TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/31 92/01/0808

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Veröffentlicht am 31.03.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
AVG §37;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 92/01/0809

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerden 1. des I und 2. der S, beide in W, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 13. Juli 1992,

1. Zl. 4.328.044/1-III/13/91, und 2. Zl. 4.328.044/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 13. Juli 1992 wurde ausgesprochen, daß Österreich den Beschwerdeführern - einem Ehepaar albanischer Staatsangehörigkeit, das am 27. August bzw. 22. September 1991 in das Bundesgebiet einreiste - kein Asyl gewähre.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden. Der Verwaltungsgerichtshof hat wegen des sachlichen Zusammenhanges die Verbindung dieser Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung beschlossen und darüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde vertritt in den gleichlautenden Begründungen der angefochtenen Bescheide die Auffassung, eine die Beschwerdeführer betreffende Verfolgungsgefahr sei weder durch die vergangenen Ereignisse noch durch die notorische aktuelle Situation in Albanien bescheinigt. Sie begründet dies - ohne sich mit den Angaben der Beschwerdeführer über die Gründe, die diese zum Verlassen ihres Heimatlandes bewogen hätten, auseinanderzusetzen und Feststellungen darüber zu treffen - ausschließlich damit, daß alles, was die Beschwerdeführer vorgebracht hätten, sich auf die Situation in deren Heimatland zur Zeit des stalinistischen Regimes und vor allem während der Umbruchszeit 1991/1992 bezogen habe. In der Zwischenzeit habe sich jedoch die Lage in Albanien in geradezu spektakulärer und dramatischer Weise geändert. Die derzeit auch effektiv in Kraft stehende Verfassung vom 29. April 1992 gewähre die liberalen Grundrechte wie Glaubens-, Presse- und Versammlungsfreiheit, das Streikrecht, Freizügigkeit und Privateigentum und sichere deren Beachtung durch Institutionen der gewaltenteilenden parlamentarisch-pluralistischen Demokratie. Im Laufe des Jahres 1991 seien sämtliche politischen Häftlinge freigelassen worden. Es seien keine Fälle staatlicher Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sonstigen sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung mehr bekannt geworden. Habe sich in einem Staat ein derartiger Umbruch ereignet, daß von einer Identität der aktuellen Staatsform und daraus folgender Staatspraxis mit der alten auch im weitesten Sinne nicht mehr gesprochen werden könne, das Selbstverständnis der neuen sich vielmehr vom Kontrast zur bisherigen "herschreibe", trete der Fall ein, daß Ereignissen in der Vergangenheit eine Indizwirkung bestehender Verfolgungsgefahr nicht mehr zukommen könne. Zwar könne die triste wirtschaftliche Lage im Heimatland der Beschwerdeführer ebensowenig geleugnet werden wie die hohe Kriminalitätsrate; diese sicherlich bedauerlichen Mißstände stellten jedoch keine "Verfolgung" durch staatliche Organe im Sinne des § 1 Asylgesetz 1991 dar.

Diese Begründung vermag die angefochtenen Bescheide nicht zu tragen. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis vom 20. Jänner 1993, Zlen. 92/01/0761, 0762, dargelegt, daß weder die geänderte Verfassungsrechtslage noch die Freilassung politischer Gefangener die Richtigkeit der Behauptungen der Beschwerdeführer, es bestehe auf Grund der faktischen Verhältnisse in ihrem Heimatland für sie weiterhin wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen ihrer politischen Gesinnung, ausschließe. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, daß die belangte Behörde entgegen der Vorschrift des § 37 AVG den Beschwerdeführern nicht Gelegenheit gab, zu dem von ihr angenommenen Sachverhalt Stellung zu nehmen. Bei dieser Sachlage zeigen die Beschwerdeführer mit ihrem Vorbringen, die Verhältnisse in ihrem Heimatstaat hätten sich nicht geändert; sie hätten nach wie vor Anlaß zu begründeter Furcht vor Verfolgung, einen relevanten Verfahrensmangel auf. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung des Verfahrensmangels zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, waren die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf die weiteren Beschwerdeausführungen bedurft hätte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Parteienvernehmung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010808.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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