Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASVG §412 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, als bestellter Verfahrenshelfer, gegen den Bescheid des BM für Arbeit und Soziales vom 20.2.1991, Zl. 127.595/1-6b/90, betr die Zurückweisung von Rechtsmitteln in einer Sozialversicherungssache (mP:Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vom 13. Juli 1990 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer in der Zeit vom 1. Juni 1977 bis 30. Juni 1980 in der Krankenversicherung und vom 1. Juni 1977 bis 31. März 1978 sowie vom 1. November 1978 bis 31. Dezember 1982 in der Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 und Z. 3 GSVG pflichtversichert sei. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 17. Juli 1990 durch postamtliche Hinterlegung zugestellt, nach seinem Vorbringen von ihm jedoch erst am 19. Juli 1990 behoben. Dieser Bescheid enthält folgende Rechtsmittelbelehrung:
"Der vorliegende Bescheid kann während der unerstreckbaren Frist von einem Monat nach der Zustellung durch Einspruch angefochten werden. Der Einspruch ist schriftlich oder telegraphisch bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft,
Landesstelle Wien,
1050 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86 einzubringen, er hat den angefochtenen Bescheid zu bezeichnen und einen begründeten Entscheidungsantrag zu enthalten."
Am 7. August 1990 brachte der Beschwerdeführer beim Arbeits- und Sozialgericht Wien einen Antrag auf Verfahrenshilfe und damit verbunden einen Einspruch gegen den Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 13. Juli 1990 ein; eine Kopie seiner Gerichtseingabe übermittelte er mit Schreiben vom 9. August 1990 an die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt, bei der sie am 10. August 1990 einlangte. Mit Beschluß des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 23. August 1990 zu 2 Cgs 73/90 wurde 1.) der Antrag auf Verfahrenshilfe und 2.) die als Einspruch bezeichnete Eingabe zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 28. August 1990, bei der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt eingelangt am 30. August 1990, beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung gegen Versäumung der Frist zur Erhebung des Einspruches und holte unter einem die versäumte Verfahrenshandlung durch Erhebung des Einspruches nach.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 25. Oktober 1990 wurde 1.) der Einspruch vom 9. August 1990 mangels eines begründeten Entscheidungsantrages als unzulässig zurückgewiesen und 2.) der Einspruch vom 28. oder - wie im Bescheid - "eingelangt" am 30. August 1990 als verspätet zurückgewiesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen die Zurückweisung seiner Einsprüche keine Folge und bestätigte den Bescheid des Landeshauptmannes.
Mit Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vom 3. Dezember 1990, bestätigt mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. März 1991, wurde der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Einspruches abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/08/0052 als unbegründet abgewiesen.
Gegen den die Zurückweisung seiner Einsprüche bestätigenden Bescheid der belangten Behörde richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand; die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt hingegen erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen und in nichtöffentlicher Sitzung erwogen:
1.) Zur Zurückweisung des "Einspruches" vom 9. August 1990:
Die Eingabe des Beschwerdeführers vom 9. August 1990, bei der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt eingelangt am 10. August 1990, hat folgenden Wortlaut:
"Betr. Beitr. Nr. 1,193.292-0
Wien, 1990-08-09
Sehr geehrte Damen und Herren
Teile ihnen höflichst mit, daß ich am 7. 8. 90 beim Arbeits- und Sozialgericht folgende Anträge gestellt habe:
1.)
Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe.
2.)
Einspruch gegen den Bescheid von Ihnen
vom 13.7.1990.
Lege Ihnen eine Kopie der Eingabe bei.
Hochachtungsvoll
......"
(Die Eingabe enthält nur diese aus der Mitteilung ersichtlichen Anträge.)
Gemäß § 412 Abs. 1 ASVG können Bescheide der Versicherungsträger in Verwaltungssachen binnen einem Monat nach der Zustellung durch Einspruch an den zuständigen Landeshauptmann angefochten werden. Der Einspruch hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den er sich richtet, und einen begründeten Entscheidungsantrag zu enthalten.
