TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/30 92/04/0253

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Veröffentlicht am 30.03.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
GewO 1973 §74 Abs2 Z2;
GewO 1973 §74 Abs3;
GewO 1973 §77 Abs1;
VwGG §63 Abs1;

Beachte

Siehe jedoch: 0438/58 E 24. Februar 1961 RS 4; 97/15/0061 E 25. Juni 1998 RS 4; 88/16/0051 E 30. März 1989 RS 1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde 1) des WF, 2) des Mag. FE und 3) der ME, alle in X und vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des BMwA vom 22.9.1992, Zl. 309.468/6-III/3/92, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mP: N-Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in Y), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit auf Grund des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1991, Zl. 91/04/0141, - auf dessen Darlegungen in Ansehung der vorangegangenen Verfahrenslage verwiesen wird - ergangenem Ersatzbescheid vom 22. September 1992 erkannte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Berufungen der nunmehrigen Beschwerdeführer sowie der mitbeteiligten Partei gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 28. September 1989 wie folgt:

"Der angefochtene Bescheid wird insoferne abgeändert, als die mit diesem zusätzlich vorgeschriebene Auflage im Grunde des § 77 GewO 1973 ersatzlos behoben wird.

Der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 8.8.1989, Ge-7704/1-1989, wird in nachstehender Weise geändert:

1.

Der Passus: "Deren Verhandlungsschrift einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildet" entfällt.

2.

Im Spruchteil I. wird der Passus: "sowie der in der mitfolgenden Verhandlungsschrift enthaltenen Beschreibung der Anlage" durch den nachstehenden Passus ersetzt:

"sowie der unten stehenden BETRIEBSBESCHREIBUNG:

Der Lebensmittelmarkt wird als Selbstbedienungsgeschäft für im wesentlichen Lebensmittel, aber auch Artikel wie Hartwaren, Waschmittel, Haushaltstextilien u.dgl. geführt. Die Anlage besteht aus einem Verkaufsraum mit einer Nutzfläche von 540 m2, einem Lagerbereich im Ausmaß von ca. 144 m2, einem Fleischaufbereitungsraum, 2 Kühlräumen, einem Aufenthaltsraum und sanitären Anlagen für das Personal, einem kleinen Büroraum und einem Raum, in dem die Kältemaschinen untergebracht sind.

Der Zu- und Abgang für Kunden erfolgt im Westen über einen Windfang, wobei dieser sowohl vom Parkplatz, der sich im Westen des Betriebsareals befindet, als auch über eine Stiege von der Bundesstraße aus erreicht werden kann. Für die Anlieferung, die vom Parkplatz aus erfolgt, besteht ein unmittelbarer Zugang zum Lager, wobei hier auch eine Rampe ausgebildet ist.

Der Verkaufsraum befindet sich in einem zweigeschoßigen Massivteil und der Lagerbereich in einem eingeschoßigen Massivgebäude. Zwischen Verkauf und Lager wurde ein Brandabschnitt ausgebildet; auch die nicht zum Geschäft gehörigen weiteren Anlagenteile sind durch Brandabschnitte getrennt. Im mehrgeschoßigen Gebäudetrakt wurde in einem vorhandenen Heizraum, der sich im Keller befindet, ein erdgasbefeuerter Warmwasserkessel installiert. Die Gasmeßeinrichtung wurde im Gaszählerraum im Erdgeschoß eingebaut. Der Gashaupthahn befindet sich in einer Nische, der in der Außenmauer unmittelbar von außen erreicht wird.

Der befestigte Kundenparkplatz weist 17 gekennzeichnete Stellplätze auf, bundesstraßenseitig ist eine Abgrenzung durch eine ca. 1 m hohe Mauer gegeben; an die D-Straße wurde ein Geländer, bedingt durch den Niveauunterschied, hergestellt. Vom Schnittpunkt der Fahrbahnränder bei der Kreuzung mit der B 1 ist die Zu- und Ausfahrt des Parkplatzes ca. 31 m entfernt.

Die Kältemaschinen für Kühlregale und zwei Kühlräume wurden in einem Raum zusammengefaßt; für die Warmwasserbereitung wird eine Wärmerückgewinnung betrieben. Der Kondensator mit 3 Axiallüftern wurde auf dem Flachdach des Lagergebäudes aufgestellt. Dessen Schalldruckpegel in 5 m Entfernung beträgt (laut Hersteller) 41 dB.

