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yy41 Rechtsvorschriften die dem §2 R-ÜG StGBl 6/1945 zuzurechnenNorm
BAO §209 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 91/15/0094Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerden der C-AG in W, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland je vom 16. Mai 1991,
1. Zl. GA 11 - 324/15/91, und 2. Zl. GA 11 - 324/16/91, beide betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.220,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1990,
Zlen. 88/15/0060, 0061 (im folgenden: Vorerkenntnis) verwiesen. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist noch folgender Sachverhalt von Bedeutung:
Die Beschwerdeführerin war seit 1977 an der "D-Mineral-Explorationsgesellschaft m.b.H. & Co. KG" (im folgenden: "D KG") beteiligt. Im Jahre 1981 war das Unternehmen der "D KG" gemäß Art. III, §§ 8 bis 10 StruktVG zum 31. Dezember 1980 in die "D-Mineral-Explorationsgesellschaft m. b.H." (im folgenden: "D GmbH") eingebracht worden. Mit zwei an die "D-Mineral-Explorationsgesellschaft m.b.H. & Co. KG zu Handen Rechtsnachfolger: D-Mineral-Explorationsgesellschaft m. b.H." gerichteten, im Instanzenzug erlassenen Bescheiden hatte die Abgabenbehörde für in den Jahren 1977 bis 1981 an die "D KG" erbrachte Gesellschafterleistungen Gesellschaftsteuer in der Höhe von S 460.000,-- und S 4,019.070,-- festgesetzt. Diese Berufungsentscheidungen wurden mit dem Vorerkenntnis wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben. Der Gerichtshof vertrat im wesentlichen die Auffassung, Adressat der Bescheide sei im Hinblick auf die oben wiedergegebene Bezeichnung die "D-GmbH" gewesen. Nur die - ungeachtet der Einbringung ihres Betriebes in das Unternehmen der "D GmbH" rechtlich weiterbestehende - "D KG" sei jedoch als Schuldner der Gesellschaftsteuer in Betracht gekommen. Die Gesellschaftsteuer sei daher ohne Rechtsgrundlage gegenüber der "D GmbH" geltend gemacht worden.
Mit am 5. Dezember 1990 gemäß § 224 BAO, § 10 KVG erlassenen Bescheiden nahm das Finanzamt die Beschwerdeführerin als Haftenden für Gesellschaftsteuer von S 3,784.319,-- und S 460.000,-- auf Grund von an die "D KG" erbrachten Gesellschafterleistungen von S 189,215.938,87 (1977 bis 1980) und S 23 Mio (1981) in Anspruch.
In ihren gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen wendete die Beschwerdeführerin Verjährung ein. Sie vertrat die Auffassung, die Abgabenbehörde habe die strittigen Gesellschafterleistungen betreffend bisher ausschließlich Ansprüche gegenüber der "D GmbH" geltend gemacht. Die Verjährungsfrist sei daher abgelaufen. Darüber hinaus verwies die Beschwerdeführerin auf die Gründe der seinerzeit von der "D GmbH" erhobenen Berufungen.
Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Bescheide des Finanzamtes dahin abgeändert, daß die Beschwerdeführerin für Gesellschaftsteuer in der Höhe von S 1,194.580,-- und S 230.000,-- zur Haftung herangezogen werde; im übrigen wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen. In den im wesentlichen gleichlautenden Begründungen der angefochtenen Bescheide vertrat die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage im wesentlichen folgende Auffassung:
Die Haftungsbescheide seien erlassen worden, weil keine Möglichkeit der Zustellung von Abgabenbescheiden an die "D KG" bestünde. Der Verjährungseinwand sei nicht berechtigt, weil die Haftung jedenfalls innerhalb einer Frist geltend gemacht werden könne, die der abstrakten Bemessungsverjährungsfrist entspreche. Diese habe betreffend die Gesellschaftsteuer für 1977 bis 1981 frühestens mit 31. Dezember 1977 zu laufen begonnen; sie sei sodann - betreffend die Gesellschaftsteuer 1977 bis 1980 - durch die im Februar, April und Mai 1981 durchgeführte, auf die zuletzt erwähnten Abgaben bezogene abgabenbehördliche Prüfung, sowie - die Gesellschaftsteuer 1977 bis 1981 betreffend - durch die Erlassung der vorläufigen Bescheide am 18. Jänner 1982 sowie der Bescheide vom 14. November 1984 und der Berufungsentscheidungen vom 24. März 1988 unterbrochen worden. Die Erlassung der Haftungsbescheide sei daher innerhalb der Verjährungsfrist des § 207 BAO erfolgt. Der begünstigte Steuersatz des § 9 Abs. 2 KVG sei in den Beschwerdefällen nicht anzuwenden, weil die Gesellschaft mit für ihren Zweck zu geringem Kapital ausgestattet worden sei.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich insbesondere in ihrem Recht, daß gegen sie wegen Eintrittes der Verjährung keine Haftungsbescheide erlassen werden dürften und in ihrem Recht auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 9 Abs. 2 KVG verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zum Verjährungseinwand:
Die Heranziehung zur Haftung stellt eine Maßnahme der Einhebung dar (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Juli 1964, Slg. 3117/F, vom 20. April 1989, Zl. 89/16/0009-0011, und vom 16. Oktober 1992, Zl. 91/17/0124). Es sind daher (zunächst) die Vorschriften über die Einhebungsverjährung maßgebend.