Nach der gemäß der §§ 357 Abs. 1 ASVG in Verbindung mit § 194 Abs. 1 GSVG unter anderem für das Verfahren vor den Versicherungsträgern in Verwaltungssachen geltenden Bestimmung des § 61 Abs. 1 AVG hat die Rechtsmittelbelehrung unter anderem auf das Erfordernis des begründeten Rechtsmittelantrages hinzuweisen. Nach § 61 Abs. 5 leg. cit. gilt dann, wenn der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über das Erfordernis eines begründeten Rechtsmittelantrages enthält, das Fehlen eines solchen als Formgebrechen (§ 13 Abs. 3). Daraus ergibt sich, daß das Fehlen eine begründeten Rechtsmittelantrages im Einspruch NUR DANN als Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG mit der Rechtsfolge einer Verpflichtung der Behörde, dem Einschreiter die Behebung der Formgebrechen aufzutragen, gilt, wenn der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über das Erfordernis eines begründeten Rechtsmittelantrages enthielt; trifft letzteres - so wie im Beschwerdefall - nicht zu, so stellt ein solches Fehlen einen INHALTSMANGEL des Einspruches dar, der seine Zurückweisung als unzulässig zur Folge hat (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 30. Jänner 1990, Zl. 88/18/0361 sowie die zuletzt ergangenen Erkenntnisse vom 23. Februar 1993, Zlen. 92/08/0193 und 92/08/0220).
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine als Einspruch zu geltende Eingabe einen begründeten Entscheidungsantrag enthält, sind die zu § 63 Abs. 3 AVG von der Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgesichtspunkte heranzuziehen (vgl. die bereits zitierten Erkenntnisse vom 23. Februar 1993, Zlen. 92/08/0193 und 92/08/0220). Es sind zwar demnach keine streng formalistischen Auslegungen vorzunehmen, es kommt auch nicht auf eine formell und inhaltlich vollendete Darstellung des begründeten Berufungsantrages an, doch bedeutet dies nicht, daß schon die bloße Erkennbarkeit des mangelnden Einverständnisses mit einem Bescheid dem Erfordernis eines "begründeten Berufungsantrages" genügt. Für die Erfüllung der Voraussetzung eines begründeten Berufungsantrages ist erforderlich, daß aus einer als Berufung zu wertenden Eingabe einerseits - unter dem Gesichtspunkt des Berufungsantrages - erkennbar ist, was der Berufungswerber mit seinem Rechtsmittel anstrebt, das heißt ob er eine gänzliche oder nur teilweise (und diesfalls welche) Abänderung oder Behebung des bekämpften Bescheides bezweckt (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 27. Juni 1980, Zl. 2834/79, und vom 26. November 1991, Zl. 91/11/0149), und daß das Rechtsmittel andererseits - unter dem Gesichtspunkt der Begründung - erkennen läßt, womit der Berufungswerber seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. die unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 20. August 1992, Zl. 92/06/0080 und vom 20. Oktober 1992, Zl. 91/08/0080).
Unabhängig davon, ob es sich bei der Eingabe des Beschwerdeführers vom 9. August 1990 an die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt in Verbindung mit der ihr beigelegten Kopie um einen Einspruch gehandelt hat, fehlte dieser Eingabe jedenfalls ein begründeter Entscheidungsantrag im Sinne der obigen Ausführungen, so daß daraus, daß der Landeshauptmann mit seinem Bescheid vom 25. Oktober 1990 diese bloße Mitteilung des Beschwerdeführers vom 9. August 1990 inhaltlich als Rechtsmittel gewertet und darüber eine Entscheidung gefällt hat, der Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten verletzt wurde.
Zu 2.) Bestätigung der Zurückweisung des Einspruches vom 28. (30.) August 1990:
Die belangte Behörde ging davon aus, daß - aufgrund der am 17. Juli 1990 erfolgten postamtlichen Zustellung des vom Beschwerdeführers angefochtenen erstinstanzlichen Bescheides - das Rechtsmittel spätestens am 13. August 1990 postalisch hätte aufgegeben werden müssen, um dem Erfordernis der Rechtzeitigkeit Genüge zu tun. Tatsächlich wurde der Einspruch des Beschwerdeführers am 29. August 1990 und damit außerhalb der Frist zur Erhebung des Einspruches zur Post gegeben.
Der Beschwerdeführer bestreitet auch nicht, daß der Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt ihm am 17. Juli 1990 durch die postamtliche Hinterlegung zugestellt wurde und er dieses Stück erst am 19. Juli 1990 behoben hat. Schon deshalb hat die belangte Behörde zu Recht den Einspruch als verspätet zurückgewiesen.
Auf das Beschwerdevorbringen, das im wesentlichen auf die neuerliche Geltendmachung von Wiedereinsetzungsgründen hinausläuft, war im Hinblick auf das bereits angeführte Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofe vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/08/0052, nicht mehr einzugehen.
Die Beschwerde war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründete sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1991080098.X00Im RIS seit
20.11.2000