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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des A in N, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Februar 1992, Zl. 4.324.274/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 5. Februar 1992 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 14. Oktober 1991, mit dem festgestellt worden war, daß die Voraussetzungen für die Anerkennung des Beschwerdeführers als Flüchtling nicht vorlägen, ab und sprach aus, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.
Begründend führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, am 23. September 1991 illegal in das Bundesgebiet eingereist sei. Am 1. Oktober 1991 habe er einen Asylantrag gestellt, wobei er im Verlauf seiner niederschriftlichen Befragung am 11. Oktober 1991 folgendes angegeben habe: Er habe Volkswirtschaft studiert, sei seit 1982 Mitglied der Jatio-Partei und habe sein Land aus politischen Gründen verlassen. Im März 1991 hätten Wahlen stattgefunden, aus denen die BNP als Sieger hervorgegangen sei. Im Mai 1991 sei es zu Kampfhandlungen zwischen Anhängern der Jatio-Partei und jenen der BNP im Bereich der Universität in Dhaka gekommen, wobei mehrere Studenten erschossen und einige schwer verletzt worden seien. Da der Beschwerdeführer in diese Vorfälle aktiv verwickelt gewesen sei, habe die Polizei nach ihm gesucht. Er habe jedoch niemanden verletzt oder getötet. In Punkt 7 der Niederschrift habe er dagegen angegeben, nicht gesucht zu werden und keine strafbaren Handlungen begangen zu haben.
In seiner Berufung gegen den Bescheid erster Instanz habe der Beschwerdeführer angegeben, er habe sein Studium an der Universität in Dhaka bereits beendet und sei schon während des Studiums, nämlich seit 1985, Mitglied der Jatio-Partei (richtig: Studentengruppe dieser Partei) gewesen, 1988 sei er dieser Partei (richtig: Hauptgruppe dieser Partei) beigetreten. Am 16. Dezember 1989 sei es zu einem Zusammenstoß mit Anhängern der BNP gekommen, wobei es viele Verletzte gegeben habe und ein Mann getötet worden sei. Er selbst und weitere Mitglieder der Jatio-Partei seien daraufhin von einem Angehörigen der BNP angezeigt worden. Er sei am 20. Jänner 1989 verhaftet und nach 50 Tagen gegen Zahlung einer Kaution freigelassen worden. Am 12. Jänner 1991 habe die Jatio-Partei bei den Wahlen eine Niederlage erlitten, der ehemalige Präsident und Parteiführer der Jatio-Partei sei zu einer 10jährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die BNP habe die Angehörigen der Jatio-Partei unter Druck gesetzt. So habe auch der Beschwerdeführer im Jänner 1991 vom Gericht eine Anklageschrift bekommen. Er habe daher beschlossen, seine Heimat zu verlassen.
Die belangte Behörde vertrat nach Darlegung der Rechtslage die Auffassung, daß aufgrund der zahlreichen Widersprüche, zwischen Berufungsvorbringen und Ersteinvernahme, bzw. in der Ersteinvernahme selbst, die Behauptungen im Berufungsantrag anzuzweifeln seien und eher dem erstinstanzlichen Vorbringen die Glaubwürdigkeit zuzusprechen sei, da erfahrungsgemäß die Angaben der Asylwerber anläßlich der Ersteinvernahme der Wahrheit am nächsten kämen. Dem überschießenden Berufungsvorbringen könne daher nicht die volle Glaubwürdigkeit zuteil werden. Auch würden behördliche Ermittlungstätigkeiten betreffend Delikte wie Körperverletzung "bzw. jene mit Todesfolge" keine Verfolgungshandlungen gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention darstellen. Bei der ihm vorgeworfenen Teilnahme an einer Schlägerei zwischen Anhängern der Jatio-Partei und der BNP handle es sich um ein strafrechtlich relevantes Delikt, sodaß das Einschreiten der Polizei mit anschließenden Ermittlungen eine kriminalistische Perspektive widerspiegle. Laut Berichten der verschiedensten Organisationen, wie Amnesty International, sei in der Heimat des Beschwerdeführers eine demokratische Regierung an der Macht, die den Konsens mit allen Parteien suche. Eine Verfolgung aus politischen Gründen sei daher nicht mit der erforderlichen Sicherheit "indiziert".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde hat das erstinstanzliche Vorbringen des Beschwerdeführers, mit welchem er Furcht vor Verfolgung wegen seiner Teilnahme an einer tätlichen Auseinandersetzung mit Mitgliedern der BNP geltend gemacht hat, deshalb als zur Bescheinigung von Fluchtgründen ungeeignet erachtet, weil es sich bei diesen behördlichen Ermittlungen um solche wegen eines strafrechtlich relevanten Deliktes handle. Mit dieser Auffassung befindet sich die belangte Behörde angesichts des Umstandes, daß der Beschwerdeführer keine Argumente dafür vorgebracht hat, die Nachforschungen wegen seiner Teilnahme an dieser gewalttätigen Auseinandersetzung stünden in einem solchen Zusammenhang mit seiner politischen Tätigkeit bzw. Meinung, der es rechtfertigen würde, die wegen dieser Tat drohende Strafverfolgung als Verfolgung wegen der politischen Gesinnung (oder aus einem anderen in der Flüchtlingskonvention angeführten Grund) anzusehen, in Übereinstimmung mit der hg. Judikatur (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1992, Zl. 92/01/0086).
