TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/30 92/04/0190

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.03.1993
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art130 Abs1 lita;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art133 Z1;
GewO 1973 §359 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde der "X" Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 8. Juli 1992, Zl. 314.679/20-III/3/92, betreffend Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: Y in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 21. Mai 1991 wurde die Änderung der Betriebsanlage im Standort W, Y-Straße 18, in welcher die mitbeteiligte Partei dieses Beschwerdeverfahrens das Gastgewerbe in der Betriebsart eines Restaurants auszuüben beabsichtige, nach Maßgabe der Pläne und der Betriebsbeschreibungen, auf die sich dieser Bescheid bezieht, gemäß § 81 GewO 1973 unter Vorschreibung von Auflagen genehmigt.

Dagegen erhob u.a. die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 4. September 1991 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchteil II; Spruchteil I ist nicht Gegenstand des vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens).

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 8. Juli 1992 wurde Spruchteil II des zweitbehördlichen Bescheides im Grunde des § 359 Abs. 4 in Verbindung mit § 74 Abs. 2, § 75 Abs. 2 und § 356 "Abs. 2" (richtig wohl "Abs. 3") GewO 1973 bestätigt (Spruchteil II; Spruchteil I des Ministerialbescheides ist nicht Gegenstand des vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens).

Zur Begründung wurde ausgeführt, daß über das Ansuchen der mitbeteiligten Partei vom 17. September 1990 von der Erstbehörde zwei mündliche Augenscheinsverhandlungen, und zwar am 9. November 1990 und am 22. April 1991, durchgeführt worden seien. Während die Vertreterin der Beschwerdeführerin am 9. November 1990 "gegen die Genehmigung der Änderung keine Einwendungen" erhoben habe, habe sie am 22. April 1991 wie folgt vorgebracht:

"1)

Anläßlich des Eintrittes in das Mietrecht des Vorgängers (= J, der das Buffet-Restaurant 'A' betrieb) wurde vom damaligen Vertreter des nunmehrigen Konsenswerbers ausdrücklich erklärt, daß keine stärkeren Emissionen auftreten werden, als sie vom Vorbesitzer hervorgerufen wurden. Zum Beweis dafür wird ein Schriftsatz der Rechtsanwälte Dr. C und Dr. B vom 18.7.1989 vorgelegt und in Kopie zum Akt genommen.

2)

Das Lüftungsprojekt fand nicht die Zustimmung des Grundeigentümers. Wesentliches Argument dafür war die verstärkte Lärmemission bei der Luftabsaugung im Hof und bei der Luftausblasung über Dach.

3)

Weiters war die Luftableitungsführung im Keller nicht abgesprochen und hat zu Behinderungen der Parteienkeller geführt.

4)

Es gibt eine zivilrechtliche Vereinbarung darüber, daß sämtliche Fenster in den Innenhof (sowohl die Fenster des gassenseitigen Gastraumes als auch die Fenster der Vorbereitungsräume im Seitentrakt) nicht öffenbar eingerichtet werden dürfen. Als Beweis dafür wird ein Schriftsatz vom 3.4.1990 vorgelegt und in Kopie zum Akt genommen.

5)

Die Luftleitungen und die Heizungsleitungen im Keller wurden seitens der Hauseigentümer nicht genehmigt und erhöhen die gesamte Temperatur des Kellerbereiches. Durch die Situierung der Dienstnehmergarderoben sowie von Lagerräumen im Keller wird eine erhöhte Personenfrequenz im Kellerbereich auftreten, die geeignet ist, Mieter des Hauses durch Lärm zu beeinträchtigen.

6)

Da die Vorbereitungsküche im Seitentrakt mit der Küche im Gastraum nur über das allgemeine Hausstiegenhaus untereinander in Verbindung steht, wird befürchtet, daß die Türen offengehalten werden und dabei Geruch und Lärm in das allgemeine Hausstiegenhaus gelangen.

7)

Der Müllraum des gegenständlichen Hauses ist NUR für einen zusätzlichen Müllcontainer für das Lokal konzipiert. Außerdem war es bereits beim Vorgänger, der die Betriebsanlage in wesentlich kleinerem räumlichen und zeitlichen Umfang sowie lediglich als Buffet-Restaurant betrieben hat, zu Entsorgungsproblemen gekommen und es sind Geruchsbelästigungen aufgetreten. Es müßte daher ein anderes Entsorgungskonzept vorgelegt werden."

