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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des M in D, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. August 1992, Zl. 4.308.722/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. August 1992 wurde ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem türkischen Staatsangehörigen, der am 2. Jänner 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist - kein Asyl gewähre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der (bereits damals anwaltlich vertretene) Beschwerdeführer hat seinen schriftlichen Asylantrag vom 7. Jänner 1991 damit begründet, "der politisch in der Türkei verfolgten Minderheit der Kurden" anzugehören. Seine Schwester habe sich politisch betätigt, indem sie für die Rechte der Kurden eingetreten sei. Er habe "dann die Vertreter dieser Organisation "PKK"" kennengelernt. Die politische Tätigkeit seiner Schwester habe dazu geführt, daß alle Familienangehörigen von den Behörden verfolgt und terrorisiert worden seien. Sein Vater sei wiederholt verhaftet worden. Wiederholt seien seine Familienangehörigen rechtswidrig angehalten worden. Auch er sei wegen seiner Zugehörigkeit zur Minderheit der Kurden, seiner politischen Gesinnung und seiner Religion seit 1987 - nachdem er nach einem Aufenthalt in Saudi-Arabien, wo er seit 1983 beschäftigt gewesen sei, wieder in die Türkei zurückgekehrt sei - wiederholt verhaftet, eingesperrt und gefoltert worden. Zuletzt sei dies im Oktober 1990 der Fall gewesen, wobei es nie zu einem ordentlichen Gerichtsverfahren gekommen sei. Die Verfolgung gehe nicht nur von den "Nicht-Kurden der Bevölkerung in der Türkei" mit stillschweigender Billigung, ja sogar Unterstützung der Behörden und der Regierung, sondern auch von der Staatsgewalt "im gesamten Gebiet" aus. Die Furcht vor weiteren Verfolgungen, Verhaftungen und Folterungen seien für ihn der Grund gewesen, die Türkei mit Hilfe einer Organisation zu verlassen, und er sei im Hinblick auf diese Furcht nicht mehr in der Lage, in die Türkei zurückzukehren. Er habe seine Frau und seinen Sohn dort zurücklassen müssen. Es lägen daher die Voraussetzungen für die Gewährung des Asyls vor.
Anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung am 29. Jänner 1991 wies der Beschwerdeführer neuerlich auf seine kurdische Abstammung hin, auf Grund derer es fast nicht möglich sei, in der Türkei eine anständige Arbeit zu erhalten, weshalb er Gastarbeiter in Saudi-Arabien gewesen sei. Nach seiner Rückkehr im Jahre 1987 habe er erfahren, daß sein Bruder und seine Schwester (welche von ihm namentlich genannt wurden) mit den kurdischen Freiheitskämpfern "in den Bergen" gewesen seien und dort für ein freies Kurdistan gekämpft hätten. In ihrem Haus in Pülümür (wo auch der Beschwerdeführer gewohnt habe) seien täglich die Polizei und auch das Militär zugegen gewesen. Wegen der illegalen Tätigkeit seiner beiden Geschwister sei die übrige Familie, so auch er, ständig beobachtet und unterdrückt worden. Zuletzt sei er im Dezember 1990 auf der Straße verhaftet und auf das "Hauptpolizeirevier" in Erzincan gebracht worden, wo er von den vernehmenden Beamten dauernd nach dem Aufenthaltsort seiner beiden genannten Geschwister befragt worden sei; es sei ihm vorgehalten worden, daß er wisse, wo sie sich aufhielten. Die Anhaltung, während derer er auch geschlagen und mißhandelt worden sei, habe drei Tage gedauert. Er habe dann täglich versucht, sich vor der Polizei zu verstecken "bzw. mit diesen nicht in Klinc zu kommen". Doch dies sei auf längere Zeit fast nicht möglich gewesen, weswegen er sich entschlossen habe, auszuwandern. Er habe in der Türkei keiner politischen Partei angehört, jedoch "für die PKK" sympathisiert und auch mit Botengängen ins Gebirge "ausgeholfen".
In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 13. Mai 1991 machte der Beschwerdeführer geltend, daß es für ihn wegen seiner "Dazugehörigkeit zur Minderheit der Kurden", seiner politischen Gesinnung und seiner Religion - und nicht etwa wegen der allgemeinen wirtschaftlichen Schwierigkeiten - nicht möglich sei, in der Türkei eine ordnungsgemäße Arbeitsstelle zu finden. Wegen der genannten Gründe werde er von den Behörden "und auch von anderen Türken" mit politischen Verfolgungen konfrontiert und benachteiligt. Geringste Ordnungswidrigkeiten, die bei Nicht-Kurden keinerlei Sanktionen hervorriefen, führten bei Kurden zu Verhaftungen und strengen Verhören. So seien der Beschwerdeführer, aber auch seine Angehörigen, "die teilweise in der Organisation "PKK" arbeiten", seit 1987 wiederholt, zuletzt im Oktober 1990 verhaftet, eingesperrt und gefoltert worden. Die Furcht vor weiteren Verfolgungen, Verhaftungen und Folterungen seien Grund für den Beschwerdeführer gewesen, in der Türkei "unterzutauchen" und schließlich die Türkei zu verlassen. Im Hinblick auf diese Furcht sei er nicht mehr in der Lage, wieder in sein Heimatland zurückzukehren.
