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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1988/231;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. Februar 1992, Zl. MA 62 - III/245/91/Str, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist unbestritten als handelsrechtlicher Geschäftsführer der X-Gesellschaft m.b.H. (in der Folge kurz: GesmbH) u.a. für die Beschäftigung von Ausländern durch die GesmbH verantwortlich. Erhebungen des Landesarbeitsamtes Wien hatten ergeben, daß am 25. September 1990 an einer Baustelle der GesmbH in W mehrere Ungarn beschäftigt worden waren. In seiner Anzeige führte das Landesarbeitsamt u.a. aus, die seitens der GesmbH zu ihrer Entlastung behaupteten Volontariatsverhältnisse mit den ungarischen Arbeitskräften seien nur vorgetäuscht.
Gemäß dem Inhalt der Akten wurde dem Beschwerdeführer am 29. November 1990 von der Strafbehörde erster Instanz ein Ladungsbescheid mit dem Vorwurf zugestellt, er habe gemäß § 9 Abs. 1 VStG die gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) verstoßende Beschäftigung von insgesamt acht namentlich genannten Ungarn am 25. September 1990 am Ringturm zu verantworten. Zu seiner Rechtfertigung brachte der Beschwerdeführer am 11. Dezember 1990 vor, die GesmbH arbeite mit einer Firma S zusammen. Da diese von ihr hergestellte Materialien auch nach Ungarn exportieren wolle, habe sich die GesmbH bereit erklärt, ungarischen Firmen Einschulungsmöglichkeiten mit diesen Materialien zu geben. Dies sei auch mit Beamten der Arbeitsmarktverwaltung besprochen worden. In einer Stellungnahme dazu hielt das Landesarbeitsamt an seiner Auffassung fest, die GesmbH habe - natürlich ohne jede behördliche Zustimmung - den Volontärsbegriff bewußt mißbraucht.
In einer Stellungnahme vom 6. Februar 1991 zu den bis dahin erzielten Ermittlungsergebnissen führte der Beschwerdeführer unter Anschluß schriftlicher Unterlagen (Korrespondenz mit der Firma S und mit dem Arbeitsamt, Schulungsprogramm) im wesentlichen erneut aus, die Ungarn seien nur als Volontäre beschäftigt worden und hätten der GesmbH gegenüber weder einen Entgeltsanspruch noch eine Arbeitsverpflichtung gehabt. Eine Anzeige dieser Volontärstätigkeit sei dem AuslBG entsprechend erfolgt.
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 26. Februar 1991 wurde sodann der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer der GesmbH (§ 9 Abs. 1 VStG) gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 und § 2 Abs. 2 und 3 AuslBG schuldig erkannt, weil er es zu verantworten habe, daß die GesmbH am 25. September 1990 in Wien acht namentlich genannte Ungarn mit der Verrichtung von Fassadenarbeiten wie dem Streichen von Farbe und Flüssigkeiten beschäftigt habe, obwohl dafür weder Beschäftigungsbewilligungen noch Befreiungsscheine vorgelegen seien. Der Beschwerdeführer wurde dafür zu acht Geldstrafen zu je S 10.000,-- verurteilt.
