Index
10/10 Grundrechte;Norm
ForstG 1975 §17 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des W in F, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 9. Juli 1992, Zl. 18.327/20-I A 8/91, betreffend Rodungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. Juli 1992 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der Rodungsbewilligung für eine Teilfläche von
11.875 m2 aus der Waldparzelle 1880/1, KG M, zum Zwecke der Kulturumwandlung, abgewiesen. Begründet wird diese Entscheidung damit, die im Zuge des Verwaltungsverfahrens eingeholten Gutachten landwirtschaftlicher Amtssachverständiger hätten ergeben, daß die Verwirklichung der beantragten Rodung lediglich eine geringfügige Verbesserung der Agrarstruktur für den Betrieb des Beschwerdeführers mit sich bringe. Aus diesem Grund sei das vom Beschwerdeführer geltend gemachte öffentliche Interesse an der Agrarstrukturverbesserung als sehr gering einzustufen. Aus den Gutachten der forsttechnischen Amtssachverständigen ergebe sich, daß die zur Rodung beantragte Waldfläche zwar weniger Nutzfunktion, wohl aber Wohlfahrts- und Erholungsfunktionen zu erfüllen habe. Vor allem die Wohlfahrtswirkung des talnahen Waldes sei von erheblicher Bedeutung und zwar insbesondere für den Ausgleich des Klimas und des Wasserhaushaltes sowie für die Reinigung und Erneuerung von Luft und Wasser in diesem Bereich. Ebenso komme in siedlungsnahen Gebieten Waldflächen in derartiger Lage und Beschaffenheit eine erhöhte Erholungsfunktion zu. Trotzdem es sich beim gegenständlichen Standort um einen sandig-steilen Bodentyp handle, sei die in der Bestandeslücke durchgeführte Fichtenaufforstung aufgrund des Verbisses durch Wild und nicht aufgrund des Standortes als nicht erfolgreich anzusehen. Derart beeinträchtigte Wälder könnten infolge von Nadelverlusten natürlich nur eine verminderte Filterwirkung ausüben und es werde daher erforderlich sein, im Zuge einer standortgemäßen Bestandesumwandlung diese Filterwirkung im Zeitraum der nächsten Umtriebszeit wieder zu verbessern. Den Einwänden des Beschwerdeführers, die zur Rodung beantragte Waldfläche sei aufgrund ungünstiger Bodengegebenheiten nicht geeignet, die im Forstgesetz normierten Waldwirkungen hervorzubringen, sei entgegenzuhalten, daß es erklärtes Ziel des Forstgesetzes sei, Waldboden als solchen zu erhalten bzw. so zu behandeln, daß die Produktionskraft des Bodens erhalten und seine Wirkungen nachhaltig gesichert blieben. Das damit dokumentierte öffentliche Interesse an der Walderhaltung und der Nachhaltigkeit der Wirkungen des Waldes könne nicht dahingehend interpretiert werden, daß zum Teil geschädigte Waldflächen keine Wirkungen im Sinne des Forstgesetzes mehr erfüllten und daher jedenfalls eine Rodung gerechtfertigt sei. Auch der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführt Umstand, daß in der Nähe des zu rodenden Grundstückes Waldgrundstücke in Bauland umgewidmet werden sollten, sei für das Rodungsverfahren nicht von ausschlaggebender Bedeutung, da eine im öffentlichen Interesse erfolgte Baulandwidmung durch die Gemeinde auch nicht zwingend zu einer Hintanstellung des öffentlichen Interesses an der Walderhaltung führen müsse. In jedem einzelnen Fall habe allein die Forstbehörde festzustellen, ob eine Rodungsbewilligung zu erteilen sei; die Verwirklichung der vom Land oder der Gemeinde vorgesehenen anderen Verwendung einer Waldfläche sei von der Entscheidung der Forstbehörde abhängig. Auch die wiederholt angebotene Ersatzaufforstungsfläche sei nicht geeignet, eine andere Entscheidung zu bewirken, da eine Ersatzaufforstung nicht Voraussetzung für eine Rodungsbewilligung sei, sondern nur eine Nebenbestimmung, die nur in Betracht komme, wenn eine Rodungsbewilligung überhaupt zulässig sei. Bei Abwägung aller dargestellten für und gegen die Rodung sprechenden Argumente vermöge das öffentliche Interesse an der Umwandlung der zur Rodung beantragten Fläche in eine landwirtschaftliche Nutzfläche für die Futtergewinnung das öffentliche Interesse an der Walderhaltung nicht zu überwiegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe im Verwaltungsverfahren stets darauf verwiesen, daß der zu rodenden Waldfläche keine Nutzungs-, Wohlfahrts- oder Erholungsfunktion zukomme, da dieser Wald praktisch tot sei. Der angefochtene Bescheid nehme jedoch eine Wohlfahrts- und Erholungsfunktion an und begründe diese Ansicht mit den eingeholten forsttechnischen Gutachten. Die Schlußfolgerungen des Gutachtens des forsttechnischen Amtssachverständigen des Amtes der Tiroler Landesregierung stünden aber mit dessen Befund in einem unlösbaren Widerspruch. Aus dem Befund dieses Gutachtens ergebe sich in Wahrheit, daß der zu rodende Waldboden nicht mehr geeignet sei und sein werde, Wohlfahrts- und Erholungsfunktionen zu erfüllen. Wenn aber die Erhaltung der Waldfläche unmöglich sei, müsse eine Interessenabwägung im Sinne des § 17 Abs. 2 des Forstgesetzes 1975 entfallen.