Nach § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.
Im Hinblick auf § 238 Abs. 1 letzter Halbsatz BAO ist die Heranziehung eines Haftenden (als Einhebungsmaßnahme) jedenfalls solange zulässig, als das Recht zur Festsetzung zur Abgabe nicht verjährt ist. Im Beschwerdefall ist daher zunächst zu prüfen, ob im Zeitpunkt der Heranziehung der Beschwerdeführerin zur Haftung durch die Erlassung der (erstinstanzlichen) Haftungsbescheide am 5. Dezember 1990 das Recht zur Festsetzung der in Haftung gezogenen Abgaben verjährt war. Die Verjährungsfrist betrug bei den in Rede stehenden Abgaben fünf Jahre ab dem Ablauf des Jahres, in dem der jeweilige Abgabenanspruch entstanden ist (vgl. § 207 Abs. 2 BAO in Verbindung mit § 208 Abs. 1 lit. a BAO), das ist im Beschwerdefall der jeweils letzte Tag der Jahre 1977 bis 1981. Die Beschwerdeführerin räumt ausdrücklich ein, daß die Verjährung durch die Erlassung der vorläufigen Bescheide vom 18. Jänner 1982 unterbrochen wurde und somit am 1. Jänner 1983 neu zu laufen begann (vgl. § 209 Abs. 1 letzter Satz BAO). Strittig ist im Beschwerdeverfahren somit, ob den in der folgenden Zeit gesetzten Maßnahmen der Abgabenbehörde (insbesondere der Erlassung der Bescheide vom 14. November 1984 und 24. März 1988) die Wirkung einer Unterbrechung der Bemessungsverjährung zukam; andernfalls wäre die Bemessungsverjährung vor Erlassung der erstinstanzlichen Haftungsbescheide eingetreten.
Nach § 209 Abs. 1 erster Satz BAO wird die Verjährung durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen.
Dazu vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches von der Behörde unternommene, nach außen erkennbare Handlung die Verjährung auch dann unterbricht, wenn sich diese Handlung nicht gegen die schließlich als Abgabenschuldner in Anspruch genommene Person gerichtet hat (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 2. Juli 1992, Zlen. 91/16/0071-0073, und die dort zitierte Vorjudikatur). Lediglich der eindeutig nur gegen einen Gesamtschuldner gerichteten Abgabenfestsetzung kommt in Ansehung eines anderen davon nicht berührten Gesamtschuldners nicht die Wirkung der Unterbrechung zu (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Februar 1991, Zl. 89/16/0218, vom 29. Juni 1992, Zl. 91/15/0154, und vom 2. Juli 1992, Zlen. 91/16/0071-0073).
Von diesen Grundsätzen ausgehend erweist sich im Beschwerdefall die Auffassung der belangten Behörde, die Bemessungsverjährungsfrist sei durch die Erlassung der Bescheide vom 14. November 1984 und 24. März 1988 unterbrochen worden (und im Zeitpunkt der Erlassung der erstinstanzlichen Haftungsbescheide gegenüber der Beschwerdeführerin somit noch nicht abgelaufen gewesen), als zutreffend. Die an die "D-Mineral-Explorationsgesellschaft m.b.H. & Co. KG zu Handen Rechtsnachfolger: D-Mineral-Explorationsgesellschaft m.b.H."
gerichteten Bescheide waren zwar, wie im Vorerkenntnis näher dargelegt wurde, nicht an den Abgabenschuldner gerichtet und daher rechtswidrig; die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes schließt aber seine Eignung, die Verjährung zu unterbrechen, nicht aus (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1987, Zl. 85/15/0131, und vom 14. Mai 1991, Zl. 90/14/0148). Es handelte sich bei den erwähnten Bescheiden auch nicht um die Festsetzung der Abgaben gegenüber einem von mehreren Gesamtschuldnern im Sinne der oben dargelegten Rechtsprechung. Das im vorliegenden Fall vorgekommene Vergreifen in der Bezeichnung des Abgabenschuldners ist auch der Inanspruchnahme nur eines von mehreren Gesamtschuldnern nicht gleichzuhalten. Die erwähnten Bescheide genügten daher den Anforderungen, die § 209 Abs. 1 erster Satz BAO für die Unterbrechung der Bemessungsverjährung normiert. Die Bemessungsverjährung war somit im Hinblick auf ihre Unterbrechung durch die erwähnten Bescheide im Zeitpunkt der Erlassung der erstinstanzlichen Haftungsbescheide noch nicht eingetreten. Damit war im Sinne des § 238 Abs. 1 letzter Halbsatz BAO auch das Recht auf Einhebung der Abgabe (durch Heranziehung der Beschwerdeführerin zur Haftung) nicht verjährt.
In diesem Zusammenhang ist der Auffassung der Beschwerdeführerin, die erwähnten Bescheide hätten deshalb keine Unterbrechung der Verjährung bewirken können, weil die "D-KG" im Zeitpunkt der Erlassung dieser Bescheide ein "rechtliches Nichts" gewesen sei und die Bescheide daher ins Leere gegangen seien, unter anderem schon deshalb nicht zu folgen, weil die erwähnten Bescheide (wie schon im Vorerkenntnis dargelegt wurde) nicht an die "D KG", sondern an die "D GmbH" gerichtet waren. An der rechtlichen Existenz der "D GmbH" in den maßgeblichen Zeitpunkten hat die Beschwerdeführerin aber niemals Zweifel geäußert. Davon, daß die Bescheide an ein "rechtliches Nichts" gerichtet gewesen und somit ins Leere gegangen wären, kann somit schon aus diesem Grund nicht die Rede sein. Es erübrigt sich daher auch jede Auseinandersetzung mit den Darlegungen der Beschwerde betreffend die (im Vorerkenntnis ausdrücklich bejahte) rechtliche Existenz der "D KG".
Zur Frage des ermäßigten Steuersatzes:
Nach § 9 Abs. 2 Z. 1 KVG ermäßigt sich die Steuer auf 1 v.H. 1. beim Erwerb von Gesellschaftsrechten, bei der Veräußerung eigener Gesellschaftsrechte und bei Leistungen, soweit sie erforderlich sind: a) zur Deckung der Überschuldung einer inländischen Kapitalgesellschaft, b) zur Deckung eines Verlustes am Grundkapital einer inländischen Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien oder am Stammkapital einer inländischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, die strittigen Gesellschafterleistungen seien von der Beschwerdeführerin im Rahmen der gesellschaftsvertraglichen Verpflichtung zur Verlustabdeckung erbracht worden. Demnach sei die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes zu verweigern, weil klar ersichtlich sei, daß die Gesellschaft mit "für ihren Gesellschaftszweck zu geringem Kapital" ausgestattet gewesen sei. Damit befand sich die belangte Behöde im Einklang mit der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die Erkenntnisse vom 2. Mai 1968, Zlen. 1720, 1721/67, vom 8. Jänner 1979, Zl. 2032/77, und vom 23. November 1987, Zl. 86/15/0001) in der Frage des ermäßigten Steuersatzes für Gesellschafterleistungen an sog. "geborene Zuschußbetriebe" bzw. für Zuschüsse, mit denen der Mangel eines "für den gesetzten Gesellschaftszweck ausreichenden Eigenkapitals" ausgeglichen werden sollte. Von dieser Rechtsprechung ging der Verwaltungsgerichtshof aber mit seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. Dezember 1992, Zl. 91/15/0037, ab; gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. Der Gerichtshof vertritt nunmehr die Auffassung, daß Gesellschafterleistungen an "geborene Zuschußbetriebe" bzw. "Betriebe mit für den Gesellschaftszweck nicht ausreichender Kapitalausstattung" ebenfalls der Begünstigung nach § 9 Abs. 2 Z. 1 KVG unterliegen, soweit sie zur Deckung einer Überschuldung bzw. eines Verlustes am Grund- oder Stammkapital erforderlich sind. Die von der belangten Behörde für die Verweigerung der Begünstigung nach § 9 Abs. 2 Z. 1 KVG herangezogenen Argumente erweisen sich somit vor dem Hintergrund der geänderten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als tragfähig. Die angefochtenen Bescheide waren daher wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der pauschalierte Schriftsatzaufwand auch die im Beschwerdefall gesondert geltend gemachte Umsatzsteuer umfaßt.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1991150093.X00Im RIS seit
11.06.2001Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008