrauchnahme vom ortspolizeilichen Verordnungsrecht erlassene Verordnung - den Beschwerdeführer zum Anschluß an die Gemeindewasserleitung verpflichtet.

Hat aber die Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich in einer Angelegenheit aus dem Vollziehungsbereich des Bundes (hier: Wasserrecht nach Art. 10 Abs. 1 Z. 10 B-VG) gehandelt, ist zuständige Aufsichtsbehörde (und daher zuständig zur Entscheidung über die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes) nach Art. 119a Abs. 3 und 5 B-VG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 und § 7 Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetz BGBl. Nr. 123/1967, der Landeshauptmann.

Im Gegenstand hat aber über die Vorstellung des Beschwerdeführers die Tiroler Landesregierung entschieden. Der angefochtene Bescheid war demnach wegen - von Amts wegen wahrzunehmender - Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Damit erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft zur Rechtsverfolgung nicht erforderliche Stempelgebühren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992070163.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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