Begründend führte die Strafbehörde erster Instanz nach Darlegung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen im wesentlichen aus, das strafbare Verhalten sei vom Landesarbeitsamt Wien angezeigt und dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden. Dessen Einwand, es habe sich bei den Ungarn um Volontäre gehandelt, sei die Stellungnahme des Landesarbeitsamtes entgegenzuhalten, wonach dies keinesfalls zugetroffen habe; vielmehr seien eindeutig Arbeitsverhältnisse vorgelegen, "da kein Instruktor vorhanden war und die Ungarn in die betriebliche Tätigkeit völlig eingebunden waren". Beim Volontär sei zur Abgrenzung vom Arbeitsverhältnis entscheidend, daß eine Arbeitsverpflichtung nicht gegeben sei, der Volontär seine jeweilige Beschäftigung frei wähle und eine Einordnung in den Betrieb (Weisungsgebundenheit, Arbeitgeberkontrolle) nicht vorliege. Stehe fest, daß der Arbeitgeber auf eine (zum Zwecke der Ausbildung) "kontinuierliche Arbeitsweise" zu achten habe, dann lasse sich daraus "eine Arbeitspflicht, aber keine freie Wahl der Tätigkeit und Einordnung in den Betrieb ableiten". Seien "Volontäre" zur Arbeitsleistung faktisch verpflichtet, so liege ungeachtet der Bezeichnung als Volontariat ein Arbeitsverhältnis vor. Die Behörde habe sich der "Rechtsweisung" angeschlossen, daß bei Verrichtung einer konkreten Arbeitsleistung, wie sie von allen anderen im Betrieb Beschäftigten auch verrichtet werde, ohne Vorhandensein eines Ausbildners, kein Volontariat vorliege, sondern ein Arbeitsverhältnis im Sinne des AuslBG.
In seiner dagegen erhobenen Berufung wiederholte der Beschwerdeführer seinen bereits im erstinstanzlichen Verfahren eingenommenen Standpunkt und führte dazu insbesondere aus, die GesmbH sei keinesfalls Arbeitgeber der Ungarn gewesen. Es habe am Entgeltanspruch einerseits und an einer Arbeitsverpflichtung andererseits völlig gefehlt. Auch habe die erste Instanz den Volontärsbegriff des AuslBG rechtlich falsch beurteilt. Insbesondere falsch sei die behördliche Annahme, es sei kein Ausbildner vorhanden gewesen.
Die belangte Behörde ergänzte im Berufungsverfahren die Ermittlungen durch Einvernahme des Zeugen H, der als Polier an der Baustelle tätig war und folgendes zu Protokoll gab:
"Die Ungarn waren zur Einschulung von Betoninstandsetzung da. Ich habe ihnen alle Arbeitsvorgänge, den ganzen Aufbau der Betoninstandsetzung gezeigt. Die Ungarn haben das, was ich ihnen gezeigt habe, probiert. Sie haben nicht selbständig, sondern unter meiner persönlichen Aufsicht gearbeitet. Wenn ihre Arbeit nicht richtig war, mußten sie den Mörtel wieder abschremmen und das Ganze noch einmal machen. So lange, bis es gepaßt hat. Was ich weiß, hatten sie keine festen Arbeitszeiten - sie sind gekommen und gegangen, wann sie wollten; manchmal sind sie ab Donnerstag nicht mehr gekommen, dann wieder am Montag und vereinzelt - es war ihnen überlassen. Zu einer bestimmten Arbeitsleistung waren sie nicht verpflichtet. Sonst kann ich nichts angeben."
Nach Kenntnisnahme der Ermittlungsergebnisse wiederholte der Vertreter des Beschwerdeführers niederschriftlich, daß den Ungarn kein Entgelt bezahlt worden sei; die GesmbH habe nur die "praktische Ausbildung" durchgeführt.
Das Landesarbeitsamt Wien nahm am 4. November 1991 zum Ermittlungsergebnis dahin Stellung, daß das Fehlen von Entgeltansprüchen der Ungarn nicht wesentlich sei, "zumal Entgeltfreiheit vereinbart sein kann". Das zur Spesenverrechnung erstattete Vorbringen sei als beabsichtigte Täuschung zu werten. Unerheblich sei auch, ob feste Arbeitszeiten bestanden hätten. Gerade die vom Zeugen H beschriebene unselbständige Verrichtung von Arbeiten durch die Ungarn unter Aufsicht sei charakteristisch für ein Arbeitsverhältnis; der Volontär hingegen sei keinen Weisungen und keiner Aufsicht unterworfen. Auch hätten die Ungarn von ihrem ungarischen Arbeitgeber Entgelt erhalten und seien diesem gegenüber zur Arbeit verpflichtet gewesen. Nach Ausführungen zur Strafbemessung beantragte das Landesarbeitsamt, Strafen in der Höhe von S 60.000,-- je ungenehmigt beschäftigtem Ausländer zu verhängen.