Im Lichte des § 74 Abs. 2, des § 75 Abs. 2 und des § 356 Abs. 3 sowie des § 359 Abs. 4 GewO 1973 ließen die für die Beurteilung der Nachbareigenschaft bzw. der Parteistellung bzw. des Berufungsrechtes der Beschwerdeführerin im vorliegenden Verwaltungsverfahren maßgeblichen Einwendungen vom 22. April 1991 keine Anknüpfungspunkte für den gültigen Erwerb einer Parteistellung gemäß § 356 Abs. 3 i.V.m. § 74 Abs. 2 und § 75 Abs. 2 GewO 1973 erkennen, werde doch nirgendwo eine Verknüpfung zwischen dem beantragten Vorhaben und der subjektiven Rechtssphäre der Beschwerdeführerin selbst (und sei es auch in ihrer Eigenschaft gemäß § 75 Abs. 2 dritter Satz GewO 1973) hergestellt. Vielmehr würden in einigen Punkten der Stellungnahme Rechte der Mieter erwähnt (Punkte 3 und 5), in weiteren Punkten Zivilrecht berührt (Punkt 1, 2 und 4); in den Punkten 6 und 7 werde zwar von Belästigungen gesprochen, jedoch ohne konkrete Zuordnung zu irgendeiner subjektiven Rechtssphäre. Mangels Erfüllung der gesetzmäßig vorgeschriebenen Voraussetzungen zur Beteiligung am gegenständlichen Verwaltungsverfahren durch die Beschwerdeführerin als Partei sei daher die mit Spruchteil II) des zweitbehördlichen Bescheides ausgesprochene Zurückweisung der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin Rechtens. Hingewiesen werde abschließend darauf, daß bei dieser Sach- und Rechtslage den - gegen die Genehmigung der Betriebsanlage gerichteten - Ausführungen in der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung keinerlei Relevanz zukommen habe können.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde "wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen, in eventu der Beschwerde als unbegründet keine Folge zu geben".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die vorliegende Beschwerde enthält folgende Erklärung über

den Beschwerdepunkt:

"Durch den angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin unter Zugrundelegung des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes in ihrem Recht auf Parteistellung im Verfahren betreffend die Änderung der Betriebsanlage am Standort W, Y-Straße 18, verletzt."

Die Beschwerdeführerin trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, daß der Bescheid der Erstbehörde vom 21. Mai 1991 der Beschwerdeführerin am 28. Mai 1991 zugestellt worden sei und die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid Berufung, welche fristgerecht am 5. Juni 1991 eingebracht worden sei, erhoben habe. Die Zweitbehörde habe zwar mit Berufungsbescheid vom 4. September 1991 in dessen Spruchteil II die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerin zurückgewiesen, habe aber bemerkenswerterweise über die Parteistellung der Beschwerdeführerin im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nicht erkannt. Lediglich aus der Begründung des Berufungsbescheides sei ersichtlich, daß der Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Eigenschaft als juristische Person eine Nachbarstellung wegen Gefährdungen oder Belästigungen im Sinne des § 75 Abs. 1 erster Satz, erster Satzteil GewO 1973, somit die Parteistellung im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren, nicht zuerkannt worden sei. Wenn nun die Zweitbehörde die Auffassung vertreten habe, der Bescheidspruch der ersten Instanz wäre hinsichtlich der Parteistellung der Beschwerdeführerin - was bestritten werde - fehlerhaft, da eine Gesetzesstelle unrichtig oder unvollständig angewendet worden wäre, wäre schon die Berufungsbehörde verpflichtet gewesen, dies in ihrem Ausspruch zu ergänzen bzw. richtigzustellen, widrigenfalls sie auch ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet hätte. Die belangte Behörde habe jedoch im Spruchteil II den Berufungsbescheid des Landeshauptmannes in diesem Punkt ebenfalls ohne eine Ergänzung vorzunehmen, bestätigt, sodaß schon aus diesem Grund der angefochtene Bescheid als rechtswidrig beurteilt werden müsse.

