TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/30 92/04/0258

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Veröffentlicht am 30.03.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §356 Abs3;
GewO 1973 §74 Abs2 Z1;
GewO 1973 §74 Abs2 Z2;
GewO 1973 §74 Abs2 Z3;
GewO 1973 §74 Abs2 Z5;
GewO 1973 §74 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Weiss als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde der E in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 23. September 1992, Zl. 315.200/1-III/3/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung (mitbeteiligte Partei: X-Gesellschaft m.b.H. in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 11. März 1992 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß §§ 81 und 77 GewO 1973 die Genehmigung für die Änderung und den Betrieb der geänderten Anlageteile der mit Bescheid vom 20. Dezember 1974 genehmigten, auf Grundstück Nr. 2242/39, KG X, gelegenen Tankstelle nach Maßgabe der mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Pläne und der Betriebsbeschreibung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, daß die Beschwerdeführerin mit ihrer Einwendung, daß entlang der beiderseitigen Grundstücksgrenze eine Feuermauer zu errichten sei, gemäß § 357 GewO 1973 auf den Zivilrechtsweg verwiesen werde. Zur Begründung des letztangeführten Bescheidabspruches wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe im Verfahren durch ihren bevollmächtigten Rechtsanwalt nachstehende Erklärung abgegeben:

"Mit dem Rechtsvorgänger der Frau E, ihrem Vater, Herrn Baumeister R, war bereits seinerzeit bei Begründung des Gewerbebetriebes durch die Antragsteller vereinbart, daß entlang der beiderseitigen Grundstücksgrenze eine Feuermauer errichtet wird, und zwar auf Kosten der Antragstellerin, die einerseits einen Sicht- und auch einen Lärmschutz darstellen sollte, wobei darüber Einvernehmen bestanden hat, daß jeweils bis an die Grundstücksgrenze eine Bebauung beiderseits gestattet wird. Frau E besteht auf Zuhaltung dieser getroffenen Vereinbarung und spricht sich gegen das nunmehr beantragte Projekt aus, zumal damit Fakten geschaffen werden, die der danach getroffenen Vereinbarung widersprechen und diese unmöglich machen. Mit Erfüllung dieser Vereinbarung erklärt Frau E, gegen das nunmehrige Projekt, soweit es gesetz- und verordnungsgemäß errichtet ist, keine Einwände zu erheben."

Hiezu werde bemerkt, daß laut Gutachten des Amtssachverständigen für Sanitätswesen (Gesundheitsamt des Magistrates Graz) anläßlich einer Augenscheinsverhandlung am 14. Dezember 1966 für den Anrainer R auch ohne die Errichtung einer Trennmauer keine das ortsübliche Ausmaß in unzumutbarer Weise überschreitende Belästigung zu erwarten sei, weil der Tankstellenverkehr an das Grundstück des Anrainers nicht näher heranführe, als der mit den gleichen Immissionen verbundene Kraftfahrzeugverkehr auf der öffentlichen Straße. Da es sich bei der gegenständlichen Einwendung um eine privatrechtliche Einwendung handle und bei der Verhandlung am 7. Februar 1992 keine Einigung habe erzielt werden können, sei die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen gewesen.

