Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §13a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des J in K, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 3. Oktober 1991, Zl. IIb2-V-8777/7-1991, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. Oktober 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 18. Mai 1990 um 15.50 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand auf der S-Straße in K auf Höhe des Hotels S in Fahrtrichtung Ortsmitte gelenkt und dadurch eine Übertretung nach §§ 5 Abs. 1 und 99 Abs. 1 lit. a StVO begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von S 10.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer stützt sich darauf, daß im Hinblick auf die beiden Messungen seiner Atemluft auf Alkoholgehalt, die 1,46 mg pro Liter und 1,34 mg pro Liter ergeben haben, von einer Vollberauschung auszugehen sei, sodaß die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre, ein medizinisches Sachverständigengutachten zur Frage der Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit einzuholen. Es lasse sich aus dem angefochtenen Erkenntnis nicht ermitteln, welche Schuldform die belangte Behörde angenommen hat.
Hiezu ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, daß gemäß § 5 Abs. 1 VStG für die Strafbarkeit des Beschwerdeführers fahrlässiges Verhalten ausreicht. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot (oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes) dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Schuldausschließungsgründe sind jedoch nicht gegeben, insbesondere lag auch die vom Beschwerdeführer behauptete Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 3 VStG nicht vor. Die Bestrafung des Beschwerdeführers erfolgte im vorliegenden Fall auf Grundlage der Messung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt, welche 1,34 mg pro Liter (das entspricht rund 2,7 %o Blutalkoholgehalt) ergeben hat. Ein Erfahrungssatz der medizinischen Wissenschaften, etwa derart, daß eine Person, deren Blutalkoholgehalt die genannte Höhe erreicht, jedenfalls nicht mehr imstande ist, ein Fahrzeug zu lenken, besteht nicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1988, Zl. 88/02/0031). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer nach seiner Betretung vom Meldungsleger einvernommen wurde, wobei der Beschwerdeführer detaillierte Angaben über seinen Tagesablauf, seine Tätigkeiten ab dem Abend des Vortages einschließlich Angaben zum Alkoholkonsum machte, und auch das Unfallgeschehen schilderte. Die Aussage des Beschwerdeführers wurde vom Meldungsleger in einem Protokoll niedergelegt, welches der Beschwerdeführer unterfertigt hat. Im Hinblick auf das situationsbezogene Verhalten des Beschwerdeführers bestand somit für die belangte Behörde keine Veranlassung, über seine Zurechnungsfähigkeit ein ärztliches Sachverständigengutachten einzuholen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1992, Zlen. 92/02/0195, 0196).
Die vom Beschwerdeführer aufgestellte Behauptung, die beiden, mit dem Atemalkoholanalysegerät erzielten Einzelmeßergebnisse hätten eine Differenz von mehr als 10 %, ist unrichtig. Auch sonst ergab sich keinerlei Anhaltspunkt dafür, die Messung der Atemluft des Beschwerdeführers auf Alkoholgehalt sei unzureichend erfolgt. Auch die Verantwortung des Beschwerdeführers, er hätte in Form eines "Sturztrunkes" vor Fahrantritt einen "Pfiff Bier" zu sich genommen, schlägt mangels Relevanz nicht durch. Die Betretung des Beschwerdeführers erfolgte um 15.50 Uhr, die beiden Messungen seiner Atemluft auf Alkoholgehalt erfolgten um 16.18 Uhr und um
16.23 Uhr, wie sich aus dem dem Verwaltungsstrafakt beigeschlossenen Meßstreifen des verwendeten Atemalkoholanalysegerätes ergibt. Aus den übereinstimmenden Aussagen der beiden vernommenen Gendarmeriebeamten ergibt sich die ordnungsgemäße Funktionsweise des Alkomaten. Die offensichtlich unrichtige Erinnerung des Gendarmeriebeamten Fleischhacker an die Uhrzeit der zweiten Messung der Atemalkoholuntersuchung des Beschwerdeführers ("16.32 Uhr") läßt noch keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der übrigen Angaben dieses Gendarmeriebeamten aufkommen.