Die belangte Behörde habe lediglich - unvollständig - das Vorbringen der Beschwerdeführerin anläßlich der Augenscheinsverhandlung vom 22. April 1991 wiederholt und habe das weitere Vorbringen gegen Ende der Verhandlung, wonach "oberhalb der Betriebsanlage die Büroräume der Beschwerdeführerin situiert sind (siehe Protokoll über die Augenscheinsverhandlung vom 22. April 1991, Seite 10)" unberücksichtigt gelassen. In diesem Zusammenhang werde schon jetzt auf das weitere Vorbringen in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Beschwerdeführerin verwiesen, in der wiederholt auf die auf der Stiege 2 befindlichen Mieter und in diesem Zusammenhang auf die auf der Stiege 2 befindlichen Büroräumlichkeiten der Beschwerdeführerin verwiesen werde.

Unter Zugrundelegung der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen ergebe sich jedoch, daß diese die Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973, insbesondere § 75 Abs. 2 leg. cit. unrichtig angewendet habe, da die belangte Behörde lediglich (und im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) festhalte, daß juristische Personen weder eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit und ebensowenig Belästigungen gemäß § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO 1973 geltend machen könnten. Selbst wenn man - was ausdrücklich bestritten werde - einzig die Einwendungen der Beschwerdeführerin anläßlich der Augenscheinsverhandlung vom 22. April 1991 heranziehe, ergebe sich, daß diese Einwendungen nicht - wie die belangte Behörde glauben machen wolle - durch die Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als bloße Hauseigentümerin bzw. Vermieterin, sondern in ihrer Eigenschaft als Benützerin oberhalb der Betriebsanlage gelegener Büroräumlichkeiten erhoben worden seien, wobei der Titel, aus dem das gegenständliche Nutzungsrecht resultiere, unerheblich sei. Es liege auf der Hand, daß die von der Beschwerdeführerin genutzten Büroräumlichkeiten von den Mitarbeitern der Beschwerdeführerin, für deren Schutz die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Fürsorgepflicht verantwortlich sei, benutzt würden.

Die Beschwerdeführerin habe im gegenständlichen Verfahren sowohl als Hauseigentümerin als auch als Dienstgeberin jener Angestellten, die in den von der Beschwerdeführerin benutzten Büroräumlichkeiten ihren Arbeitsplatz hätten, Einwendungen erhoben (s.u.a.: Protokoll der Augenscheinsverhandlung vom 22. April 1991, Seite 10: Oberhalb der Betriebsanlage befinden sich einerseits Büroräume der Firma SEG, andererseits ...; ein Plan des ersten Obergeschosses wird in Fotokopie zum Akt genommen; siehe weiters: Punkt 4) der Berufung vom 4. Juni 1991: Lüftung und Belüftung: Belästigung der Wohnbevölkerung der umliegenden Gebäude sowie der Mitarbeiter der Firma "X" ...)

Daraus ergäben sich folgende Konsequenzen für die Beurteilung der Nachbareigenschaft und der Parteistellung der Beschwerdeführerin: Trotz der grundsätzlich restriktiven Interpretation des Tatbestandsmerkmales "Gefährdung des Eigentums" sei eine substantielle Beeinträchtigung des Eigentums auch dann gegeben, wenn eine bestimmungsgemäße, ortsübliche Eigentumsnutzung durch eine nachteilige Auswirkung der Betriebsanlage wesentlich beeinträchtigt (oder überhaupt vereitelt) werde.

Die Beschwerdeführerin verkenne nicht, daß nach der alten Gewerbeordnung 1859 der gewerbebehördliche Nachbarschutz auf die Verhinderung einer Personengefährdung gerichtet gewesen sei, wobei jedoch der Verwaltungsgerichtshof - soweit ersichtlich seit 1907 (VwGH Budw 5242 A/1907) - in ständiger Judikatur auch den Schutz des Eigentums in den Nachbarschaftsschutz miteinbezogen habe. Auch die Erläuterungen der Regierungsvorlage zu § 75 Abs. 1 GewO 1973 (Seite 163) verstünden die Eigentumsgefährdung im Sinne einer Gefährdung der Existenz oder der Substanz des Eigentums, jedoch werde eine Erweiterung des Eigentumsschutzes dergestalt zugelassen, daß das Eigentum auch dann als "gefährdet" anzusehen sei, wenn dessen privatnützige Verwendung durch eine auf den Eigentumsgegenstand bezogene Auswirkung der Betriebsanlage beeinträchtigt oder vereitelt werde.