Die weiters noch im Berufungsverfahren vernommenen Zeugen Dr. D und Mag. I von der Arbeitsmarktverwaltung gaben übereinstimmend an, dem Beschwerdeführer - wenn überhaupt - nur allgemeine Rechtsauskünfte erteilt zu haben, keinesfalls seien mit ihm jedoch die konkreten Voraussetzungen für eine Schulung (Volontariat) ausgearbeitet worden.
In einer abschließenden Stellungnahme zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens verwies der Beschwerdeführer zur Stützung seines Standpunktes auf die Aussage des Zeugen H und verwahrte sich gegen die "Unterstellungen" des Landesarbeitsamtes. Die Aussagen der Zeugen Dr. D und Mag. I seien infolge von deren Erinnerungslücken nicht verwertbar. Der Berufung sei daher stattzugeben, allenfalls seien noch weitere Beweise aufzunehmen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. Februar 1992 wurde der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG in der Schuldfrage und im Ausspruch über die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Strafvollzuges mit geringfügigen, für das Beschwerdeverfahren nicht relevanten Änderungen des Spruchwortlautes bestätigt; hinsichtlich des Strafausspruches blieb es bei den acht Geldstrafen von S 10.000,-- (zusammen S 80.000,--), doch wurde die Ersatzfreiheitsstrafe von undifferenziert ein Mal 14 Tagen auf je 30 Stunden (zusammen 300 - richtig wohl 240 - Stunden) korrigiert.
Begründend führte die belangte Behörde nach Hinweisen auf die Rechtslage, auf das Vorbringen des Beschwerdeführers und auf die Aussage des Zeugen H aus, der Rechtfertigung des Beschwerdeführers sei die Anzeige des Landesarbeitsamtes entgegenzuhalten. Danach sei bei einer Baustellenüberprüfung am 25. September 1990 festgestellt worden, daß die im Spruch genannten acht Ungarn auf der Baustelle der GesmbH am Ringturm mit der Verrichtung von Fassadenarbeiten beschäftigt gewesen seien. Ein Volontariat sei nicht vorgelegen, weil konkrete Arbeitsleistungen erbracht worden seien, gleich wie sie sonst von Beschäftigten ausgeführt würden. Ein Ausbildner sei nicht vorhanden gewesen. Die Erhebungen an der Baustelle hätten ergeben, daß die Ungarn zuletzt im 20. Stock gearbeitet hätten. Auf die Frage, für welche Firma sie tätig seien, hätte einer S angegeben, die Frage nach dem Chef sei unbeantwortet geblieben. Einer der Ungarn habe dem Erhebungsorgan Korrespondenz zwischen der GesmbH und der Firma S sowie ein "Schulungsprogramm" und eine Liste von "Volonteuren" vorgezeigt. Alle hätten angegeben, für die Firma "S" zu arbeiten. Auf die Frage, was sie arbeiteten, hätten sie mit "Tanulo" geantwortet, was angeblich soviel wie Volontär bedeute. Nochmals nach der Arbeit befragt, habe die Antwort "nicht arbeiten, lernen" gelautet. Die Ungarn hätten Wohnadressen in ihrer Heimat angegeben, unter der Woche seien sie in einer Pension in Maria Elend untergebracht. Die Erhebung habe von 11.45 bis 12.45 Uhr gedauert, während dieser Zeit und auch anläßlich einer weiteren Kontrolle um 13.30 Uhr sei kein Österreicher oder sonst Verantwortlicher gekommen. Die Ungarn hätten inzwischen ihre Arbeit aufgenommen, und zwar im wesentlichen diverse Fassadenarbeiten wie das Streichen mit Farbe und sonstigen Flüssigkeiten.
Des weiteren gab die belangte Behörde den Inhalt der der Anzeige angeschlossenen Korrespondenz der GesmbH mit der Firma S und mit dem Arbeitsamt wieder, und im Anschluß daran den Inhalt der Stellungnahme des Landesarbeitsamtes zur Rechtfertigung des Beschwerdeführers, er habe gemeinsam mit der Arbeitsmarktverwaltung ein "Schulungsprogramm" erarbeitet (Aussagen Dr. D und Mag. I).
