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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §13 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der N in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 29. Juni 1992, Zl. 645.209/5-5/92, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens nach dem Opferfürsorgegesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird zur Vorgeschichte des vorliegenden Beschwerdefalles auf das den Parteien bekannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Jänner 1991, Zl. 90/09/0134, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde die damalige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 4. Juli 1990 als unbegründet abgewiesen, mit welchem im Instanzenzug bestätigt worden war, daß der Beschwerdeführerin die bis dahin bezogene Unterhaltsrente nach dem Opferfürsorgegesetz (OFG) ab dem 1. März 1985 nicht mehr gebührt und für die Zeit vom 1. März 1985 bis zum 30. November 1989 ein Übergenuß in der Höhe von S 257.866,-- entstanden ist.
Mit dem weiteren Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juni 1991, Zl. 91/09/0026, ist auch die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 8. Jänner 1991 als unbegründet abgewiesen worden, mit welchem festgestellt worden war, daß die Beschwerdeführerin den entstandenen Übergenuß gemäß § 54 KOVG 1957 auch tatsächlich zurückzuzahlen hat.
In der Folge sind Versuche der Beschwerdeführerin, eine Wiederaufnahme des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens herbeizuführen, gescheitert (siehe dazu die Verfahren zu hg. Zlen. 91/09/0059 und VH 91/09/0015).
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. Februar 1992 wurden ferner die Anträge der Beschwerdeführerin vom 28. März, 29. März, 4. Juli und 5. Juli 1991 auf Wiederaufnahme der mit den Bescheiden vom 4. Juli 1990 und vom 8. Jänner 1991 abgeschlossenen Verwaltungsverfahren abgewiesen. Diese Abweisung begründete die belangte Behörde sowohl damit, daß die Beschwerdeführerin in ihren Anträgen keine neuen Tatsachen und Beweismittel geltend gemacht habe, als auch damit, daß von der Beschwerdeführerin die Bestimmung des § 69 Abs. 2 AVG bezüglich der Einhaltung einer zweiwöchigen Frist (für die rechtzeitige Stellung eines Wiederaufnahmsantrages) nicht eingehalten habe.
Am 24. März 1992 gab die Beschwerdeführerin einen weiteren, mit 23. März 1992 datierten Wiederaufnahmsantrag mit folgendem
Wortlaut zur Post:
"Sehr geehrter Herr Minister Dr. X
Frau N: beantrage eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Einmal versuche Ich mein Glück bei ihnen, der letzte Beschluß ergibt eine Ablehnung.
Am Anfang sprachen Sie Bestätigungen d. heißt (Zahlungsbelege). Auch habe ich mir sagen lassen es bestünde noch Hoffnung wenn ich belegen kann, wo das Geld hingekommen ist. Mein Anwalt hat nie davon gesprochen wie hätte ich eine Ahnung gehabt. Ich hätte Zahlungsbelege noch u. noch gehabt. Denn das Geld müßte ja DA sein. Ich war 3 Jahre U-Boot, da sind sämtliche Unterlagen obhanden gekommen. Sie schreiben auch, das ich auf den Ersten Bescheid nicht reagiert Habe. Mein Bruder war damals zum Skelet abgemagert an Krebs. Und ist auch mit 58 J. gestorben. Mein Leben ist nur mit LEID ausgefüllt. Bin nur in Tränen. Habe keinen Unterstand. Bin bei Frau R nur gemeldet. Damit schriftlich erreichbar bin. War noch nie bei ihr untergebracht war noch nicht 1 Tag Es ist auch gar nicht möglich. Bin einmal da einmahl Dort. Und da muß etwas bezahlt werden. Die Garitas ist meine Rettung. Die hat mir geholfen. Bitte glauben sie mir ich bin MITTELLOß. Schicke ihnen Zahlungs Bestättigungen.
Mit großer Ehrfurcht
N geb. am 13.11.1914 in W
Dr. Y macht nichts mehr. Ohne Geld."
Dieser Eingabe waren verschiedene Urkunden (Geleitbrief des BMJ vom 2. März 1989, Schreiben der PVA der gewerblichen Wirtschaft vom 22. November 1991, Bescheid über die Vermögensteuer ab dem 1. Jänner 1980, zwei ärztliche Atteste, ein Schreiben der Beschwerdeführerin an den Bundeskanzler vom 19. Juli 1991, ein Kaufvertrag vom 7. September 1985 sowie ein Grundbuchsauszug) angeschlossen.
