Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Leukauf und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des H in O, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 3. August 1992, Zl. 11-75 A 56-91, betreffend Übertretungen des Kraftfahrgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft D vom 28. August 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 19. Februar 1990 einen dem Kennzeichen nach bestimmten Lkw und einen dem Kennzeichen nach bestimmten Anhänger in Betrieb genommen, ohne sich trotz Zumutbarkeit davon zu überzeugen, daß der Lkw und der Anhänger im Hinblick auf die Beladung den kraftfahrrechtlichen Vorschriften entsprochen haben, zumal er den Kraftwagenzug um 06.15 Uhr auf der X-Bundesstraße in L in Höhe der A-Tankstelle in Richtung R gelenkt habe, obgleich durch die Beladung das höchste zulässige Gesamtgewicht 1.) des Lkws von 22.000 kg um 9.000 kg und
2.) des Anhängers von 16.000 kg um 4.750 kg überschritten worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen zu 1.) und 2.) nach § 101 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 102 Abs. 1 KFG begangen. Gemäß § 134 Abs. 1 KFG wurden über ihn Geldstrafen zu 1.) in der Höhe von
S 9.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von vierzehn Tagen) und zu
2.) in der Höhe von S 4.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von sieben Tagen) verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 3. August 1992 wurde der Berufung hinsichtlich Punkt 1.) des bekämpften Straferkenntnisses teilweise Folge gegeben und die Strafe mit S 7.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von zwölf Tagen) festgesetzt. Hinsichtlich Punkt 2.) wurde die Berufung abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt unter anderem vor, daß das im gegenständlichen Fall erzielte Meßergebnis unrichtig sei, weil am angeblichen Tattag ungeeichte Radlastwaagen der Marke Haenny-FIG 100 verwendet worden seien. Aus diesem Grunde habe er beantragt, die erhebenden Gendarmeriebeamten exakt und genau über die von ihnen verwendeten Meßgeräte, insbesondere über deren Eichplomben (Stempelung) und deren Plombennummern, zu befragen. In der Nichtdurchführung dieses Beweisantrages sei ein erheblicher Verfahrensmangel zu erblicken, da sich bei der beantragten Zeugeneinvernahme herausgestellt hätte, daß die fraglichen Radlastwaagen nicht ordnungsgemäß geeicht gewesen seien und deren Anzeige fehlerhaft gewesen sei.
Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu.
Wie schon der Anzeige zu entnehmen ist, wurden die Gewichtskontrollen mit Radlastwaagen der Marke und Type Haenny-FIG 100 durchgeführt. Gemäß § 13 Abs. 2 Z. 1 des Maß- und Eichgesetzes (MEG), BGBl. Nr.152/1950, in der anzuwendenden Fassung, unterliegen Achs- und Radlastmesser der Eichpflicht. Die Nacheichfrist beträgt gemäß § 15 leg. cit. zwei Jahre. Sie beginnt nach § 16 mit dem der letzten Eichung folgenden Kalenderjahr. Der Zeitpunkt der letzten Eichung ergibt sich aus der Eichplombe. Das bei der Eichung (Stempelung) verwendete Eichzeichen enthält als Jahreszeichen die letzten drei Ziffern der Jahreszahl (vgl. § 1 Abs. 4 der Eichstempelverordnung BGBl. Nr. 239/1950 und § 36 MEG sowie die hg. Erkenntnisse vom 27. Februar 1991, Zl. 90/03/0190, vom 18. September 1991, Zl. 91/03/0020, und vom 20. Mai 1992, Zl. 91/03/0087).
Aus den Plombennummern kann daher abgeleitet werden, wann die Meßgeräte letztmalig geeicht wurden.
Durch die Unterlassung der ergänzenden Befragung der mit der Abwaage betrauten Beamten und zusätzlicher Erhebungen zu diesem Thema blieb der Sachverhalt daher in wesentlichen Punkten unaufgeklärt, da allein auf Grund der erstinstanzlichen Zeugenaussagen der einschreitenden Beamten nicht mit einer für das Verwaltungsverfahren erforderlichen Sicherheit bejaht werden kann, ob die verwendeten Radlastwaagen zum Zeitpunkt der Abwaage eine den Eichvorschriften für Achs- und Radlastmessern entsprechende Eichung aufgewiesen haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1992, Zl. 91/03/0087).