Nach § 17 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440 (im folgenden: ForstG), ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten.
Gemäß § 17 Abs. 2 leg. cit. kann die Behörde unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.
Gemäß § 17 Abs. 3 ForstG sind öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 u.a. insbesondere in der Agrarstrukturverbesserung begründet.
Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers stehen die Schlußfolgerungen im Gutachten des von der Forstbehörde zweiter Instanz beigezogenen forsttechnischen Amtssachverständigen nicht im Widerspruch zum Befund. Im Befund wird der Zustand der zur Rodung beantragten Waldfläche beschrieben, wobei zum Ausdruck kommt, daß die Verhältnisse vom forstwirtschaftlichen Standpunkt als nicht optimal anzusehen sind. Den Ausführungen ist aber an keiner Stelle ein Hinweis darauf zu entnehmen, daß sich der Waldboden in einem Zustand befände, daß er unwiederbringlich für Zwecke der Waldkultur verloren sei. Ob sich der vom Sachverständigen im Befund beschriebene Waldboden noch für Zwecke der Waldkultur eignet, ist eine Fachfrage, die der Sachverständige in seinem Gutachten uneingeschränkt positiv beantwortet hat. Den Äußerungen dieses Sachverständigen ist zu entnehmen, daß die wesentliche Aufgabe der zur Rodung beantragten Fläche in erster Linie in der Erfüllung der Wohlfahrts- und Erholungsfunktionen besteht und daß vor allem die Wohlfahrtswirkung von erheblicher Bedeutung ist. Der Beschwerdeführer ist diesem Gutachten - es stimmt im übrigen mit jenem überein, das der forsttechnische Amtssachverständige der Bezirksforstinspektion im erstinstanzlichen Verfahren abgegeben hat - nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Die belangte Behörde konnte sich daher bei ihrer Entscheidung auf dieses Gutachten stützen.
Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, die landwirtschaftlichen Sachverständigen hätten bei Durchführung der beantragten Rodung eine Agrarstrukturverbesserung für den Betrieb des Beschwerdeführers bejaht, wenn auch in geringem Umfang. Es sei aber für den Beschwerdeführer eine erhebliche wirtschaftliche Erleichterung, wenn er für seinen Betrieb ein Drittel weniger Heu kaufen müsse. Die landwirtschaftlichen Sachverständigen meinten, der Beschwerdeführer könne zu seinem Betrieb fremde Grundstücke zupachten. In diesem Zusammenhang sei aber darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer in erster Linie auf sein Eigentum, das verfassungsrechtlich garantiert sei, zurückgreifen könne. Bei der Interessenabwägung im Sinne des § 17 Abs. 2 ForstG sei daher im Zweifel für die Rodung zu entscheiden.