Über eine dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin erkannte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Bescheid vom 23. September 1992 dahin, daß diese gemäß § 359 Abs. 4 i.V.m. § 356 Abs. 3 GewO 1973 als unzulässig zurückgewiesen werde. Dieser Ausspruch wurde damit begründet, gemäß § 359 Abs. 4 stehe das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien seien. Das Berufungsrecht der Arbeitsinspektorate werde hiedurch nicht berührt. Gemäß § 356 Abs. 3 leg. cit. seien im Verfahren gemäß Abs. 1 unbeschadet des folgenden Satzes nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erhöben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an .... Aus diesen Bestimmungen der Gewerbeordnung sei ersichtlich, daß Nachbarn in einem Verfahren betreffend die Genehmigung (der Änderung einer genehmigten) Betriebsanlage nicht jedenfalls, sondern nur nach Maßgabe ihrer fristgerecht in der von der Gewerbebehörde erster Instanz anberaumten mündlichen Augenscheinsverhandlung erhobenen Einwendungen Parteistellung und damit Berufungsrecht zukomme. Im vorliegenden Fall habe die Beschwerdeführerin in der im Gegenstand von der Gewerbebehörde erster Instanz durchgeführten mündlichen Augenscheinsverhandlung vom 6. Februar 1992 die im erstbehördlichen Bescheid wiedergegebene Stellungnahme abgegeben. Aus dieser sei allenfalls eine Einwendung betreffend Sicht- und Lärmschutz herauszulesen. Die nunmehr vorliegende Berufung bringe jedoch gegen die mit dem angefochtenen Bescheid genehmigte Anlage ausschließlich andere Einwendungen - Schmutzimmissionen, Brandgefahr, Beeinträchtigung der auf der Nachbarliegenschaft befindlichen Bausubstanz, Nichteinhaltung der nach der Stmk. Bauordnung vorgeschriebenen Abstände - vor. Alle diese Einwände seien jedoch in der im Sinne des vorzitierten § 356 Abs. 3 GewO 1973 maßgeblichen mündlichen Augenscheinsverhandlung erster Instanz nicht vorgebracht worden, sodaß diesbezüglich jedenfalls eine Parteistellung und damit auch ein Berufungsrecht der Beschwerdeführerin nicht habe begründet werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ihrem Vorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf meritorische Entscheidung über ihre Berufung verletzt. Sie bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vor, sie habe bei der mündlichen Verhandlung die in der Folge angeführten Einwendungen vorgebracht, die nach dem Inhalt des diesbezüglichen Vorbringens mit den bereits vordargestellten, im erstbehördlichen Bescheid bezeichneten Einwendungen identisch sind. Weiters wird vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufung im wesentlichen vorgebracht, daß die erteilten Auflagen des Genehmigungsbescheides nicht nur im Zivilbereich, sondern auch im öffentlichen Bereich in ihre Rechte als Grundnachbarin eingriffen. Zwischen beiden Grundstücken bestehe ein Bretterzaun. Die seinerzeitige Überlegung und der Hinweis auf die Vereinbarung, eine brandbeständige Mauer zu errichten, habe die mit einer Tankstelle verbundenen Gefahrenquellen jeglicher Immission beseitigen sollen, "also insbesonders durch eine Waschanlage Spritzimmissionen an Feuchtigkeit, beim Betrieb der Tankstelle Immissionen durch Feuer, Explosionsgefahr". Ihre Einwendungen gegen das Projekt seien daher auch so zu verstehen gewesen, daß die Ausformulierung der Einwendungen in der Berufung mit dem Einwand im erstinstanzlichen Verfahren nicht im Widerspruch stünden. Daß die Behörde erster Instanz die nach der Stmk. Bauordnung vorgesehenen Abstände zu beachten habe, sei eine Einwendung, die sie in erster Instanz nicht erheben müsse und von der sie ausgehen könne, daß sie von der Behörde beachtet werde. Daß sie nach Zustellung "des Bescheides" feststelle, daß nach ihrem Dafürhalten diese Abstände nicht entsprechend gewahrt seien, könne nicht als unbeachtlicher Einwand angesehen werden, da diese Abstände jedenfalls auch in ihre subjektiv-öffentlichen Rechte eingriffen, und wenn die Behörde dies nicht beachte, "mir das Recht, mich gegen einen derartigen Bescheid mangels Beachtung der gesetzlichen Vorschriften durch die Erstinstanz wohl nicht benommen werden kann". Die Anlage sei überdacht, soweit sie die Waschanlage betreffe, und stelle daher nach ihrer Ansicht ein Gebäude im Sinne der Bauordnung dar, sodaß die in der Bauordnung vorgesehenen Mindestabstände zu beachten seien. Dadurch, daß ihre Berufung als unbeachtlich zurückgewiesen worden sei, seien ihre Rechte als Nachbarin verletzt worden.

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Nach § 356 Abs. 1 GewO 1973 hat die Behörde (§§ 333, 334, 335) - ausgenommen in den im Beschwerdefall nicht in Betracht kommenden Fällen des § 359b - auf Grund eines Ansuchens um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage eine Augenscheinsverhandlung anzuberaumen. Nach Abs. 3 sind im Verfahren gemäß Abs. 1 - unbeschadet des zweiten Satzes dieser Gesetzesstelle - nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 leg. cit. erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 16. April 1985, Slg. N.F. Nr. 11.745/A, unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung dargetan hat, liegt eine Einwendung im Sinne der eingangs dargestellten Gesetzeslage nur dann vor, wenn der Beteiligte (hier: der Nachbar) die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet wird, und ferner, welcher Art dieses Recht ist. Das heißt, es muß auf einen oder mehrere der im § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973, im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. auf einen oder mehrere der dort vorgeschriebenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder eine "in anderer Weise" auftretende Belästigung) abgestellt sein.

Ausschließlich im Rahmen dieser, für die Nachbarn möglichen Einwendungen in einem Betriebsanlagengenehmigungs- oder -änderungsverfahren kommt daher auch eine in einem Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend zu machende Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten der Nachbarn in Betracht, wogegen der Verwaltungsgerichtshof zu einer hievon losgelösten abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheides nicht berufen ist, da er nur unter dem Gesichtspunkt der Verletzung subjektiver Rechte der Parteien zu erkennen hat (vgl. hiezu u.a. den hg. Beschluß vom 15. Mai 1979, Slg. N.F. Nr. 9842/A).

Den vordargestellten "Einwendungen" der Beschwerdeführerin im verwaltungsbehördlichen Verfahren erster Instanz ist eine im Sinne der vordargestellten Rechtslage zu qualifizierende Behauptung nicht zu entnehmen, zumal nach diesen auch im Zusammenhang mit "Sicht- und auch Lärmschutz" ausschließlich auf "Zuhaltung" einer behaupteten Vereinbarung zwischen dem Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin und der mitbeteiligten Partei bestanden wird. Sofern sich aber die Beschwerdeführerin im Beschwerdeschriftsatz neben dem Hinweis auf die vorstehend von ihr ins Treffen geführte "Vereinbarung" darauf beruft, daß die Behörde die nach der Stmk. Bauordnung vorgesehenen Abstände zu beachten habe und daß ihres Dafürhaltens nach diese Abstände nicht entsprechend gewahrt seien, wobei diese Umstände von Amts wegen von der Behörde wahrzunehmen gewesen wären, so kommt diesem Vorbringen schon deshalb keine Relevanz im gegenständlichen Beschwerdeverfahren zu, da die Gewerbebehörde Normen mit baurechtlichem Inhalt in ihrem Änderungsgenehmigungsverfahren nicht anzuwenden hatte.

Ausgehend davon erweist sich aber die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992040258.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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