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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Karger als Richter im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, in der Beschwerdesache des HC, vertreten durch Dr. Wolfgang Grobmann und Dr. Helmut Paul, Rechtsanwälte in Krems/Donau, Obere Landstraße 14, gegen die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Das Verfahren wird eingestellt.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 6.460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einem beim zuständigen Finanzamt am 21. August 1991 eingelangten Schriftsatz vom 19.-August 1991 hat der Beschwerdeführer gegen zwei Bescheide (Jahresausgleichsbescheid für das Jahr 1990 und Freibetragsbescheid für das Jahr 1992) Berufung erhoben. Diese Berufung wurde durch einen beim Finanzamt am 24. Jänner 1992 eingelangten, von den nunmehrigen Beschwerdevertretern vorgelegten Schriftsatz vom 21. Jänner 1992 näher ausgeführt; auf Seite 1 dieses Schriftsatzes heißt es sinngemäß, daß der Beschwerdeführer .in beiden Steuersachen durch die einschreitenden Rechtsanwälte vertreten wird. Beigefügt wurde der Vermerk "Vollmacht gemäß § 8 RAO erteilt".
Mit Berufungsentscheidung vom 13. August 1992 entschied die belangte Behörde über die Berufung des Beschwerdeführers, soweit sie den Jahresausgleich für das Jahr 1990 betrifft Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 21. August 1992 unter einer Nachsendeadresse nachweislich zugestellt.
Nach der Aktenlage wurde über die Berufung des Beschwerdeführers, soweit sie den Freibetragsbescheid für das Jahr 1992 betrifft, mittels Berufungsvorentscheidung vom 29. September 1992 entschieden. Laut Auskunft der Beschwerdevertreter langte dieser Bescheid am 1. Oktober 1992 in deren Kanzlei ein.
Die vorliegende Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in beiden angeführten Angelegenheiten langte am 2. September 1992 beim Verwaltungsgerichtshof ein.
Mit Beschluß vom 30. September 1992 leitete der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde das Vorverfahren gemäß § 35 Abs. 3 VwGG ein.
Hiezu teilte die belangte Behörde unter Vorlage der Verwaltungsakten sodann mit, daß sie ihre Berufungsentscheidung vom 13. August 1992 noch vor Erhebung der Säumnisbeschwerde erlassen habe; dementsprechend könne dieser Bescheid nunmehr nicht nachgeholt werden.
In seiner Äußerung hiezu räumte der Beschwerdeführer ein, daß ihm die Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 13. August 1992 am 21. August 1992 zugestellt worden sei. Diese Zustellung sei aber nicht rechtsgültig erfolgt, weil der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren anwaltlich vertreten gewesen sei. Da der Beschwerdeführer die von ihm übernommene Berufungsentscheidung seinem Rechtsvertreter erst am 7. September 1992 zugemittelt habe, sei die schon vorher erhobene Säumnisbeschwerde zulässig gewesen. Er beantrage deshalb den Zuspruch der ihm entstandenen Verfahrenskosten.
Der Beschwerdeführer hat sich, wie dargestellt, im Laufe des Berufungsverfahrens anwaltlich vertreten lassen. Der von seinen Vertretern eingebrachte ergänzende Berufungsschriftsatz enthält keinerlei Hinweis auf eine Einschränkung der Vollmacht und ermächtigt daher als sogenannte "allgemeine Bevollmächtigung zur Vertretung" nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch zur Empfangnahme von Schriftstücken im Sinne des § 9 Zustellgesetz (vgl. z.B. die zum AVG ergangenen hg. Erkenntnisse vom 18. Juni 1990, Z1. 90/10/0035, und vom 15. Februar 1991, Zl. 88/18/0012, sowie die dort zitierte Rechtsprechung). Ein Tatbestand gemäß § 103 Abs. 2 BAO, dessentwegen die Zustellungsbevollmächtigung unwirksam wäre, liegt offenkundig nicht vor. Des Nachweises der Vollmacht bedurfte es im Hinblick auf den letzten Satz des § 8 Abs. 1 Rechtsanwaltsordnung in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 474/1990 nicht, weil nach dieser Bestimmung die Berufung auf die Bevollmächtigung vor allen Gerichten und Behörden deren urkundlichen Nachweis ersetzt.
Gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, hat die Behörde, wenn eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt ist, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung im dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.
Da im Beschwerdefall der in der tatsächlichen Zustellung der Berufungsentscheidung vom 13. August 1992 an den Beschwerdeführer anstatt an zumindest einen seiner Zustellungsbevollmächtigten gelegene Zustellungsmangel erst am 7. September 1992 saniert worden ist, die Säumnisbeschwerde aber schon am 2. September 1992 erhoben worden war, liegt ein Fall der Nachholung des bis dahin versäumten Bescheides vor. Die den Freibetragsbescheid für das Jahr 1992, betreffende Berufungsvorentscheidung stammt überhaupt erst vom 29. September 1992, wurde also ebenfalls nicht vor Erhebung der Säumnisbeschwerde erlassen.
Durch die genannten Bescheide wurde der Beschwerdeführer klaglos gestellt, doch ist in einem solchen Fall das. Verfahren nicht nach § 36 Abs. 2, sondern nach § 33 Abs. 1-VwGG einzustellen (vgl. u.a. den hg. Beschluß vom 22. September 1968, Slg. Nr. 3815/F).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, $ 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991 (vgl. u.a. den Beschluß eines verstärkten Senates vom 30. März 1977, Slg. Nr. 5111/F).
Wien, am 29. März 1993
Schlagworte
Säumnisbeschwerde Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - Einstellung Vertretungsbefugnis Inhalt UmfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992150153.X00Im RIS seit
07.03.2002