Den Aussagen ist lediglich zu entnehmen, daß die Radlastwaagen geeicht sind, aus ihnen geht jedoch nicht hervor, wann die letzte Eichung stattgefunden hat. Hiezu kommt noch, daß weder in der Anzeige noch in den Zeugenaussagen die Nummern jener Geräte festgehalten wurden, die bei der Abwaage verwendet wurden. Der Feststellung, welche Geräte im Einzelfall verwendet wurden, bedarf es aber, da nur dann die weitere Klärung bezüglich des Vorliegens einer gültigen Eichung möglich ist. Auf die Notwendigkeit all dieser Erhebungen wurde schon mehrmals hingewiesen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 27. Jänner 1991, Zl. 90/03/0190, und vom 18. September 1991, Zl. 91/03/0020). Die Aussage eines der Zeugen, daß "laufend eine Vergleichswiegung auf verschiedenen Brückenwaagen durchgeführt werde, wobei die Radlastwaagen und die Brückenwaagen jeweils übereinstimmen", ist zu allgemein und läßt auch die Frage unbeantwortet, wann eine derartige Überprüfung zuletzt vorgenommen wurde. Im übrigen hätte auch die Einholung einer Stellungnahme des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen objektiv zur Klarstellung des Sachverhaltes beitragen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1992, Zl. 91/03/0087). Die bloße Behauptung eines der im Verfahren vernommenen vier Gendarmeriebeamten, es sei die Überladung des Fahrzeuges bereits optisch erkennbar gewesen, vermag bei der gegebenen Sachlage den Schuldspruch nicht mit der für in Verwaltungsstrafsachen notwendigen Sicherheit zu stützen, wozu noch kommt, daß in der Anzeige davon keine Rede ist, sich diese vielmehr auf die Abwaage stützt.
Des weiteren ist darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach bei der Abwaage die Anwendungsbestimmungen der Verordnung des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen vom 18. November 1977, mit der die Eichvorschriften für Achs- und Radlastmesser, die zum behördlichen Gebrauch im Verkehrswesen bestimmt sind (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1990, Zl. 90/03/0153), mißachtet worden seien, gänzlich unberücksichtigt ließ, obwohl auch eine diesbezüglich nähere Aufklärung erforderlich gewesen wäre.
Da gemäß § 25 Abs. 2 VStG die der Entlastung des Beschuldigten dienenden Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen sind wie die belastenden, hätte sich die belangte Behörde über den Beweisantrag des Beschwerdeführers nicht hinwegsetzen dürfen.
Diese Ausführungen zeigen, daß der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Aufklärung bedarf bzw. Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher schon wegen der dem Schuldspruch anhaftenden Mängel gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, wobei sich eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen erübrigte.
Im übrigen ist der Beschwerdeführer auch mit dem gegen den Strafausspruch gerichteten Vorbringen im Recht.
Zum Zeitpunkt der Tat (19. Februar 1990) galt § 101 Abs. 1 lit. a KFG in der Fassung vor der 13. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 458/1990. Im zeitlichen Geltungsbereich dieser Norm wurden durch die Überladung sowohl des Kraftwagens als auch des Anhängers zwei Verwaltungsübertretungen begangen, für die auch zwei getrennte Strafen zu verhängen waren (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juli 1988, Zl. 85/18/0068, u. a.). Am 28. Juli 1990 ist die Bestimmung des Art. I Z. 35 (vgl. auch Art. I Z. 4) der 13. KFG-Novelle in Kraft getreten. Durch diese Änderung wurden die Grundlagen dafür geschaffen, auch Überladungen von Kraftwagenzügen bzw. Sattelzügen zu bestrafen. Die Überladung sowohl des Kraftwagens als auch des Anhängers stellt danach ein Delikt dar (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., S. 833). Diese Änderung der Rechtslage trat nach der Begehung der Verwaltungsübertretung, aber vor der Fällung des Straferkenntnisses erster Instanz vom 28. August 1991, in Kraft. Es hätte daher über den Beschwerdeführer im Hinblick auf die Bestimmung des § 1 Abs. 2 VStG für die zwei Delikte nur eine einzige Strafe verhängt werden dürfen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 1991, Zl. 91/03/0238, und vom 25. März 1992, Zl. 91/03/0290, betreffend die belangte Behörde).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung betrifft Stempelgebühren für eine nicht erforderliche Bescheidausfertigung.
Schlagworte
Sachverhalt SachverhaltsfeststellungBeweismittel Zeugenbeweis Zeugenaussagen von AmtspersonenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992030202.X00Im RIS seit
06.07.2001Zuletzt aktualisiert am
02.07.2014