Aus der Systematik des AuslBG ergebe sich, daß § 3 Abs. 5 eine lex specialis zu § 2 Abs. 2 iVm § 3 Abs. 1 sei. Die Tatbestandselemente für ein Volontariat seien daher: ein bestimmter Zweck der Beschäftigung (Erweiterung und Anwendung von Kenntnissen zum Erwerb von Fertigkeiten für die Praxis), das Fehlen einer Arbeitspflicht, das Nichtbestehen eines Entgeltanspruches und die Befristung der Beschäftigung auf maximal drei Monate.
Aus dem Schreiben der Firma S an die GesmbH vom 14. August 1990 ergebe sich, daß den Ungarn ein Entgeltanspruch zugestanden sei, nämlich ein tägliches Anreisespesengeld und ein Nächtigungspauschale. Außerdem habe der Beschwerdeführer ausgeführt, daß die Ungarn in ihrer Heimat von ihren Arbeitgebern bezahlt würden. Es könne daher von einer Unentgeltlichkeit keine Rede sein. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, daß die Ausländer nicht direkt vom Beschwerdeführer bezahlt bzw. die von diesem an die Ungarn bezahlten Spesen von der Firma S rückvergütet worden seien. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich, daß die Ungarn mit Fassadenarbeiten beschäftigt worden seien, und zwar gemäß den Beobachtungen des Erhebungsorganes ohne Aufsicht. Daraus könne, auch unter Bedachtnahme auf die Aussage des Zeugen H, die Schlußfolgerung gezogen werden, daß die Ausländer selbständig Tätigkeiten verrichtet hätten. Auch sei nach dem vorgelegten "Programm" besonderes Augenmerk auf gute und saubere Verarbeitung und auf Einhaltung der nach Voreinschulung vorgeschriebenen m2-Leistungszeiten zu achten. Das könne nur so verstanden werden, daß die Ungarn nach der Einschulung eine bestimmte Leistungszeit für 1 m2 zu erbringen gehabt hätten.
Es stehe daher fest, daß es an dem für ein Volontariat wesentlichen Erfordernis der Unentgeltlichkeit gefehlt habe; auch scheine es nach dem Ermittlungsergebnis zweifelhaft, ob die Ausländer dauernd beaufsichtigt worden seien. Der Umstand, daß sie nicht vom Beschwerdeführer, sondern von dritter Stelle bezahlt worden seien, könne nichts daran ändern, daß der Beschwerdeführer ihre Beschäftigung entgegen den Bestimmungen des AuslBG zu verantworten habe, zumal die Ungarn tatsächlich in seinem Betrieb beschäftigt worden seien und ihm daher ihre Arbeitsleistung zugute gekommen sei.
Bei der "Erfassung" der Ausländer (gemeint: ihres Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG) komme es nicht darauf an, in welchem Rechtsverhältnis die Vertragspartner zueinander stünden, sondern auf die Verwendung in bestimmten Fällen. Diese Verwendung könne in einem Arbeitnehmerverhältnis, in einem Ausbildungsverhältnis, aber auch unter Umständen erfolgen, unter denen gar kein rechtliches Verhältnis zwischen dem Ausländer und der Person bestehe, die den Ausländer verwende.
Die belangte Behörde ging ferner von der Glaubwürdigkeit der Aussagen der Zeugen Dr. D und Mag. I aus, durch welche der Beschwerdeführer auch nicht wegen Vorliegens einer fallbezogenen Rechtsauskunft exkulpiert werde. Den Angaben des Zeugen H habe die belangte Behörde weniger Glauben geschenkt als den Angaben des Kontrollorganes in seinem Erhebungsbericht. Es dürfe nicht übersehen werden, daß H ein Arbeitnehmer des Beschwerdeführers und naturgemäß bestrebt sei, für diesen günstig auszusagen. Demgegenüber handle es sich beim Kontrollorgan des Landesarbeitsamtes um einen besonders geschulten Beamten, dem im Falle falscher Angaben strafrechtliche und disziplinäre Folgen drohten. Auf Grund seines Fachwissens sei ihm zuzutrauen, Feststellungen über eine fehlende Beaufsichtigung der Ausländer zu treffen.
Es habe sich daher bei deren Beschäftigung nicht um eine Schulungsveranstaltung, sondern tatsächlich um eine nach dem AuslBG bewilligungspflichtige Beschäftigung gehandelt. Ein Entlastungsbeweis im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG sei dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen. Da der Sachverhalt ausreichend aufgeklärt sei, erübrige sich auch die Aufnahme weiterer Beweise.
Abschließend ging die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides noch auf die von ihr vorgenommene Spruchkorrektur und auf die Strafzumessung ein.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der jedoch mit Beschluß vom 15. Juni 1992, B 435/92, die Behandlung dieser Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Der Verfassungsgerichtshof führte dazu begründend aus, daß angesichts der nach Art. 140 Abs. 7 B-VG mit dem Ausspruch im Erkenntnis vom 13. Dezember 1991, G 294/91, daß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG idF BGBl. 231/1988 verfassungswidrig war, verbundenen Wirkungen auf bereits verwirklichte Tatbestände (Unangreifbarkeit der verfassungswidrigen Bestimmung) die Beschwerde aus der Sicht der behaupteten Verletzung verfassungsmäßig gewährleisteter Rechte keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.
In seiner im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er erachtet sich in seinem Recht verletzt, auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes nicht (nach dem AuslBG) bestraft zu werden. Die belangte Behörde habe eine nicht mehr dem Rechtsbestand angehörige Strafnorm angewendet, und sie habe unzutreffend die Dienstgebereigenschaft der GesmbH sowie die Bewilligungspflichtigkeit der "Beschäftigung" der Ungarn angenommen; auch sei das Verfahren mangelhaft geblieben und der angefochtene Bescheid mangelhaft begründet.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG in der im Beschwerdefall auf Grund der Tatzeit anzuwendenden Fassung gemäß der Novelle BGBl. Nr. 231/1988 darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer einen Befreiungsschein besitzt.
Nach Abs. 5 dieser Bestimmung bedürfen Ausländer, die ausschließlich zum Zwecke der Erweiterung und Anwendung von Kenntnissen zum Erwerb von Fertigkeiten für die Praxis ohne Arbeitspflicht und ohne Entgeltsanspruch (Volontäre) bis drei Monate beschäftigt werden, keiner Beschäftigungsbewilligung. Die Beschäftigung ist vom Inhaber des Betriebes, in dem der Ausländer beschäftigt wird, spätestens am Tag der Arbeitsaufnahme dem zuständigen Arbeitsamt anzuzeigen.
Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG in der genannten Fassung (die späteren Fassungen dieser Gesetzesstelle sind nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 VStG für den Täter günstiger) begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde.
Wer entgegen dem § 3 Abs. 3, 4 und 5 einen Ausländer beschäftigt, ohne die Beschäftigung dem zuständigen Arbeitsamt rechtzeitig anzuzeigen, begeht eine Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. a AuslBG idF gemäß BGBl. Nr. 231/1988.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 13. Dezember 1991, G 294/91-5, gemäß Art. 140 B-VG festgestellt, daß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG idF gemäß der Novelle BGBl. Nr. 231/1988 verfassungswidrig war.