Der von der Forstbehörde zweiter Instanz beigezogene landwirtschaftliche Amtssachverständige hat in seinem Gutachten schlüssig dargelegt, daß die Verwirklichung der beantragten Rodung lediglich eine geringfügige Agrarstrukturverbesserung für den Betrieb des Beschwerdeführers mit sich bringen würde; selbst diese geringfügige Agrarstrukturbesserung könnte aber auf andere Weise als durch Inanspruchnahme von Waldboden, nämlich durch Zupachtung von Flächen - die Möglichkeit einer solchen Zupachtung sei von der Gemeinde bestätigt worden - erreicht werden.
Der Beschwerdeführer hat in seiner Stellungnahme zu diesem Gutachten lediglich vorgebracht, aus dem Gutachten ergebe sich, daß eine Interessenabwägung das beantragte Rodungsansuchen berechtigt erscheinen lasse. Der Beschwerdeführer habe vor, weitere in seinem Eigentum befindliche Waldgrundstücke ohne Wohlfahrts- und Erholungsfunktion zu roden, um eine weitere Agrarstrukturverbesserung zu erreichen.
Auch der von der belangten Behörde beigezogene landwirtschaftliche Amtssachverständige kommt zu dem Ergebnis, daß die beantragte Rodung lediglich zu einer geringfügigen Agrarstrukturverbesserung führen könnte und daß das öffentliche Interesse an der Verwirklichung dieser geringfügigen Agrarstrukturverbesserung daher sehr gering sei. Der Beschwerdeführer hat in seiner Stellungnahme zu diesem Gutachten lediglich auf die mangelnde Wohlfahrts-, Erholungs- und Schutzfunktion der zu rodenden Waldfläche hingewiesen.
Die Bestimmungen des ForstG über die Rodung stellen eine vor dem Hintergrund des unter Gesetzesvorbehalt stehenden Artikels 5 StGG zulässige Eigentumsbeschränkung dar. Ergibt - wie im vorliegenden Fall - die Interessenabwägung eindeutig ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Walderhaltung, so kann die Berufung auf das Eigentum am Waldboden nicht zur Bewilligung der Rodung führen. Abgesehen davon, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zuge der von § 17 ForstG vorgeschriebenen Interessenabwägung auch zu prüfen ist, ob für das Vorhaben, um das es geht, die Inanspruchnahme von Waldflächen überhaupt und bejahendenfalls im vollen Umfang erforderlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 1992, Zl. 91/10/0156) und die belangte Behörde daher zu Recht geprüft hat, ob die Agrarstrukturverbesserung nicht auch auf anderem Wege - etwa durch Zupachtung von Flächen - erreicht werden könnte, hat der von der Forstbehörde zweiter Instanz beigezogene landwirtschaftliche Amtssachverständige dargelegt, daß selbst bei Verwirklichung der beantragten Rodung die zu erzielende Agrarstrukturverbesserung lediglich als geringfügig zu bezeichnen wäre.
Was die vom Beschwerdeführer im Zuge des Verwaltungsverfahrens angebotene Ersatzaufforstungsfläche betrifft, ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Angebot einer Ersatzaufforstungsfläche für die Prüfung der Berechtigung eines Rodungsantrages nicht wesentlich ist, weil der Frage der Ersatzaufforstung im Hinblick auf § 18 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 ForstG erst für den Fall der Bewilligung der Rodung Bedeutung zukommt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. Februar 1985, Zl. 83/07/0205, vom 19. November 1985, Zl. 85/07/0231, vom 18. Jänner 1988, Zl. 87/10/0143 und vom 10. Oktober 1988, Zl. 87/10/0200).
Der Beschwerdeführer bringt schließlich vor, in unmittelbarer Nähe des zu rodenden Grundstückes seien Baulandwidmungen in großem Umfang vorgenommen worden, was darauf hinweise, daß die Gemeinde von der Schutz- und Erholungsfunktion des umliegenden Waldes mit Recht nichts halte.
Wie bereits dargestellt, haben die Gutachten der forsttechnischen Amtssachverständigen eindeutig ergeben, daß an der Erhaltung der zur Rodung beantragten Fläche als Wald öffentliches Interesse von großer Intensität besteht. Der Umstand, daß Flächen in der Nähe der Rodungsfläche als Bauland gewidmet wurden, ist daher im vorliegenden Zusammenhang ohne Belang; dies umsomehr, als die Rodungsfläche selbst im Flächenwidmungsplan als Wald ausgewiesen ist.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die Beschwerde unbegründet ist, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992100358.X00Im RIS seit
20.11.2000