Ebenfalls am 24. März 1992 gab die Beschwerdeführerin ferner ein an die belangte Behörde adressiertes Kuvert zur Post, in welchem sich ohne nähere Erläuterungen diverse Ausgabenbelege (z.B. Darlehensrückzahlungen, Anwaltskosten, Fernmeldegebühren etc.) aus den Jahren 1982, 1987, 1989, 1990 und 1991 befanden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. Juni 1992 hat die belangte Behörde gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 4 AVG, § 16 Abs. 1 OFG und § 95 KOVG 1957
"die weiteren Anträge der Frau N vom 23. bzw. 24.3.1992 auf Wiederaufnahme der mit den Bescheiden des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 4.7.1990 ... bzw. 8.1.1991 ... rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahren" abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung verwies die belangte Behörde auf ihren eigenen Bescheid vom 13. Februar 1992 sowie auf die Tatsache, daß die Beschwerdeführerin weder relevante Neuerungen vorgebracht noch die Frist gemäß § 69 Abs. 2 AVG eingehalten habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten auf Bewilligung der Wiederaufnahme, auf ein fehlerfreies Verwaltungsverfahren, auf Rechtsbelehrung und Anleitung gemäß § 13 AVG und auf Parteiengehör verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.
Der Antrag auf Wiederaufnahme ist gemäß § 69 Abs. 2 AVG binnen zwei Wochen vom Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich vom Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.
Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht gemäß § 69 Abs. 4 AVG der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem.
Den im vorliegenden Fall als Wiederaufnahmsantrag behandelten Schreiben der Beschwerdeführerin vom 23. bzw. vom 24. März 1992 ist zwar nicht ausdrücklich zu entnehmen, welches mit Bescheid abgeschlossene Verfahren die Beschwerdeführerin wieder aufgenommen haben wollte, doch schadet dies deshalb nicht, weil die belangte Behörde aus dem Inhalt dieser Eingaben offenbar zutreffend geschlossen hat, es solle sich dabei um die von ihr mit den Bescheiden vom 4. Juli 1990 und vom 8. Jänner 1991 abgeschlossenen Verfahren handeln. Davon geht auch die Beschwerdeführerin selbst in ihrer Beschwerde aus.
Die belangte Behörde ist - auch hier nach dem Inhalt der Anträge der Beschwerdeführerin offenbar zutreffend und von ihr unwidersprochen - davon ausgegangen, daß die Beschwerdeführerin die von ihr beantragte Wiederaufnahme nur auf § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG, nicht aber auf die Z. 1 oder 3 dieser Gesetzesstelle gestützt hat. Unklar ist allerdings geblieben, welche neuen Tatsachen die Beschwerdeführerin damit behaupten wollte und ob und inwieweit sie die ihren Eingaben angeschlossenen Urkunden als neue Beweismittel im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG anerkannt sehen wollte.
Diese Fragen können indes, wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend erkannt und ausgeführt hat, schon deswegen unbeantwortet bleiben, weil es die Beschwerdeführerin entgegen der zwingenden Vorschrift des § 69 Abs. 2 AVG unterlassen hat, schon in ihren Anträgen anzugeben, wann sie vom Vorhandensein der von ihr geltend gemachten Beweismittel Kenntnis erlangt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 69 Abs. 2 AVG (siehe diese beispielsweise bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 612 ff) kann ein Fehlen der Angaben über die Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrages nicht als ein Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG angesehen werden. Diese fehlenden Angaben konnten von der Beschwerdeführerin auch nicht etwa in ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde nachgeholt werden. Bei dieser Sachlage kommt auch dem Umstand keine weitere Bedeutung zu, daß die Anträge der Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde und nicht bei der Behörde erster Instanz eingebracht wurden.
Da sich schon aus diesen Ausführungen ergibt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid ausreichend begründet hat, daß ihr aber auch in dem der Erlassung dieses Bescheides vorangegangenen Verfahren weder eine Verletzung der Manuduktionspflicht noch eine Verletzung des Parteiengehörs unterlaufen ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992090212.X00Im RIS seit
20.11.2000