Insoweit der Beschwerdeführer rügt, daß er vor der Messung nicht darauf hingewiesen worden sei, daß das Ergebnis der Untersuchung als Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung gelte, ist ihm zu entgegnen, daß eine derartige Belehrung nicht erforderlich ist. Daß das Gerät nicht geeicht gewesen wäre, wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Ob und wann eine "Kalibrierung" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1992, Zl. 92/02/0300) vorgenommen wurde, ist unerheblich.
Dem Argument des Beschwerdeführers, er sei am Tag der Tat an Grippe erkrankt gewesen und hätte 40 Grad Fieber gehabt, und seinem hiezu gestellten Beweisantrag auf Einvernahme seines Arztes, in dessen Behandlung er gestanden sei, ist die Mitteilung seitens der Ordination dieses Arztes vom 25. Februar 1992 entgegenzuhalten, wonach der Beschwerdeführer am Unfalltag (auch nicht unmittelbar vorher oder nachher) nicht in Behandlung war.
Schließlich ist dem Beschwerdeführer, insoweit er rügt, daß seitens der Gendarmeriebeamten seinem Wunsch auf Vorführung zur Blutabnahme nicht entsprochen worden wäre, und er hiezu den Zeugen S beantragt habe, der jedoch nicht einvernommen worden sei, folgendes entgegenzuhalten: Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 1. März 1991, G 274-283/90-13, G 322/90-9, G 46-51/91-5, § 5 Abs. 4a zweiter Satz StVO ("im Falle einer Untersuchung der Atemluft nach Abs. 2a lit. b hat eine Vorführung nach Abs. 4 zu unterbleiben") sowie die Wortfolge "von 0,4 bis 0,5 mg/l" in § 5 Abs. 4b StVO als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß die aufgehobenen Bestimmungen auch in jenen Rechtssachen nicht mehr anzuwenden sind, in denen vor dem 27. Februar 1991, 10.30 Uhr, Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht wurde. Diese Aufhebung trat mit ihrer Kundmachung im Bundesgesetzblatt am 25. April 1991 in Kraft. Nach Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG ist ein wegen Verfassungswidrigkeit aufgehobenes Gesetz auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichthof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Die dem Beschwerdeführer angelastete Verwaltungsübertretung wurde am 18. Mai 1990, also vor dem Wirksamwerden des aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes begangen. Die Beschwerde wurde nach dem 27. Februar 1991 beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Auf den Fall des Beschwerdeführers ist daher § 5 StVO in dem vor dem Wirksamwerden des aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes geltenden Fassung anzuwenden. Danach hatte der Beschwerdeführer zwar nicht die Möglichkeit, zu verlangen, daß die Organe der Straßenaufsicht eine Blutabnahme zum Zwecke der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes veranlaßten; es war ihm aber nicht verwehrt, den Gegenbeweis gegen das Ergebnis der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt zu erbringen, indem er selbst eine Blutabnahme und Blutalkoholuntersuchung veranlaßte (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1992, Zl. 91/03/0332, mit weiteren Judikaturhinweisen). Eine Verpflichtung der die Atemalkoholuntersuchung durchführenden Organe der Straßenaufsicht, dem Beschwerdeführer eine diesbezügliche Belehrung zu erteilen, bestand nicht. Dem zuvor genannten Vorbringen des Beschwerdeführers sowie dem dazu gestellten Beweisantrag entbehrte somit die nötige Relevanz. Da der Beschwerdeführer nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, durch eine Blutalkoholuntersuchung den Gegenbeweis gegen das Ergebnis der Atemluftuntersuchung zu erbringen, konnte die belangte Behörde entsprechend der Bestimmung des § 5 Abs. 4a erster Satz StVO die Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers als erwiesen annehmen.
Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 5 Abs. 2a lit. b StVO bestehen beim Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken.
Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Alkoholbeeinträchtigung Fahrtüchtigkeit Alkoholbeeinträchtigung von 0,8 %o und darüber Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Alkomat Verfahrensrecht Verfahrensrecht BeweismittelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1991030348.X00Im RIS seit
12.06.2001