Für das Sammeln von Abfällen, insbesondere auch von Konfiskaten und häuslichen Abfällen, ist ein Aufstellungsplatz im Lagerbereich vorgesehen; im Freien erfolgt lediglich eine Zwischenlagerung.

Einkaufswagen werden im Windfang angeboten, mit diesen kann auch bis zum Parkplatz gefahren werden. Nach dem Kassenbereich ist eine ausreichend große Verpackungszone vorhanden. Für die Belichtung und den Sichtkontakt ins Freie ist bei den Kassen durch eine ausreichende Verglasung des Windfanges vorgesorgt. Beim Verkaufsraum ist ein Fluchtweg über eine Stiege auf das Flachdach des Lagergebäudes hergestellt.

Die Raumlüftungen erfolgen hauptsächlich durch Fenster. Bei den innenliegenden sanitären Anlagen ist eine mechanische Entlüftung mit Austritt der Abluft über den First des mehgeschoßigen Gebäudes vorhanden. Die Lüftung des Heizraumes erfolgt über einen Kellervorwegschacht.

Der Lebensmittelmarkt wird von Montag bis Donnerstag von 8.00 Uhr bis 18.30 Uhr, freitags von 7.30 Uhr bis 20.00 Uhr und samstags von 7.30 Uhr bis 12.30 Uhr betrieben. Täglich ab ca. 5.00 Uhr früh erfolgt - jeweils einmal täglich - die Anlieferung von Molkerei- und Bäckereiprodukten; das Molkereifahrzeug ist ein üblicher Lkw, das Bäckerfahrzeug ein Kleintransporter.

Die weiteren Anlieferungen erfolgen während der gerade genannten Geschäftszeiten.

Abgesehen von der Anlieferung von Milch- und Bäckereiprodukten wird der Parkplatz nur innerhalb der Geschäftszeiten einschließlich einer Stunde vor Beginn und einer Stunde nach deren Ende als Teil der Betriebsanlage benützt.

Im Betrieb werden 4 Arbeitnehmer beschäftigt.

Die Betriebsanlage ist an die Ortswasserversorgung und Ortskanalisation der Stadt Enns angeschlossen. Die Versorgung durch Erdgas erfolgt aus dem Netz der Oberösterreichischen Ferngas.""

Zur Begründung wurde ausgeführt, mit Bescheid vom 8. August 1989 habe die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Verbrauchermarktes für Lebensmittel und sonstige Waren des täglichen Bedarfes im Standort Gst. Nr. 147/1, 147/2, 155, 347/1, 347/2 der KG E unter Auflagen erteilt. Auf Grund dagegen erhobener Berufungen der Beschwerdeführer sowie der JF habe der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 28. September 1989 eine Auflage zusätzlich vorgeschrieben, im übrigen jedoch den erstbehördlichen Bescheid bestätigt. Dagegen hätten sowohl die genannten Nachbarn als auch die mitbeteiligte Partei Berufung erhoben. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten habe darauf mit Bescheid vom 21. März 1991 in der Weise entschieden, daß die Berufung der JF im Spruchteil I. als unzulässig zurückgewiesen worden sei; unter Spruchteil II. sei die mit dem zweitbehördlichen Bescheid zusätzlich vorgeschriebene Auflage verschärft worden. Dagegen hätten sämtliche genannten Nachbarn Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Dieser habe die Beschwerde der JF gegen den Spruchteil I. des Ministerialbescheides als unbegründet abgewiesen, habe jedoch auf Grund der Beschwerde der übrigen Nachbarn den Spruchteil II. dieses Bescheides behoben, da es der darin vorgeschriebenen Auflage an der Bestimmtheit, Eignung sowie der jederzeitigen und aktuellen Überprüfbarkeit mangle und auch die vorgeschriebenen Alternativen nicht etwa "unzweifelhafterweise" als gleichwertig anzusehen seien. Weiters habe die Begründung noch einen ausdrücklichen Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. November 1989, Zl. 89/04/0047, "in Ansehung der sich aus § 77 Abs. 1 GewO 1973 ergebenden Beurteilungskriterien" enthalten. Die mit dem behobenen Ministerialbescheid vorgeschriebene Auflage habe - ebenso wie jene des Landeshauptmannes in zweiter Instanz vorgeschriebene - die Benutzung des gegenständlichen Parkplatzes zu betriebsfremden Zwecken - insbesondere durch Kunden eines Gastgewerbebetriebes - zum Gegenstand gehabt. Am 3. Juni 1992 habe die mitbeteiligte Partei ausdrücklich mitgeteilt, "daß außerhalb der Betriebszeiten des M-Marktes einschließlich einer Stunde vor Beginn und nach Ende der Geschäftszeiten die Parkfläche ausschließlich bei der Anlieferung von Molkerei- und Bäckereiprodukten, welche jeweils einmal täglich, ab ca. 5.00 Uhr früh erfolgt, benützt wird. Außerhalb der Betriebszeiten (jeweils eine Stunde vor und nach der Geschäftsöffnungszeit) erfolgt sohin mit Ausnahme der Anlieferung von Milch- und Bäckereiprodukten keine durch unseren Betrieb bedingte Benützung der Parkfläche. Jede andere Verwendung der Parkfläche, insbesondere als Zugang zu einem Gasthausbetrieb ist daher nicht Gegenstand unserer Betriebsbeschreibung und unseres Antrages auf Erteilung der Betriebsanlagengenehmigung". Wie sich aus dem gesamten bisherigen Verwaltungsverfahren, insbesondere aber den dem Bundesminister vorliegenden Berufungen sowie der gemeinsamen Stellungnahme der Berufungswerber vom 28. Juli 1992 ergebe, wendeten sich die Nachbarn gegen die gegenständliche Betriebsanlage (lediglich) wegen jenes Lärms, welcher durch betriebsfremde Personen, vor allem zur Nachtzeit, auf dem gegenständlichen Parkplatz veruracht werde. Hiezu sei - unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 74 Abs. 2 und 3, des § 77 Abs. 1 und 2 sowie der §§ 353 und 357 GewO 1973 - auszuführen, daß es sich bei der Genehmigung einer Betriebsanlage um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt handle. Der Umfang der im Genehmigungsverfahren zu beurteilenden Betriebsanlage ergebe sich somit aus dem in dem dem Verfahren zugrundeliegenden Ansuchen manifestierten Willen des Konsenswerbers. Nur die möglichen Auswirkungen der Betriebsanlage in diesem gerade dargestellten Sinn lösten gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 gegebenenfalls eine Genehmigungspflicht aus, wobei im Abs. 3 dieser Gesetzesstelle bezüglich solcher Personen, welche weder Inhaber der gegenständlichen Betriebsanlage noch dessen Erfüllungsgehilfen seien, festgehalten sei, daß deren Verhalten der Betriebsanlage insoweit zuzurechnen sei, als diese Personen die Anlage der Art des Betriebes gemäß in Anspruch nähmen. Nur zur Vermeidung einer Gefährdung bzw. Beschränkung einer Belästigung, Beeinträchtigung oder nachteiligen Einwirkung auf ein zumutbares Maß könnten gemäß § 77 GewO 1973 Auflagen vorgeschrieben werden. Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeute dies, daß jener Lärm, welcher nicht im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Lebensmittelmarkt stehe, zufolge ausdrücklicher Willenskundgebung der mitbeteiligten Partei als Konsenswerberin nicht von dem dem Verfahren zugrundeliegenden Ansuchen umfaßt sei und deshalb auch keinen Bestandteil der im gegenständlichen Verfahren zu beurteilenden Betriebsanlage bilde. Dieser Lärm könne daher weder die Genehmigungspflicht der gegenständlichen Betriebsanlage auslösen noch zum Gegenstand einer Auflagenvorschreibung oder gar zum Anlaß einer Versagung der beantragten Genehmigung werden. Umgekehrt sei dieser Lärm aber auch nicht von den Rechtswirkungen, welche mit einer Betriebsanlagengenehmigung gemäß § 77 GewO 1973 verbunden seien, erfaßt. Den Nachbarn stehe daher diesbezüglich der volle privatrechtliche Rechtsschutz offen, weshalb die Nachbarn diesbezüglich gemäß § 357 GewO 1973 auf den Zivilrechtsweg verwiesen würden. Der Vollständigkeit halber werde hinsichtlich der Zumutbarkeit sowohl der ab 5.00 Uhr morgens stattfindenden Anlieferung von Molkerei- und Bäckereiprodukten sowie der tagsüber bei den Nachbarn verursachten betriebskausalen Immissionen auf die - nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gewesenen - Ausführungen des Ministerialbescheides vom 21. März 1991 verwiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ihrem Vorbringen zufolge erachten sich die Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, daß eine Betriebsanlage nur dann bewilligt werden dürfe, wenn Gefährdungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1973 ausgeschlossen seien und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO 1973 auf ein zumutbares Maß beschränkt würden. Sie bringen hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften u. a. vor, die belangte Behörde übersehe bei ihrer rechtlichen Beurteilung, daß sich das Ansuchen der mitbeteiligten Partei auf die Betriebsanlage als eine Einheit beziehe, die alle beweglichen und unbeweglichen Sachen und Bestandteile, die am betreffenden Standort dem Zweck des Betriebes gewidmet seien, beziehe. Somit sei grundsätzlich auch der Kundenparkplatz ein Teil der Betriebsanlage. Das dortige Geschehen sei ein Geschehen innerhalb der Betriebsanlage und daher ebenfalls von den Genehmigungsvoraussetzungen der §§ 74 und 77 GewO 1973 umfaßt. Feststehe, daß der Kundenparkplatz dem Zweck des gegenständlichen Betriebes gewidmet sei und somit richte sich der Umfang der im Genehmigungsverfahren zu beurteilenden Betriebsanlage nicht nach einem diesbezüglich gegenteiligen Willen der mitbeteiligten Partei, da eine Betriebsanlage eine Einheit darstelle und nicht einzelne bewegliche und unbewegliche Sachen von der Genehmigungspflicht ausgeklammert werden könnten. Somit sei im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde sehr wohl zu prüfen, ob die vom Kundenparkplatz ausgehenden nachteiligen Einwirkungen das Leben und die Gesundheit der Nachbarn im Sinne der §§ 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1973 gefährdeten oder die Nachbarn durch diese im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO 1973 belästigt würden. Die Beschwerdeführer hätten im gesamten Verfahren und auch in der Berufung immer wieder darauf hingewiesen, daß durch die Betriebsanlage nicht nur zur Nachtzeit durch betriebsfremde Personen, sondern auch während der Tageszeit eine unzumutbare Verkehrsbelastung mit Lärm, Abgas und Geruchsbeeinträchtigungen entstehe, die die Nachbarschaft nicht dulden müsse. Die belangte Behörde nehme in ihrer Begründung überhaupt nur auf die vom Parkplatz während der Nachtzeit ausgehende Lärmbelästigung Bezug und verneine, ohne daß darüber Beweise aufgenommen worden seien, die Genehmigungspflicht mit Hinweis auf § 74 Abs. 3 GewO 1973. Gegenstand des Verfahrens sei aber die gesamte Auswirkung jener Einrichtungen, die zur Betriebsanlage gehörten. In diesem Zusammenhang sei hervorzuheben, daß die betrieblichen Anlagen auch nach Geschäftsschluß noch als örtliche Einrichtungen vorhanden seien und somit der von der Betriebsanlage ausgehende negative Einwirkungsbereich auch nach Geschäftsschluß zu berücksichtigen sei. Wenn die Betriebsanlage auch durch Kunden und Besucher der umliegenden Gaststättenbetriebe benützt werden könne und keinerlei Vorsorge durch Absperrungen u.dgl. gegen eine anderweitige Benützung getroffen worden sei, so sei dies natürlich in die Beurteilung einzubeziehen. Auch die von betriebsfremden Personen ausgehenden aktuellen Lärmbelästigungen müßten gemäß § 74 Abs. 3 GewO 1973 im Rahmen des gewerberechtlichen Genehmigungsverfahrens einbezogen werden. Voraussetzung sei lediglich, daß die nachteiligen Einwirkungen durch das Verhalten derartiger betriebsfremder Personen innerhalb der Betriebsanlage und bei deren artgemäßer Inanspruchnahme bewirkt würden. Damit solle nun im Gegensatz zur Rechtslage vor der Gewerberechtsnovelle 1988 ein ausschließlich von fremden Personen zu verantwortendes strafbares Verhalten innerhalb der Betriebsanlage aus der Beurteilung ausgeklammert bleiben. Würden allerdings durch die Art der Einrichtung nachteilige Einwirkungen durch Verhalten betriebsfremder Personen innerhalb der Betriebsanlage geradezu heraufbeschworen, so sei dies nach wie vor durch Auflagen abzustellen oder die Betriebsanlage zu untersagen. Auf Grund der "artgemäßen Inanspruchnahme" könnte "§ 73 Abs. 3" GewO 1973 also nur ein unvorhersehbares, ausschließlich von fremden Personen zu verantwortendes strafbares Verhalten innerhalb der Betriebsanlage aus der Beurteilung ausgeklammert werden. Die Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei umfasse auch den Parkplatz. Daß der Kundenparkplatz zur Tages- und vor allem zur Nachtzeit nicht nur von Kunden, sondern auch von sämtlichen umliegenden Gewerbebetrieben, insbesondere Gaststätten und Diskotheken, deren Besucher und deren Bedienstete, mitbenutzt werde, sei eine zwingend voraussehbare Gefährdung im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 GewO 1973. Die Ausführungen der belangten Behörde, daß sich die Beschwerdeführer lediglich gegen die gegenständliche Betriebsanlage wegen jenes Lärmes wendeten, welcher durch betriebsfremde Personen, vor allem zur Nachtzeit, auf dem gegenständlichen Parkplatz verursacht werde, sei aktenwidrig und zeige, daß sich die belangte Behörde nicht mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer auseinandergesetzt hat. So hätten die Beschwerdeführer in ihren Stellungnahmen vom 14. Mai und vom 28. Juli 1992 ausdrücklich betont, daß die Berufung vollinhaltlich aufrecht erhalten werde. In dieser Berufung würden nicht nur die vom Parkplatz auch während der Tageszeit ausgehenden Lärm-, Abgas- und Geruchsbeeinträchtigungen geltend gemacht, sondern auch generell die durch die Betriebsanlage infolge Lärmentwicklung, Erhöhung des Verkehrsaufkommens und der damit verbundenen Abgasbeeinträchtigungen und Staubentwicklung hervorgerufene Beeinträchtigung der Gesundheit der Nachbarn bzw. die hervorgerufene unzumutbare Belästigung geltend gemacht. Eine Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerdeführer habe die belangte Behörde zur Gänze unterlassen. Im Hinblick darauf leide der angefochtene Bescheid auch an einem wesentlichen Verfahrensmangel. In weiterer Folge werden in der Beschwerde insbesondere im Verwaltungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten als unschlüssig gerügt.

In ihrer hiezu erstatteten Gegenschrift brachte die belangte Behörde u.a. vor, vom vorhergegangenen Ministerialbescheid vom 21. März 1991 unterscheide sich der nunmehr angefochtene Bescheid zum einen dadurch, daß in der Betriebsbeschreibung nunmehr in eindeutiger Weise klargestellt worden sei, daß der zur Betriebsanlage Parkplatz "nur innerhalb der Geschäftszeit einschließlich einer Stunde vor Beginn und einer Stunde nach deren Ende als Teil der Betriebsanlage benützt" würde, zum anderen durch Entfall der mit dem zweitbehördlichen Bescheid zusätzlich vorgeschriebenen - und mit dem seinerzeitigen Bescheid vom 21. März 1991 noch verschärften - Auflage. Die vorliegende Beschwerde wende sich gegen den nunmehr angefochtenen Bescheid vornehmlich wegen Nichtberücksichtigung jenes Lärms, welcher von Kunden einer anderen Betriebsanlage als der gegenständlichen auf dem gegenständlichen Parkplatz verursacht werde. Diesbezüglich sei auf die ausführlichen rechtlichen Darlegungen im angefochtenen Bescheid zu verweisen.

Hiezu ist folgendes auszuführen:

Gemäß § 74 Abs. 3 GewO 1973 besteht die Genehmigungspflicht einer Betriebsanlage auch dann, wenn die Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen nicht durch den Inhaber der Anlage oder seine Erfüllungsgehilfen, sondern durch Personen in der Betriebsanlage bewirkt werden können, die die Anlage der Art des Betriebes gemäß in Anspruch nehmen.

Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1973 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen oder der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen, die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1973 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 leg. cit. auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Die Anwendbarkeit der letzten angeführten Bestimmung hat tatbestandsmäßig die Erfüllung der gesetzlichen Merkmale für die Genehmigungspflicht einer Betriebsanlage nach § 74 Abs. 2 GewO 1973 zur Voraussetzung, d.h. bezogen auf den Beschwerdefall, daß im Sinne des § 74 Abs. 3 leg. cit. Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen durch Personen in der Betriebsanlage bewirkt werden können, die die Anlage der Art des Betriebes gemäß in Anspruch nehmen.

Ausgehend von der in Rede stehenden Genehmigung der Errichtung und des Betriebes eines Verbrauchermarktes für Lebensmittel und sonstige Waren des täglichen Bedarfes kann aber der belangten Behörde zunächst keine rechtswidrige Gesetzesanwendung angelastet werden, wenn sie davon ausging, daß sich in diesem Umfang Auflagen für den dem Betrieb zugehörigen Kundenparkplatz nach den von ihr anzuwendenden gewerberechtlichen Vorschriften nur auf die Benützung durch Personen beziehen können, die diesen Parkplatz in ihrer Eigenschaft als Kunden der vorstehend bezeichneten Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei in Anspruch nehmen.

Der Beschwerde kommt aber dessenungeachtet im Hinblick auf folgende Erwägungen Berechtigung zu:

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen, d.h. daß auch die Berufungsbehörde sich in dem von ihr erlassenen Bescheid mit Argumenten der Berufung, von denen nicht von vornherein erkennbar ist, daß sie unzutreffend sind oder an der Sache vorbeigehen, zu befassen hat (vgl. hiezu u.a. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1981, Zl. 81/12/0027). In der Begründung des angefochtenen Bescheides hatte sich die belangte Behörde vor Darstellung ihrer rechtlichen Erörterungen darauf berufen, daß, "wie sich aus dem gesamten bisherigen Verwaltungsverfahren, insbesondere aber den dem Bundesminister vorliegenden Berufungen sowie der gemeinsamen Stellungnahme der Berufungswerber vom 28.7.1992 ergibt", sich die Beschwerdeführer "gegen die gegenständliche Betriebsanlage (lediglich) wegen jenes Lärmes, welcher durch betriebsfremde Personen, vor allem zur Nachtzeit, auf dem gegenständlichen Parkplatz, verursacht wird", wenden. Diese Darlegungen sind vor allem in Ansehung des nicht näher konkretisierten Umfanges ihres "Berücksichtigungshinweises" nicht geeignet, die dargestellte entgegenstehende Beschwerderüge im Rahmen der vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmenden nachprüfenden Kontrolle auf Grund der Darlegungen im angefochtenen Bescheid etwa als nicht stichhältig oder offenkundig unbegründet erscheinen zu lassen. In diesem Zusammenhang sei im übrigen darauf hingewiesen, daß die belangte Behörde auch in ihrer Gegenschrift davon ausging, daß sich die nunmehrige Beschwerde "vornehmlich" wegen Nichtberücksichtigung jenes Lärmes, welcher von Kunden einer anderen Betriebsanlage als der gegenständlichen auf dem gegenständlichen Parkplatz verursacht werde, richte.

Des weiteren genügte die belangte Behörde ihrer Begründungspflicht auch in dem Umfang nicht, als sie hinsichtlich der Zumutbarkeit "sowohl der ab 5.00 Uhr morgens stattfindenden Anlieferung von Molkerei- und Bäckereiprodukten sowie der tagsüber bei den Nachbarn verursachten betriebskausalen Immissionen" auf die Ausführungen des Ministerialbescheides vom 21. 3. 1991 verwies, da ein derartiger "Verweis" schon deshalb in Ansehung der für die belangte Behörde gemäß § 60 AVG bestehenden Begründungspflicht nicht als relevant angesehen werden kann, da dieser Bescheid - wie eingangs dargestellt - zufolge Aufhebung durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1991, Zl. 91/04/0141, in dem hier in Rede stehenden Umfang aus dem Rechtsbestand ausschied.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992040253.X00

Im RIS seit

23.01.2002

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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