In diesem Zusammenhang habe die belangte Behörde die Feststellung unterlassen, daß die Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als Hauseigentümerin, aber auch in ihrer Eigenschaft als Nutzerin der bereits mehrmals erwähnten Büroräumlichkeiten durch die Auswirkungen der Betriebsanlage, insbesondere durch Geruch, aber auch Lärm, so weit beeinträchtigt werde, daß ein ordnungsgemäßes Arbeiten in den Büroräumlichkeiten als unzumutbar zu beurteilen sei. Daß eine Beeinträchtigung vorliege, ergebe sich sowohl aus der von der belangten Behörde übernommenen Aufzählung der Einwendungen vom 22. April 1991, aber auch aus dem übrigen Vorbringen der Beschwerdeführerin. Daraus ergebe sich aber auch, daß der Beschwerdeführerin Nachbareigenschaft im Sinne des § 75 Abs. 2 erster Satz, zweiter Satzteil GewO 1973 und somit Parteistellung im gesamten Betriebsanlagengenehmigungsverfahren zukomme.

Der Vollständigkeit halber werde zur Darlegung der Relevanz der Feststellung der Nachbareigenschaft und der Parteistellung der Beschwerdeführerin, insbesondere mit Hinblick auf den in der Sachverhaltsschilderung erwähnten Vorfall vom 21. November 1991 (Feuer in der Betriebsanlage) ausgeführt, daß die im Instanzenzug involvierten Behörden nicht mehr auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Sache selbst eingegangen seien, obwohl die Beschwerdeführerin ausführlich auf die intensiven Belästigungen, insbesondere die permanente Geruchsbelästigung, aber auch auf die über den Restaurantbetrieb hinausgehende Nutzung der Betriebsanlage hingewiesen habe. Auch auf die Nichteinhaltung von Brandschutzmaßnahmen sei die Beschwerdeführerin bereits in ihrer Berufung vom 4. Juni 1991 eingegangen, was die Verwaltungsbehörde jedoch bisher unbeachtet gelassen habe. Letztlich sei es am 21. November 1991 zu einem Kaminbrand gekommen, der nach der der Beschwerdeführerin erteilten Information sowohl auf den Nichteinsatz von Fettfiltern, als auch auf eine Überlastung der Holzkohlengrillanlage zurückzuführen gewesen sei. Von äußerster Relevanz sei jedoch die Parteistellung auch für die Beschwerdeführerin auf Grund ihres umfangreichen Vorbringens betreffend die Belästigungen und die Beeinträchtigung der Nutzung ihrer Büroräumlichkeiten, da insbesondere bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO 1973 die durch die Betriebsanlage verursachte Änderung der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen zu überprüfen sei. Um eine Entscheidungsgrundlage im Sinne des § 77 Abs. 2 GewO 1973, in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988, zu schaffen, sei jedoch die Behörde verpflichtet, die auch von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen zu berücksichtigen. Bei der Zumutbarkeitsbeurteilung habe die Behörde jedenfalls von der Gesamtsituation, die sich durch die Auswirkungen der Betriebsanlage bzw. der geänderten Betriebsanlage ergebe, auszugehen.

Bemerkenswert sei auch, dies sei am Rande erwähnt, daß die belangte Behörde die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 1. Juli 1992, eingelangt bei der Beschwerdeführerin am 6. Juli 1992, zur Stellungnahme binnen einer Woche aufgefordert habe. Fristgerecht habe die Beschwerdeführerin auch am 13. Juli 1992 ihre Stellungnahme erstattet, sie sei ebenfalls am 13. Juli 1992 bei der belangten Behörde eingelangt. Der angefochtene Bescheid stamme jedoch vom 8. Juli 1992, sodaß der Beschwerdeführerin auch das - freilich erst aus der Parteistellung resultierende - Recht auf rechtliches Gehör durch die belangte Behörde genommen worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof verweist zunächst auf die Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG und auf die bereits von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zitierten Bestimmungen des § 74 Abs. 2, des § 75 Abs. 2, des § 356 Abs. 3 und des § 359 Abs. 4 GewO 1973.

