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L40019 Anstandsverletzung Lärmerregung Wien;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 3. Juli 1991, Zl. MA 62-III/268/91/Str, betreffend Übertretung nach Art. VIII EGVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juli 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 27. September 1990 um 16.03 Uhr in W, F-Straße, durch den Gebrauch der Worte "Ihr Arschlöcher" den öffentlichen Anstand verletzt. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach Art. VIII erster Fall EGVG begangen. Es wurde eine Geldstrafe in Höhe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 25 Stunden) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Beschwerdeführer hat zur Gegenschrift der belangten Behörde eine Replik erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt vor, es sei sicher ein Versäumnis gewesen, daß er im Verwaltungsstrafverfahren keine zusammenhängende Gegendarstellung abgegeben und zumindest die Einvernahme des Meldungslegers beantragt habe. Die Behörde wäre aber gemäß § 13a AVG verpflichtet gewesen, ihm die nötigen Anleitungen zu seiner Verteidigung zu geben. Außerdem hätte die Behörde von sich aus die erforderlichen Beweise aufnehmen müssen. Tatsächlich seien aber außer der Befragung des Beschwerdeführers keine Beweise aufgenommen worden. Die Anzeige stelle formal gesehen überhaupt kein Beweismittel dar. Die erforderliche Vernehmung des Meldungslegers bzw. der in der Anzeige angeführten Zeugen sei nicht erfolgt. Selbst wenn man die Anzeige als Beweismittel ansehe, hätte die Behörde auch im Zusammenhang mit der ungerechtfertigten Festnahme des Beschwerdeführers und dem Führerscheinentzug sowie der rechtskräftig erkannten Rechtswidrigkeit des Punktes 3 der Anzeige, aber auch auf Grund des unsachlichen Stils der Darstellung erkennen müssen, daß doch erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der in der Anzeige erhobenen Vorwürfe bestünden und daher die Anzeige als einziges Beweismittel nicht ausreichen könne. Selbst auf Grundlage der Anzeige seien aber die aktenwidrigen Feststellungen "Schreien" und im Berufungsbescheid "Ihr ..." nicht zu begründen.
Nach § 46 AVG - diese Bestimmung findet gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung - kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Dazu gehören auch Anzeigen von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes.
Der Meldungsleger muß als Zeuge nur unter der Voraussetzung einvernommen werden, daß sowohl seine Meldung (Anzeige) als auch die Verantwortung des Beschuldigten - die einander widersprechen - jede in sich schlüssig und widerspruchsfrei sind (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 26. Juni 1978, Slg. NF 9602/A). Der Beschwerdeführer hat sich damit begnügt, im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung zu bestreiten, da "alles erfunden sei". Da demnach keine einander widersprechenden Darstellungen des Beschwerdeführers auf der einen und des Meldungslegers auf der anderen Seite vorlagen, bedurfte es nicht der Einvernahme des Meldungslegers als Zeugen.
Von einem unsachlichen Stil in der Anzeige kann keine Rede sein. Daß das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 58 Abs. 1 StVO 1960 von der Berufungsbehörde eingestellt wurde, beeinträchtigt in keiner Weise die Glaubwürdigkeit des Meldungslegers, zumal die Einstellung nicht wegen einer falschen Sachverhaltsdarstellung in der Anzeige erfolgte, sondern deswegen, weil der angezeigte Sachverhalt keine Übertretung des § 58 StVO 1960 darstellte. Dem Akt ist auch kein Anhaltspunkt zu entnehmen, daß die Abnahme des Führerscheins und die Festnahme des Beschwerdeführers rechtswidrig gewesen seien. Die Einwände des Beschwerdeführers gegen die Anzeige sind daher unbegründet.
Die Manuduktionspflicht nach § 13a AVG verpflichtet die Behörde nicht, einer Verfahrenspartei darzulegen, wie sie ihre Einwendungen, Stellungnahmen, Rechtsmittel etc. inhaltlich zu gestalten hat, um zum Erfolg zu kommen.
In der Anzeige heißt es, der Beschwerdeführer habe sinngemäß folgendes von sich gegeben: "Bei der Polizei gibt es 1 % Arschlöcher und Du bist eines davon. Was willst Du Scheißer, ich werde Dir schon Schwierigkeiten bereiten und jetzt hören wir auf mit dem Blödsinn." Auf die Verständigung von der Anzeige und die Androhung der Festnahme habe er wie folgt reagiert: "Du Arschloch willst mich festnehmen? Bei mir kannst Du scheißen gehen. Sie haben ja bezüglich der angeblichen Übertretungen mit dem Fahrzeug überhaupt nichts gesehen und können die Lage nicht beurteilen. Eben weil Sie unfähig und ein Arschloch sind."
