TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/18 92/01/1088

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Veröffentlicht am 18.03.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs3;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des BS in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. November 1992, Zl. 4.341.048/1-III/13/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Asylwesens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510.- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, hat den Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. Oktober 1992, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Asylgewährung abgewiesen worden war, mit Berufung bekämpft.

Mit Bescheid vom 27. November 1992 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten auf meritorische Behandlung seiner Berufung und auf Asylgewährung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid damit begründet, daß der erstinstanzliche Bescheid vom Beschwerdeführer am 6. Oktober 1992 übernommen worden sei. Die zweiwöchige Berufungsfrist sei daher am 20. Oktober 1992 abgelaufen. Da die Berufung erst am 21. Oktober 1992 eingebracht worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Entgegen dieser Darstellung der belangten Behörde wurde der erstinstanzliche Bescheid am von ihr als Zustellzeitpunkt angenommenen Tag nicht vom Beschwerdeführer übernommen, sondern weist der in den Verwaltungsakten enthaltene Rückschein eine Unterschrift auf, die keinesfalls den Namen des Beschwerdeführers wiedergibt und die mit dem Zusatz "Asylbearbeiter" versehen ist. Demgemäß handelt es sich bei dem durch diesen Rückschein dokumentierten Zustellvorgang um eine (versuchte) Ersatzzustellung.

Gemäß § 16 Abs. 1 Zustellgesetz ist eine Ersatzzustellung dann zulässig, wenn an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend ist, sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig zu der Abgabestelle aufhält.

Der Beschwerdeführer hat bereits in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid eingewendet, es handle sich bei der Anschrift, unter der die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides sowie einer Ladung des Bundesasylamtes erfolgt sei, mangels eines dort begründeten Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes nicht um eine Abgabestelle. Gleichzeitig gab der Beschwerdeführer auch an, wo er bisher gewohnt habe und wo er nunmehr im Zeitpunkt der Berufungserhebung wohne. Diese Angaben hat der Beschwerdeführer in der Beschwerde wiederholt und ergänzend vorgebracht, daß ihm der erstinstanzliche Bescheid erst am 21. Oktober 1992 tatsächlich zugekommen sei.

Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten hat die belangte Behörde, die trotz des Berufungsvorbringens des Beschwerdeführer von der verspäteten Einbringung seiner Berufung ausgegangen ist, den von ihr angenommenen Umstand der Verspätung dieses Rechtsmittels dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht und somit auch keine Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme hiezu geboten. Die Berufungsbehörde trägt aber, wenn sie dem Berufungswerber die Feststellung der Versäumung der Berufungsfrist nicht zur Stellungnahme vorhält, das Risiko der Aufhebung des Bescheides wegen unterlaufener Verfahrensmängel (vgl. die in Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens 4, S 499, zitierte Judikatur). Da im Beschwerdefall die vom Beschwerdeführer gegen die Rechtmäßigkeit bzw. Wirksamkeit der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides erhobenen Einwendungen durchaus geeignet sind, im Fall ihres Zutreffens die Erlassung eines anderslautenden Bescheides zu bewirken, kommt dem in der Unterlassung der Anhörung des Beschwerdeführers zur angenommenen Verspätung seiner Berufung gelegenen Verfahrensmangel Wesentlichkeit zu.

Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Instanzenzug Zuständigkeit Besondere Rechtsgebiete Verfahrensrechtliche Bescheide Zurückweisung Kostenbescheide Ordnungs- und Mutwillensstrafen Parteiengehör Parteiengehör Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992011088.X00

Im RIS seit

27.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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