Der von der Beschwerdeführerin formulierte Beschwerdepunkt ist im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Beschwerdebegründung dahin zu verstehen, daß sich die Beschwerdeführerin in dem auf § 359 Abs. 4 GewO 1973 gestützten Recht auf Sachentscheidung unter Abstandnahme von der von der belangten Behörde im Verwaltungsrechtszug bestätigten Zurückweisung der Berufung verletzt erachtet. Ungeachtet der Überschneidung eines solchen Rechtes mit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter handelt es sich um die Behauptung einer Rechtsverletzung, über die im Sinne des Art. 130 Abs. 1 lit. a und des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG der Verwaltungsgerichtshof zu erkennen hat und in Ansehung welcher der Ausschlußgrund des Art. 133 Z. 1 B-VG nicht vorliegt. Der von der mitbeteiligten Partei - im Sinne des § 34 Abs. 1 VwGG - geltend gemachte Zurückweisungsgrund liegt somit nicht vor.

Was das Einwendungsvorbringen der Beschwerdeführerin innerhalb der für die Erhebung von Einwendungen in § 356 Abs. 3 GewO 1973 vorgesehenen Phase des Genehmigungsverfahrens anlangt, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, daß in der Verhandlungsschrift vom 22. April 1991 auf Seite 10 ein Vorbringen der Beschwerdeführerin protokolliert worden wäre. Die Protokollierung, daß sich oberhalb der Betriebsanlage Büroräume der Beschwerdeführerin befänden und daß ein Plan des ersten Obergeschosses in Kopie zum Akt genommen werde, läßt auch ihrem Inhalt nach die Erhebung einer Einwendung nicht erkennen. Daß die Beschwerdeführerin im Sinne des § 15 AVG etwa den Beweis der Unrichtigkeit dieser Protokollierung angetreten hätte, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, vielmehr wird in der vorliegenden Beschwerde (auf Seite 7) ein Text verwendet, der auf die auch nach Auffassung der Beschwerdeführerin bestehende Richtigkeit dieser Protokollierung hinweist.

Die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Aussagen (auf Seite 7 erster Absatz) zu den einzelnen Punkten des Einwendungsvorbringens der Beschwerdeführerin (Seite 2 und 3 der Niederschrift vom 22. April 1991) vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die belangte Behörde durfte demgemäß davon ausgehen, daß die Beschwerdeführerin rechtzeitig im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1973 weder eine Gefährdung ihres Eigentums eingewendet, noch den Schutz von Personen im Sinne des letzten Satzes des § 75 Abs. 2 GewO 1973 geltend gemacht habe. Es ist im Hinblick auf den sich aus den Akten des Verwaltungsverfahrens ergebenden Verfahrensablauf unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen weiters nicht zu erkennen, daß die Beschwerdeführerin auf der Grundlage des § 356 Abs. 3 GewO 1973 ein den Erwerb der Parteistellung bewirkendes Einwendungsvorbringen noch in der Berufung erstatten hätte können.

Die belangte Behörde hatte sich im Hinblick auf die Grenzen der "Sache", die der Abspruch in Punkt II des zweitbehördlichen Bescheides zum Gegenstand hatte, und im Hinblick darauf, daß die Zulässigkeitsprüfung in nicht als rechtswidrig zu erkennender Weise die Unzulässigkeit der von der Beschwerdeführerin gegen den erstbehördlichen Bescheid erhobenen Berufung ergab, im Verwaltungsrechtszug auf den Abspruch über die Zurückweisung dieser Berufung zu beschränken, ohne daß ein weiterer Abspruch über die Parteistellung der Beschwerdeführerin im Genehmigungsverfahren und ohne daß gegenüber der Beschwerdeführerin ein Abspruch "in der Sache selbst", die den Gegenstand des erstbehördlichen Bescheides gebildet hatte, nämlich in Angelegenheit der von der Erstbehörde erteilten Genehmigung, zu treffen gewesen wäre.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens der mitbeteiligten Partei betrifft die Pauschalierung des Schriftsatzaufwandes, welche sich auf alle in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Schriftsätze erstreckt, und ferner nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

Schlagworte

Instanzenzug Zuständigkeit Besondere Rechtsgebiete Verfahrensrechtliche Bescheide Zurückweisung Kostenbescheide Ordnungs- und Mutwillensstrafen Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Angelegenheiten die zur Zuständigkeit des VfGH gehören (B-VG Art133 Z1) Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992040190.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten