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43/01 Wehrrecht allgemein;Norm
WehrG 1990 §16;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des G in K, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 29. Jänner 1993, Zl. 292.959/5-2.7/92, betreffend Befreiung von der Präsenzdienstpflicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 29. Jänner 1993 wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes gemäß § 36 Abs. 2 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 (WG) abgewiesen.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 2 WG können Wehrpflichtige auf ihren Antrag von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.
Der 1961 geborene Beschwerdeführer begründete (wie sich aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt) sein Befreiungsbegehren damit, daß er im Jänner 1980 aus beruflichen Gründen in die BRD übersiedelt sei und dort kontinuierlich eine freiberufliche Existenz aufgebaut habe (Planungsbüro für Gebäudetechnik). Er habe beabsichtigt, für immer in der BRD zu bleiben. Im Jahre 1990 habe er ganz unerwartet lukrative Aufträge für Projekte in Österreich erhalten. Durch diese für ihn überraschende Wende habe sich die Möglichkeit und Notwendigkeit ergeben, den Wohnsitz und den Sitz des Unternehmens nach Österreich zu verlegen, um von hier aus diese Aufträge zu erledigen. Im April 1991 habe er den Wohnsitz und den Unternehmenssitz nach K verlegt. Für die Errichtung eines Büros und diverse Investitionen habe er Kredite in Höhe von S 2,200.000,-- aufnehmen müssen. Im Falle der Ableistung des Grundwehrdienstes könnte er die von ihm persönlich zu erbringenden, termingebundenen Leistungen nicht erfüllen. Dies hätte zur Folge, daß die vereinbarten Vertragsstrafen aktualisiert würden und er auch seinen Kreditverpflichtungen nicht mehr nachkommen könnte. Damit wäre die wirtschaftliche Existenz für ihn und seine Familie ruiniert.
Die belangte Behörde bejahte im Hinblick auf die Stellung des Beschwerdeführers als Inhaber eines Planungsbüros für Gebäudetechnik ein wirtschaftliches Interesse an seiner Befreiung von der Präsenzdienstpflicht, wertete dieses Interesse aber unter Berufung auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als nicht besonders rücksichtswürdig im Sinne des § 36 Abs. 2 Z. 2 WG. Der Beschwerdeführer habe es nämlich verabsäumt, seine wirtschaftlichen Dispositionen unter Bedachtnahme auf die Präsenzdienstpflicht zu treffen, weshalb die geltend gemachten wirtschaftlichen Interessen der besonderen Rücksichtswürdigkeit entbehrten.
Der Beschwerdeführer verneint eine Verletzung der Harmonisierungspflicht, wobei er das Vorbringen zur Begründung seines Befreiungsantrages wiederholt. Da er nicht beabsichtigt habe, nach Österreich zurückzukehren, habe er den Aufbau seiner Unternehmenstätigkeit in der BRD nicht mit der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes in Österreich harmonisieren können, hätte er diesen doch im Falle seines Weiterverbleibes in der BRD nicht zu leisten gehabt. Sein Fall unterscheide sich daher grundlegend von den von der belangten Behörde angeführten. In jenen Fällen habe es sich um Wehrpflichtige gehandelt, die in Österreich ein Unternehmen aufgebaut und daher die Möglichkeit gehabt hätten, ihre wirtschaftlichen Dispositionen mit der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes abzustimmen. Diese Möglichkeit habe er bei der Verlegung seiner wirtschaftlichen Tätigkeit nach Österreich nicht gehabt. Vielmehr habe er von Anfang an die noch in der BRD erteilten termingebundenen Aufträge durchführen, also sein Planungsbüro praktisch ohne Unterbrechung weiterführen müssen. Er habe nicht im geringsten damit rechnen können, daß nach Verlegung seines Wohn- und Unternehmenssitzes nach Österreich und Erhalt von der öffentlichen Hand geförderter Kredite für den weiteren Aufbau seines Unternehmens, seine und seiner Familie wirtschaftliche Existenz durch Einberufung zum Präsenzdienst ruiniert würde. De facto reduziere sich der "Vorwurf" im angefochtenen Bescheid darauf, daß er als selbständiger Unternehmer VOR Erreichen des 35. Lebensjahres, nach dessen Vollendung ein ordentlicher Präsenzdienst nicht mehr zu leisten wäre, seinen Wohnsitz nach Österreich verlegt habe.
Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die belangte Behörde ist zutreffend davon ausgegangen, daß der bei der Stellung am 4. Dezember 1979 für tauglich befundene Beschwerdeführer verpflichtet war, seine wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, daß für den Fall seiner Einberufung zur Leistung des Grundwehrdienstes vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit oder durch das Eingehen finanzieller Verpflichtungen erst geschaffen werden (vgl. neben den im angefochtenen Bescheid erwähnten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1984, Zlen. 83/11/0017, 84/11/0106, und vom 26. Mai 1986, Zl. 85/12/0250, auch das Erkenntnis vom 22. September 1992, Zl. 92/11/0076). Nach dieser Rechtsprechung können, wenn der Wehrpflichtige die besagte Obliegenheit verletzt, die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig angesehen werden. Diese Obliegenheit ist nicht etwa deshalb untergegangen, weil sich der Beschwerdeführer in der BRD mit der Absicht niedergelassen hat, dort zu verbleiben. Der Beschwerdeführer blieb vielmehr dessenungeachtet als österreichischer Staatsbürger, der das 51. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, gemäß § 16 WG weiterhin wehrpflichtig und gemäß § 28 Abs. 1 WG bis zur Vollendung des 35. Lebensjahres zur Ableistung des Grundwehrdienstes verpflichtet. Dafür spricht auch § 17 Abs. 4 erster Satz WG, wonach Wehrpflichtige, die ihren Aufenthalt für länger als sechs Monate in das Ausland verlegen, dies unverzüglich und die Rückverlegung des Aufenthaltes in das Inland binnen drei Wochen dem zuständigen Militärkommando zu melden haben. Erst mit dem Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft wäre die Wehrpflicht des Beschwerdeführers erloschen, da diese Verpflichtung nach § 16 WG den Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft voraussetzt, und damit auch die besagte Harmonisierungspflicht entfallen. Auch die faktische Unmöglichkeit, die Erfüllung der Präsenzdienstpflicht des Beschwerdeführers während seines Aufenthaltes in der BRD durchzusetzen, änderte nichts am Weiterbestehen dieser Verpflichtung und der mit ihr verbundenen Obliegenheit, bei der Gestaltung seiner beruflichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten darauf entsprechend Bedacht zu nehmen. Der Beschwerdeführer war insoweit mit einem Wehrpflichtigen vergleichbar, der deshalb nicht zum Grundwehrdienst einberufen werden kann, weil er für vorübergehend untauglich erklärt oder wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig aus dem Grundwehrdienst entlassen wurde. Auch einen solchen Wehrpflichtigen trifft die besagte Harmonisierungspflicht (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Jänner 1991, Zl. 90/11/0100, und vom 30. Juni 1992, Zl. 92/11/0146).
Warum es dem Beschwerdeführer im Gegensatz zu einem in Österreich lebenden Wehrpflichtigen unmöglich gewesen sein soll, seine beruflichen und wirtschaftlichen Belange mit der Präsenzdienstpflicht zu harmonisieren (etwa durch Ableistung des Grundwehrdienstes vor Aufnahme der Unternehmenstätigkeit), ist nicht ersichtlich. Die behauptete Absicht, nicht mehr nach Österreich zurückzukehren, hinderte den Beschwerdeführer jedenfalls nicht daran. Er mußte von Anfang an damit rechnen, daß er diese Absicht infolge geänderter Umstände später wieder aufgeben könnte. Der vorliegende Fall ist daher im Ergebnis nicht anders gelagert, als die der zitierten Vorjudikatur zugrundeliegenden Fälle der Aufnahme einer selbständigen Unternehmenstätigkeit im Inland ohne die gebotene Bedachtnahme auf die Präsenzdienstpflicht. Daß er je versucht habe, den Grundwehrdienst so rasch wie möglich abzuleisten, um sich sodann ungestört dem Aufbau seines Unternehmens widmen zu können, behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht. Es braucht daher nicht geprüft zu werden, was zu gelten hätte, wenn er dies - erfolglos - versucht hätte.
Die somit nicht als unzutreffend zu erkennende Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe seine beruflichen Dispositionen ohne die gebotene Bedachtnahme auf die Präsenzdienstpflicht getroffen, gilt nicht nur für seine selbständige Tätigkeit in der BRD, sondern in gleicher Weise für die nunmehrige Tätigkeit in Österreich, handelt es sich dabei nach dem Beschwerdevorbringen doch lediglich um die kontinuierliche Weiterführung der in der BRD begonnenen Unternehmenstätigkeit. Diese beiden Phasen sind daher bei der hier vorzunehmenden rechtlichen Beurteilung als Einheit anzusehen; der Aufnahme der Unternehmenstätigkeit in Österreich kommt insoweit keine selbständige Bedeutung zu. Es war daher nicht gesondert zu prüfen, ob der Beschwerdeführer hiebei die Harmonisierungspflicht verletzt hat. Keineswegs trifft den Beschwerdeführer der Vorwurf, daß er seinen Wohnsitz und die Unternehmenstätigkeit vor Vollendung des 35. Lebensjahres nach Österreich verlegt hat, sondern daß er nicht schon bei Beginn der Tätigkeit in der BRD entsprechend auf die Präsenzdienstpflicht Bedacht genommen hat. Die von ihm nunmehr ins Treffen geführten Schwierigkeiten und Nachteile im Falle der Ableistung des Grundwehrdienstes wären letztlich nur die Folge dieser Unterlassung. Die belangte Behörde hat daher zu Recht die besondere Rücksichtswürdigkeit der wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers verneint.
Der Beschwerdeführer hält weiters die Ansicht der belangten Behörde, die Existenz seiner Frau und seines Kindes wäre durch die Leistung des Grundwehrdienstes keineswegs gefährdet, da während dessen Dauer Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe nach dem Heeresgebührengesetz gezahlt würden, für schlichtweg unrichtig. Tatsache sei, daß er im Falle der Leistung des Grundwehrdienstes seinen Vertragsverpflichtungen nicht nachkommen könnte und damit kein Einkommen erzielen würde. Dies bedeute, daß er die hohen Kreditbelastungen nicht decken könnte und die Kredite fällig gestellt würden. Außerdem hätte er hohe Konventionalstrafen wegen nicht rechtzeitiger Vertragserfüllung zu bezahlen. Insgesamt wäre sein Unternehmen unzweifelhaft ruiniert und er stünde mit Kreditverpflichtungen in Millionenhöhe da. Nach dem Ende des Grundwehrdienstes und damit der Zahlung von Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe könnte er nicht mehr entsprechend für den Unterhalt der Familie sorgen. Damit liege auch ein besonders rücksichtswürdiges familiäres Interesse an der Befreiung von der Präsenzdienstpflicht vor.
Bei diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer den Begriff des familiären Interesses im Sinne des § 36 Abs. 2 Z. 2 WG. Von einem solchen kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - unabhängig von der besonderen Rücksichtswürdigkeit - nur dann gesprochen werden, wenn ein Familienangehöriger in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Wehrpflichtigen bedarf, die ihm dieser aber wegen der Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes nicht gewähren könnte. Als besonders rücksichtswürdig ist dieses Interesse nur dann zu werten, wenn durch die Nichtunterstützung des Angehörigen durch den Wehrpflichtigen während der Zeit seines ordentlichen Präsenzdienstes eine Gefährdung der Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen des Angehörigen zu befürchten ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. Dezember 1987, Zl. 87/11/0094). Beim gegenständlichen Vorbringen des Beschwerdeführers geht es nicht darum, daß er WÄHREND DER ABLEISTUNG des Grundwehrdienstes seine Angehörigen in ihren Belangen nicht unterstützen könnte, sondern vielmehr darum, daß ihnen NACH ABLEISTUNG des Grundwehrdienstes die Existenzgrundlage verlorenginge. Dabei handelt es sich der Sache nach um das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers an der Vermeidung der für den Fall der Leistung des Grundwehrdienstes befürchteten wirtschaftlichen Nachteile, und zwar aus der Sicht seiner Angehörigen gesehen. Diese wirtschaftlichen Probleme hat die belangte Behörde zu Recht als nicht besonders rücksichtswürdig iSd § 36 Abs. 2 Z. 2 WG erachtet, sind sie doch die Folge der vorangegangenen Verletzung der Harmonisierungspflicht durch den Beschwerdeführer.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, ist die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993110042.X00Im RIS seit
20.11.2000