Die belangte Behörde hat die Auffassung vertreten, daß das durchgeführte Ermittlungsverfahren, insbesondere auch die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers, keine Anhaltspunkte dafür ergeben habe, daß er Flüchtling "im Sinne des Asylgesetzes" (entsprechend den in der Bescheidbegründung zitierten gesetzlichen Bestimmungen gemeint: des Asylgesetzes 1991) sei. Ihr ist - im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - darin beizupflichten, daß die allgemein gehaltenen Angaben des Beschwerdeführers über die Situation der Kurden in der Türkei eine Asylgewährung nicht rechtfertigten. Der Beschwerdeführer hat aber - wie die belangte Behörde gleichfalls richtig erkannt hat - bei seiner Befragung keinerlei Verfolgungshandlungen genannt, die alleine auf Grund seiner kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit gegen ihn gesetzt worden wären, womit er insofern eine Klarstellung hinsichtlich seines ungenauen Vorbringens im Asylantrag, das auch diese Möglichkeit offen gelassen hatte, vorgenommen hat. Auf das Berufungsvorbringen war diesbezüglich von der belangten Behörde nicht mehr Bedacht zu nehmen, weil sie gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen hatte. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hatte sie diesbezüglich keine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen, weil es in diesem Punkt nicht offenkundig mangelhaft war und auch sonst kein Fall des § 20 Abs. 2 leg. cit. vorlag. Es ist daher - ohne daß darauf noch näher einzugehen wäre - auch die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde wäre gemäß § 16 Abs. 1 leg. cit. zu weiteren Ermittlungen verpflichtet gewesen, verfehlt. Auf eine Verfolgung aus Gründen der Religion, die im Verwaltungsverfahren ohne jede Konkretisierung bloß behauptet wurde, kommt der Beschwerdeführer, der seinen Angaben zufolge dem Islam angehört, in der Beschwerde nicht mehr zurück. Für die Annahme seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (in Übereinstimmung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) käme demnach nur noch eine Verfolgung des Beschwerdeführers auf Grund seiner politischen Gesinnung in Betracht.
Der Beschwerdeführer wendet sich zwar mit Recht gegen die von der belangten Behörde gebrauchte Argumentation im Zusammenhang mit seinem Vorbringen, er habe die PKK, ihrer Meinung nach eine notorisch gewaltbejahende und -tätige Gruppe, unterstützt, woraus sie zusammenfassend abgeleitet hat, daß die von ihm behauptete Verfolgung wegen krimineller Handlungen seinerseits und nicht wegen seiner Gesinnung erfolgt sei. Die belangte Behörde hat - wie unter anderem in dem dem Erkenntnis vom 5. November 1992, Zl. 92/01/0703, zugrundeliegenden Beschwerdefall, auf dessen nähere Begründung verwiesen wird - diesbezüglich keine weiteren Ermittlungen durchgeführt und keine entsprechenden Feststellungen getroffen, wobei auch im vorliegenden Beschwerdefall zu bemerken ist, daß sie den im § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991 (Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Ausschließungsgrund nicht herangezogen hat. Darin ist aber kein wesentlicher Verfahrensmangel zu erblicken, weil die belangte Behörde auch sonst nicht zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid hätte kommen können. Den (bei Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes wesentlichen) niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers läßt sich nämlich ebensowenig entnehmen, daß er irgendwelchen, den staatlichen Behörden seines Heimatlandes zuzurechnenden Verfolgungshandlungen, die auf seine politische Gesinnung zurückzuführen gewesen wären, ausgesetzt gewesen sei. Vielmehr ergibt sich daraus, daß die vom Beschwerdeführer geschilderten, gegen ihn ergriffenen Maßnahmen ausschließlich ihre Ursache in den politischen Aktivitäten seiner beiden Geschwister, deren Aufenthaltsort von ihm in Erfahrung gebracht werden sollte, hatten. Dies stellt, wie die belangte Behörde in der weiteren Begründung ihres Bescheides richtig erkannt hat, keine Verfolgung aus einem der Konventionsgründe, insbesondere dem der politischen Gesinnung, dar, zumal aus seinen Angaben auch nicht hervorgeht, daß er Schwierigkeiten mit den staatlichen Behörden seines Heimatlandes (auch) deshalb gehabt habe, weil man ihm selbst eine derartige politische Gesinnung unterstellt oder ihn einer solchen zumindest verdächtigt habe. Es kommt daher auch den von ihm behaupteten, lediglich damit im Zusammenhang stehenden Mißhandlungen bzw. Folterungen keine Relevanz zu, weshalb die (an sich ohne hinreichende Sachverhaltsgrundlage getroffene) Feststellung der belangten Behörde, es seien diese als Übergriffe einzelner Angehöriger der türkischen Sicherheitsbehörden zu qualifizieren, nicht wesentlich erscheint. Aus diesem Grunde war auch das - im übrigen insofern nicht eindeutige - Berufungsvorbringen nicht zu berücksichtigen und waren demnach auch diesbezüglich keine weiteren Ermittlungen gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 zu veranlassen.
Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992010884.X00Im RIS seit
20.11.2000