Da es für die Verwirklichung des Tatbestandes einer Anstandsverletzung auf den Gebrauch des Schimpfwortes ankommt, nicht aber darauf, ob dieses in der Einzahl oder im Plural gebraucht wurde, kommt dem Umstand, daß im Spruch des angefochtenen Bescheides dem Beschwerdeführer die Verwendung der Worte "Ihr Arschlöcher" zur Last gelegt wird, keine entscheidende Bedeutung zu.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, eine Anstandsverletzung setze voraus, daß die konkrete Möglichkeit der Kenntnisnahme über den Kreis der Beteiligten hinaus gegeben sei. Im angefochtenen Bescheid werde nur der Gebrauch der inkriminierten Worte festgestellt. Der Gebrauch der Worte allein sei aber nicht strafbar. Wenn man zum Verständnis die Anzeige heranziehe, auf die in der Begründung des Bescheides verwiesen werde, meine die belangte Behörde wohl, daß der Beschwerdeführer die inkriminierten Worte gegenüber dem Meldungsleger gebraucht habe. Selbst das wäre aber nicht strafbar, da die konkrete Möglichkeit der Kenntnisnahme über den Kreis der Beteiligten hinausgegeben sein müsse. Für eine solche Möglichekit der Kenntnisnahme durch Dritte finde sich aber weder im erstinstanzlichen Bescheid noch im angefochtenen Bescheid und nicht einmal in der Anzeige ein Anhaltspunkt.
Es trifft zu, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Tatbild der Anstandsverletzung nur verwirklicht ist, wenn die konkrete Möglichkeit der Kenntnisnahme über den Kreis der Beteiligten hinausgegeben ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. November 1978, Slg. NF 9684/A ua.). In dieser Judikatur wird aber weiters darauf verwiesen, daß Zeugen ("Opfer") einer öffentlichen Anstandsverletzung keineswegs als "Beteiligte" an derselben anzusehen sind (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. März 1983, Zlen. 2415, 2425/79; vom 29. Juni 1987, Zl. 85/10/0084, und vom 30. April 1992, Zl. 90/10/0039). Im Beschwerdefall ist der Anzeige, die dem Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren zur Kenntnis gebracht wurde, zu entnehmen, daß das dem Beschwerdeführer als Anstandsverletzung zur Last gelegte Verhalten vom Meldungsleger und einem weiteren namentlich bezeichneten Polizeibeamten wahrgenommen wurde. Das Tatbestandsmerkmal der "Öffentlichkeit" der Anstandsverletzung ist somit erfüllt.
Schließlich bemängelt der Beschwerdeführer, der festgestellte Tatbestand sei im angefochtenen Bescheid abgeändert worden, ohne daß ihm die Möglichkeit gegeben worden sei, dazu Stellung zu nehmen. Die Änderung sei aber wesentlich, da sie offenbar im Zusammenhang mit dem Problem der öffentlichen Begehung erfolgt sei und er in einer Stellungnahme klargestellt hätte, daß der Inhalt der Auseinandersetzung keiner dritten Person wahrnehmbar gewesen sei.
Während dem Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Straferkenntnis eine Anstandsverletzung durch "Schreien" des inkriminierten Schimpfwortes zur Last gelegt wurde, änderte die belangte Behörde dies dahingehend, daß er dieses Wort "gebraucht" habe. Damit hat sie der Tatsache Rechnung getragen, daß in der Anzeige von einem Schreien keine Rede ist. Es ist im Beschwerdefall ohne Belang, ob das Schimpfwort geschrieen oder auf sonstige Weise gebraucht wurde; beides erfüllt den Tatbestand der Anstandsverletzung. Der Gewährung des Parteiengehörs zu dieser Änderung des Spruches bedurfte es daher nicht.
Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Beteiligter Beweise Fragerecht und Gegenüberstellung Beweismittel Amtspersonen Meldungsleger Anzeigen Berichte Zeugenaussagen Beweismittel Zeugenbeweis Zeugenaussagen von Amtspersonen Mängel im Spruch Parteiengehör AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1991100178.X00Im RIS seit
03.12.2001