Den über das erstinstanzliche Vorbringen hinausgehenden Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Berufung hat die belangte Behörde deshalb die Glaubwürdigkeit versagt, weil erfahrungsgemäß die Angaben eines Asylwerbers bei seiner ersten Einvernahme der Wahrheit am nächsten kämen. Doch auch bei Zugrundelegung der Berufungsausführungen wäre für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil die von ihm ins Treffen geführte Inhaftierung wegen eines Vorfalles im Jahre 1989, bei dem ein Mann getötet worden sei, in einen Zeitraum fällt, in dem die Jatio-Partei, der der Beschwerdeführer angehörte, seinen Angaben zufolge an der Macht war, sodaß die Inhaftierung nicht als politisch motiviert angesehen werden kann. Aber auch die weiteren im Jahre 1991 erfolgten gerichtlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit diesem Vorfall könnten im Hinblick darauf, daß es sich um die Tötung eines Menschen handelte, nicht von vornherein als politisch motiviert und somit auch nicht als Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention angesehen werden.
Der Beschwerdeführer hat in Ausführung der Verfahrensrüge geltend gemacht, die belangte Behörde sei zu Unrecht nicht darauf eingegangen, daß er in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid eingewendet habe, bei der Einvernahme durch die Behörde erster Instanz "geistig nicht ganz anwesend" gewesen zu sein. Diese der Behörde tatsächlich unterlaufene Unterlassung stellt zwar einen Verfahrensmangel dar, kann aber nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, weil der Beschwerdeführer einerseits nicht gehindert war, alles was er bei seiner Erstbefragung nicht vorzubringen vermocht hat, in der Berufung ins Treffen zu führen, und weil andererseits auch bei Zugrundelegung der Angaben in der Berufung - wie dargelegt - die belangte Behörde nicht zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.
Die Befürchtung des Beschwerdeführers, er hätte in seinem Heimatland kein faires Verfahren zu erwarten, erweist sich mangels Vorliegens von Verfolgung aus Konventionsgründen als irrelevant, wobei der Beschwerdeführer mit diesem erstmals in der Beschwerde geltend gemachten Vorbringen dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG) unterliegt, sodaß auf diese Ausführungen nicht mehr weiter eingegangen werden mußte.
Der Beschwerdeführer hat richtig aufgezeigt, daß aus der demokratischen Legitimation einer Regierung allein noch nicht darauf geschlossen werden kann, diese würde unter keinen Umständen (allenfalls gesetzlich nicht oder nur zum Schein gedeckte) Versuche zur Ausschaltung politischer Gegner unternehmen. Angesichts des Umstandes, daß es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, seine Person individuell betreffende Verfolgung darzutun, kann die gegenteilige, aber nicht der tragenden Bescheidbegründung zuzurechnende Ansicht der belangten Behörde nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes führen.
Bei diesem Ergebnis konnte aber auch die aufgezeigte Unterlassung der Mitteilung von Berichten verschiedener Organisationen (insbesondere Amnesty International), auf die sich die belangte Behörde - allerdings nur hilfsweise - gestützt hat, zur Stellungnahme nicht als wesentlicher Verfahrensfehler gewertet werden, weil auch bei dessen Vermeidung die belangte Behörde zu keinem anderen Bescheid hätte gelangen können.
Nur der Vollständigkeit halber ist noch auszuführen, daß mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, der einvernehmende Beamte der Sicherheitsdirektion wäre mit flüchtlingsrechtlichen Fragen nicht vertraut gewesen, bzw. es wäre ein nicht geeigneter Dolmetsch bei der Ersteinvernehmung anwesend gewesen, da Urdu bloß eine von ihm gesprochene Fremdsprache, seine Muttersprache jedoch Bengali sei, lediglich Verfahrensfehler erster Instanz behauptet werden, aber keine Mängel des Berufungsverfahrens, die zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen könnten, dies ganz abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer zum Abschluß der Vernehmung ausdrücklich erklärt und dies auch mit seiner Unterschrift bestätigt hat, daß er den Inhalt der Niederschrift verstanden und nichts mehr hinzuzufügen habe.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992010720.X00Im RIS seit
20.11.2000