TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/22 92/10/0461

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Veröffentlicht am 22.03.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
70/05 Schulpflicht;

Norm

AVG §60;
AVG §67;
SchPflG 1985 §8 Abs1;
SchPflG 1985 §8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des J H und der H H in K, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Landesschulrates für Niederösterreich vom 13. Oktober 1992, Zl. I-27254-1992, betreffend Aufnahme in die Sonderschule, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Unterricht und Kunst) hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Auf Antrag der Schulleitung der Volksschule S verfügte der Bezirksschulrat St. Pölten-Land mit Bescheid vom 28. August 1992 gemäß § 8 Abs. 2 des Schulpflichtgesetzes 1985 die probeweise Aufnahme der minderjährigen M H, Tochter der Beschwerdeführer, in die Sonderschule B mit Beginn des Schuljahres 1992/93. Nach der Begründung sei M H infolge Lernschwäche nicht in der Lage, dem Unterricht in der Normalschule zu folgen, und somit sonderschulbedürftig. Dabei berief sich die Schulbehörde auf den Antrag der Schulleitung vom 24. August 1992 und auf eine nicht näher bezeichnete "Feststellung des zuständigen Sonderschullehrers".

Die Beschwerdeführer beriefen und machten geltend, die erwähnte Lernschwäche ihrer Tochter sei vielleicht nur vorübergehend und könne nach Eingewöhnung in der "hiesigen Volksschule" (S) auf Grund besonderer Betreuung durch die Eltern (die Mutter sei nicht berufstätig) eingeschränkt werden.

Mit Bescheid des Landesschulrates für Niederösterreich vom 13. Oktober 1992 wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Nach der Begründung sei auf Grund der vorliegenden Berichte und Gutachten festgestellt worden, daß M H dem Unterricht in der Volksschule nicht folgen könne und das Lehrziel voraussichtlich nicht erreichen werde. Sie sei daher auf Grund einer psychischen Behinderung sonderschulbedürftig und könne nur in einer Allgemeinen Sonderschule gezielt gefördert werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführer der Sache nach Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machen. Die Bescheidbegründung erschöpfe sich in der Behauptung, M H werde dem Unterricht in der Volksschule nicht folgen können. Es fehlten jegliche Sachverhaltsfeststellungen als Grundlage für diese Beurteilung. Von angeblichen "Berichten und Gutachten" hätten die Beschwerdeführer erst durch den angefochtenen Bescheid erfahren. Als der Erstbeschwerdeführer am 18. November 1992 in der Volksschule Stössing in die Entscheidungsunterlagen habe Einsicht nehmen wollen, sei ihm dies verweigert worden. In der Folge habe man ihm zwar die Einsicht grundsätzlich zugestanden, doch sei die Anfertigung von Kopien verweigert worden; auch sei er daran gehindert worden, eine Abschrift der Unterlagen anzufertigen. Die Beschwerdeführer begehren die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet. Die Beschwerdeführer haben darauf repliziert und vorgebracht, die in der Gegenschrift genannten Gutachten seien ihnen nie zur Kenntnis gebracht worden, ihnen sei nicht einmal deren Existenz bekannt gewesen und sie hätten infolge Verweigerung der Akteneinsicht bisher keine Kenntnis von deren Inhalt erlangt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 8 Abs. 1 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76, haben schulpflichtige Kinder, die infolge physischer oder psychischer Behinderung dem Unterricht in der Volks- oder Hauptschule nicht zu folgen vermögen, aber dennoch schulfähig sind, ihre allgemeine Schulpflicht in einer ihrer Eigenart und Schulfähigkeit entsprechenden Sonderschule oder einer Volks- oder Hauptschule angeschlossenen Sonderschulklasse zu erfüllen, soweit solche Schulen (Klassen) vorhanden sind und der Schulweg den Kindern zumutbar ist. Abs. 2 bestimmt unter anderem, welche Gutachten zur Feststellung, ob das Kind der Förderung durch die beantragte Art der Sonderschule bedarf, einzuholen sind.

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Nach § 60 AVG - diese Bestimmung gilt gemäß § 67 AVG auch für die Bescheide der Berufungsbehörde - sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Diesen Vorschriften wurde im vorliegenden Fall nicht entsprochen. Zum einen wurde nach der Aktenlage den Beschwerdeführern kein Parteiengehör zu den eingeholten, in der Gegenschrift genannten Gutachten gewährt. Die belangte Behörde selbst bezeichnet in der Gegenschrift die Behauptung der Beschwerdeführer, sie hätten erstmals aus dem angefochtenen Bescheid von den angeblichen Berichten und Gutachten erfahren, nicht etwa als unzutreffend, sondern begnügt sich mit der Bemerkung, zum Zeitpunkt der in der Beschwerde angesprochenen Verweigerung der Akteneinsicht am 18. November 1992 sei das Verfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen gewesen. Zum anderen wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides zur Frage der Sonderschulbedürftigkeit der M H lediglich ausgeführt, es sei auf Grund der vorliegenden Berichte und Gutachten festgestellt worden, daß M H dem Unterricht in der Volksschule nicht folgen könne und das Lehrziel voraussichtlich nicht erreichen werde. Auf welche Ermittlungsergebnisse sich diese Beurteilung konkret stützt und welche Erwägungen bei der Beweiswürdigung maßgebend waren, ist aus dem angefochtenen Bescheid nicht ersichtlich. Dieser Begründungsmangel kann durch den in der Gegenschrift (ansatzweise) unternommenen Versuch, die fehlende Begründung nachzuholen, nicht saniert werden.

Die belangte Behörde hat somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Dem in der "Replik" gestellten Antrag auf Ersatz der Stempelgebühren für drei Kopien einer Strafverfügung kann deshalb nicht stattgegeben werden, weil diese Beilage zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992100461.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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