Davon ausgehend bringt der Beschwerdeführer in rechtlicher Hinsicht vor, im Falle einer Feststellung durch den Verfassungsgerichtshof, daß ein bereits außer Kraft getretenes Gesetz verfassungswidrig gewesen sei, dürfe dieses Gesetz nicht nur im Anlaßfall, sondern ganz generell von keinem Staatsorgan mehr angewendet werden (so die in der Beschwerde angeführten Autoren: Ringhofer, Die österreichische Bundesverfassung, ÖGB 1977, S. 463, und Haller, Die Prüfung von Gesetzen, Springer 1979, S. 280 ff; aber auch Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechtes7, S. 398 und 409; unklar Laurer in der Festschrift für Robert Walter, Manz 1991, S. 405 ff). Von dieser Auffassung ist allerdings Ringhofer selbst (mit ausführlicher Begründung in seiner Arbeit "Über die Wirkung des verfassungsgerichtlichen Erkenntnisses im Normenprüfungsverfahren nach den Art. 139 und 140 B-VG", Österreichisches Verwaltungsarchiv Heft 4/1978, insbesondere S. 120 ff) abgegangen. Ferner ist ihr insbesondere die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 29. Juni 1977, V 12/77 = Slg. 8102, vom 13. Dezember 1991, G 294/91, und vom 13. März 1992, G 23-34/92, aber auch den Ablehnungsbeschluß im vorliegenden Beschwerdefall vom 15. Juni 1992, B 435/92) nicht gefolgt.
In seinem bereits wiederholt erwähnten Erkenntnis vom 13. Dezember 1991, G 294/91-5, hat der Verfassungsgerichtshof auch ausgesprochen, daß die von ihm als verfassungswidrig festgestellte Bestimmung des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG idF gemäß der Novelle BGBl. Nr. 231/1988 auch auf die "derzeit" (d.h. am 13. Dezember 1991, vgl. dazu auch BGBl. Nr. 105/1992) beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Fälle nicht mehr anzuwenden sei. An diesen Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes über die Ausdehnung der (somit vom Verfassungsgerichtshof entgegen der oben angeführten Lehre bejahten) Anlaßfallwirkung ist auch der Verwaltungsgerichtshof gebunden. Die vorliegende Beschwerde wurde am 6. April 1992 zur Post gegeben und ist am 7. April 1992 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt, welcher in der Folge ihre Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat, bei dem die abgetretene Beschwerde am 2. September 1992 eingelangt ist. Der Beschwerdefall ist daher kein Anlaßfall im Sinne des genannten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes. Daraus folgt, daß die als verfassungswidrig erkannte Norm im Beschwerdefall weiter anzuwenden ist. Diese Norm kann auch nicht etwa neuerlich Gegenstand eines Gesetzesprüfungsverfahrens sein (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 1992, Zl. 91/09/0241). Die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit haftet dem angefochtenen Bescheid somit nicht an.
Mit Recht erhebt der Beschwerdeführer den weiteren Vorwurf, die belangte Behörde habe die Bewilligungspflicht der im Beschwerdefall strittigen Beschäftigung der ungarischen Staatsbürger auf Grund eines im Ergebnis mangelhaft gebliebenen Ermittlungsverfahrens bejaht.
Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren vorgebracht, die Ungarn seien an der Baustelle seiner Firma als Volontäre beschäftigt worden. Dies ist von entscheidender Bedeutung, denn bei Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen nach § 3 Abs. 5 AuslBG wäre an die Stelle der sonst bestehenden Bewilligungspflicht eine bloße Anzeigepflicht getreten, deren Nichteinhaltung gemäß den obigen Bestimmungen nicht nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG, sondern nach Z. 2 lit. a dieser Gesetzesstelle strafbar wäre.
Ein Volontärsverhältnis im Sinne des § 3 Abs. 5 AuslBG liegt nur dann vor, wenn alle im folgenden genannten Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sind:
1. Ein bestimmter Zweck der Beschäftigung (Erweiterung und Anwendung von Kenntnissen zum Erwerb von Fähigkeiten für die Praxis),
2.
das Fehlen der Arbeitspflicht,
3.
das Nichtbestehen eines Entgeltanspruches sowie
4.
die Befristung der Beschäftigung auf maximal drei Monate (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. September 1990, Zl. 89/09/0127, und vom 26. September 1991, Zl. 91/09/0058).
