Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des R in B, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 31. Oktober 1991, Zl. 8V-717/6/91, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 31. Oktober 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 23. März 1990 um
15.40 Uhr in Villach an einem bestimmten Ort stadtauswärts fahrend als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges die im Ortsgebiet höchstzulässige Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h erheblich überschritten. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in der Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde ging von der Feststellung aus, daß der Meldungsleger, der am Tatort - im Ortsgebiet von Villach bei einer gebotenen Geschwindigkeit von 50 km/h - Verkehrskontrollen durchführte, von rechts lautes Motorengeräusch und das Quietschen von Reifen vernahm, und als er in diese Richtung blickte, ein sich mit "sehr hoher Geschwindigkeit" seinem Standort herannäherndes Kraftfahrzeug (das Fahrzeug des Beschwerdeführers) wahrnahm. Diese Geschwindigkeit habe er mit etwa 90 km/h geschätzt. Als der Lenker vom Meldungsleger noch etwa 50 m entfernt war, gab er ihm Anhaltezeichen, kurz vor dem Standort des Meldungslegers reduzierte der Beschwerdeführer die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges stark, fuhr am Meldungsleger mit einer Geschwindigkeit von etwa 70 km/h vorbei und brachte sein Fahrzeug etwa 30 bis 40 m nach dessen Standort zum Stillstand. Unmittelbar nach der Anhaltung gab der Beschwerdeführer die Geschwindigkeitsüberschreitung zu.
Die belangte Behörde beurteilte diesen Sachverhalt dahin, daß der Beschwerdeführer die zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritten habe, wenn auch nicht mit zureichender Sicherheit davon ausgegangen werden könne, daß der "Meldungsleger" (gemeint wohl: der Berufungswerber) tatsächlich die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um 90 % überschritten habe. Die belangte Behörde folgte hier im wesentlichen den Angaben des Meldungslegers, die sie durch das vom Beschwerdeführer an Ort und Stelle abgelegte Geständnis gestützt sah.
Der Beschwerdeführer legt das Schwergewicht seiner Argumente darauf, daß die Geschwindigkeitsschätzung des Straßenaufsichtsorganes nicht verläßlich genug gewesen sei, um eine Verwaltungsübertretung des Beschwerdeführers als erwiesen annehmen zu können. Zutreffend verweist der Beschwerdeführer zunächst darauf, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. neben dem vom Beschwerdeführer zitierten hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1983, Zl. 82/03/0134, auch das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1991, Zl. 90/02/0172) Geschwindigkeitsschätzungen von dafür geschulten Straßenaufsichtsorganen ausreichend verläßlich sein müssen, um im Verwaltungsstrafverfahren verwertet werden zu dürfen. Dafür sind bestimmte äußere Bedingungen erforderlich. Neben einwandfreien Sichtbedingungen steht dabei im Vordergrund, daß das Fahrzeug, dessen Geschwindigkeit geschätzt wird, am schätzenden Straßenaufsichtsorgan vorbeifährt, sodaß das Fahrzeug sowohl beim Herannahen als auch beim Sichentfernen beobachtet werden kann. Unter diesen Umständen genügt etwa eine Beobachtungsstrecke von insgesamt 100 m, um eine Geschwindigkeitsüberschreitung um mindestens ein Drittel festzustellen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1985, Zl. 85/02/0185, vom 9. Juli 1987, Zl. 87/02/0015, und vom 23. September 1988, Zl. 88/02/0015). Für eine verläßliche Geschwindigkeitsschätzung lediglich im Herannahen ist es erforderlich, daß besondere Umstände hinzutreten, wie etwa eine wesentlich längere ("mehrere hundert Meter") Beobachtungsstrecke (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. April 1987, Zl. 86/02/0180) oder eine wesentlich höhere Differenz zwischen der geschätzten und der höchstzulässigen Geschwindigkeit.
Im vorliegenden Fall schätzte der Meldungsleger die Geschwindigkeit, die der Beschwerdeführer mit seinem Fahrzeug im Vorbeifahren am Meldungsleger einhielt, mit 70 km/h anstatt der erlaubten 50 km/h. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieses Ermittlungsergebnis für sich allein ausreicht, um den Beschwerdeführer mit der erforderlichen Verläßlichkeit der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung zu überführen.
Der Beschwerdeführer übersieht nämlich, daß er, wie auch aus der Aussage des Meldungslegers hervorgeht, an Ort und Stelle nach seiner Anhaltung die Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit zugegeben hat. Diese Feststellung, von der auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausgegangen ist, wird vom Beschwerdeführer nicht bekämpft. Auch im Verfahren vor der belangten Behörde bestritt der Beschwerdeführer nicht, ein Geständnis abgelegt zu haben, obwohl bereits im Straferkenntnis erster Instanz das Zugeständnis der Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Beschwerdeführer festgestellt worden war.
Der Beschwerdeführer kann sich daher nicht beschwert erachten, wenn die belangte Behörde nicht seiner Verantwortung, sondern den Angaben des Meldungslegers gefolgt ist, woraus sich ergibt, daß der Beschwerdeführer die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nicht eingehalten, sondern erheblich überschritten hat, wenn auch nicht eindeutig festgestellt worden ist, wie hoch im konkreten Fall das Ausmaß der Überschreitung war. Denn es bedeutet jede (also auch eine nur geringfügige) Überschreitung der gemäß § 20 Abs. 2 StVO 1960 zulässigen Höchstgeschwindigkeit einen Verstoß gegen diese Vorschrift; das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung hat keinen Einfluß auf die Rechtmäßigkeit des Schuldspruches, sondern könnte nur im Zusammenhang mit der - vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen - Strafbemessung von Bedeutung sein (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 1989, Zl. 89/02/0009).
Aus den dargelegten Erwägungen war es auch nicht rechtswidrig, wenn es die belangte Behörde unterließ, im Hinblick auf das Geständnis des Beschwerdeführers, welches die Angaben des Meldungslegers stützte, weitere Beweise zur vom Beschwerdeführer eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit einzuholen. Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet; sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Beweismittel Amtspersonen Meldungsleger Anzeigen Berichte Zeugenaussagen Beweismittel Zeugenbeweis Zeugenaussagen von Amtspersonen Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Feststellen der Geschwindigkeit Grundsatz der Gleichwertigkeit Überschreiten der GeschwindigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1991030339.X00Im RIS seit
12.06.2001