Schon im Falle des Fehlens auch nur einer der genannten Voraussetzungen wäre das Vorliegen der behaupteten Volontariatsverhältnisse zu verneinen. Der Beschwerdeführer zeigt jedoch zutreffend auf, daß die belangte Behörde beim bisher festgestellten Sachverhalt in keinem dieser Punkte von einer Widerlegung der Behauptungen des Beschwerdeführers ausgehen konnte.
Auch die Tätigkeit von Volontären erfolgt gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG im Rahmen einer "Beschäftigung". Die Auffassung der belangten Behörde, ein Volontariat liege schon deshalb nicht vor, weil konkrete Arbeitsleistungen erbracht worden seien, "gleich wie sie sonst von Beschäftigten ausgeführt würden", findet im Gesetz keine Deckung. Der durch ein Volontariat angestrebte Zweck des Erwerbes von Fähigkeiten für die Praxis wird es häufig mit sich bringen, daß Volontäre Arbeiten zu verrichten haben, die sich kaum von jenen anderer Beschäftigter unterscheiden. Auch bereits ausgebildete Facharbeiter, die lediglich mit neuen Techniken vertraut gemacht werden sollen, können Volontäre sein. Daß die Beschäftigung der Ungarn im Beschwerdefall ähnlichen Zielen dienen sollte, wie dies der Beschwerdeführer von Anfang an behauptet hat, wurde vom Zeugen H bestätigt und konnte durch EINE stichprobenartige Überprüfung nicht ohne weiteres widerlegt werden, wozu noch kommt, daß die Ungarn selbst dem Anzeiger gegenüber mehrfach auf ihre bloße Lerntätigkeit hingewiesen haben.
Eine "Arbeitspflicht" der Ungarn hat die belangte Behörde deshalb angenommen, weil sie laut Anzeige nicht dauernd beaufsichtigt worden sind. Wie wenig sich dieses Argument zur Widerlegung der behaupteten Volontariatsverhältnisse eignet, kann schon daraus ersehen werden, daß das Landesarbeitsamt Wien in seiner Stellungnahme vom 4. November 1991 eine Aufsicht als "charakteristisch für das Arbeitsverhältnis" bezeichnet, denn "der Volontär wird keinen Weisungen und keiner Aufsicht unterworfen". Auch in diesem Punkt steht dem Inhalt der Anzeige des Landesarbeitsamtes im übrigen die Aussage des Zeugen H entgegen, welchem nicht anders als dem behördlichen Erhebungsorgan im Falle einer falschen Aussage strafrechtliche Konsequenzen drohen.
Besonderes Gewicht hat die belangte Behörde der von ihr bejahten Frage nach einer Entgeltlichkeit der Tätigkeit der Ungarn verliehen. Sie geht aber selbst davon aus, daß ein solches Entgelt nicht von der GesmbH, wohl aber von der Firma S bzw. vom ungarischen Arbeitgeber der Ungarn geleistet worden ist. Auch in diesem Punkt vermag der Verwaltungsgerichtshof die Überlegungen der belangten Behörde nicht zu teilen, weil es für ein ausländisches Unternehmen rechtlich zulässig ist und auch für dessen wirtschaftliche Prosperität durchaus zweckmäßig sein kann, Bedienstete zu Ausbildungszwecken gegen Entgelt nach Österreich zu entsenden. Maßgebend für ein Volontärsverhältnis ist in diesem Punkt allein, daß der Entgeltanspruch nicht gegenüber dem mit der Ausbildung betrauten Unternehmen besteht (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1991, Zl. 91/09/0058).
Auf Grund dieser Überlegungen reichen die bisher im Verwaltungsstrafverfahren durchgeführten Ermittlungen und Feststellungen nicht für eine einwandfreie Beurteilung der Frage aus, ob die dem Beschwerdeführer angelastete Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte tatsächlich nach dem AuslBG bewilligungspflichtig gewesen ist. Da die belangte Behörde aber überdies in der Frage der Entgeltlichkeit von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, wobei gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der Abhaltung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof abzusehen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Bundesstempel für eine entbehrliche Beilage.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992090230.X00Im RIS seit
20.11.2000